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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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kurfürstliche Zug die
    Grenze überschritten habe, fuhren auf dreien Wagen
    bis an den Egelpfuhl, um daselbst Seine Durchlaucht
    zu begrüßen. Nachdem sie zwei Stunden gewartet
    hatten, kam der Kurfürst. Der Rat und die Deputier-
    ten gingen ihm vierzehn bis sechzehn Schritte ent-
    gegen. Er gab jedem die Hand. Der Kanzler Johann
    von Löben (der Schwiegervater des später so be-
    rühmt gewordenen Konrad von Burgsdorf) stellte
    sich darauf neben den Wagen, und der regierende
    Bürgermeister, Andreas Berlin, hielt eine lange Rede und überreichte die Schlüssel der Stadt. Der Kanzler
    antwortete in einer kurzen Rede. Nun bewegte sich der Zug langsam in die Stadt. Der Magistrat und die
    Deputierten begleiteten den kurfürstlichen Wagen
    auf beiden Seiten zu Fuß, ungeachtet es stark regne-te , wofür sie aber durch die Unterhaltung mit Seiner Durchlaucht schadlos gehalten wurden. Vom Rosengarten bis zum Rathause stand die Bürgerschaft in

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    zwei Reihen, unter ihnen 150 »Buntröcke« oder Sol-
    daten, welche Ehrenschüsse taten. Darauf speiste
    der Kurfürst samt seiner Gemahlin auf dem Rathau-
    se; ihnen zunächst saßen die beiden durchnäßten
    Bürgermeister, Andreas Berlin und Kaspar Witte. Es
    herrschte ein heiterer, ungezwungener Ton, und Graf
    Hunert von Zerbst, der dazumalen kurfürstlicher
    Hauptmann auf dem Seeschloß von Alt Ruppin war,
    »brachte viel Scherz und launige Rede an, von Jung-
    fern und Frauen, von Ehebrecherei und anderer Löf-
    felei«. (Unser Gewährsmann Bratring, dem wir diese
    Stelle entnehmen, bemerkt dazu vorwurfsvoll, daß
    angenehme Zweideutigkeiten also auch damals
    schon in gebildeter Gesellschaft betroffen worden
    seien.)
    Die Anwesenheit des kurfürstlichen Paares dauerte
    zwei Tage. »Der Magistrat hatte die sämtliche Die-
    nerschaft beschenkt, zugleich aber mit allen Köchen
    und Kammerknechten sich gezankt«, und war des-
    halb froh, als am dritten Tage die Huldigungsfeier-
    lichkeiten vorüber waren.
    Wenn Bürgermeister und Deputierte, wie wir aus
    dieser Kaspar Witteschen Relation ersehen, sich mit
    »Köchen und Kammerknechten zankten«, so stiegen
    sie, in besonderer Erwägung dessen, was es damals
    mit dem Ruppiner Magistrat auf sich hatte, eigentlich
    tief unter sich selbst herab, denn nach andern Be-
    richten, die uns vorliegen, hatte Ruppin, etwa um
    dieselbe Zeit, wo Joachim Friedrich zur Huldigung
    erschien, nicht mehr und nicht weniger als sein au-
    gusteisches Zeitalter. Die Stadt, so bemerkt der

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    Chronist, trat eben damals in eine Periode ein, die
    wir mit Recht die gelehrte nennen dürfen. Der Adel, in dessen Händen bis dahin sich die vorzüglichsten
    Magistratsstellen befunden hatten, ging auf seine
    nachbarlichen Güter zurück, und statt seiner nahmen
    »gelehrte und berühmte Männer« die erledigten Sit-
    ze ein. Ruppin entfaltete sich zu einem Beschützer
    der Musen und freien Künste, und die Kämmereire-
    gister aus dem Schluß des sechzehnten Jahrhunderts
    geben uns Auskunft darüber, in welcher Weise das
    Mäzenatentum der Stadt damals nachgesucht und
    betätigt wurde. Im Jahre 1573 überschickte Nikolaus
    Rensperger, Künstler und Mathematiker zu Halle,
    einen geschickt gearbeiteten Quadranten und emp-
    fing »dreiunddreißig Groschen« nebst einem Dankes-
    schreiben – die meisten Arbeiten aber, die eingingen,
    waren literarisch-theologischer Natur und wurden in artigster Form entgegengenommen. Petrus Sinapius
    aus Garz schickte sein gelehrtes Carmen »de Sanctis
    Angelis« (1580), Balthasar Leutinger überreichte
    1585 sein Werk »de principio theologico«. Die Hono-
    rare, die zur »Ermunterung ferneren Fleißes« bewil-
    ligt wurden, waren nicht bedeutend, Petrus Sinapius
    erhielt zwei Gulden sieben Groschen, Balthasar Leu-
    tinger einen Golden und elf Groschen; wie beschei-
    den aber auch diese Ehrensolde sein mochten, sie
    hatten ihren Wert und ihre Bedeutung in der Vergleichung untereinander . Die eigentlichen belles lettres, so scheint es, kamen schon damals zu kurz, und
    George Pondo, der, unter dem Titel »Der Knaben-
    spiegel«, eine Komödie zu überreichen wagte, erhielt seine Arbeit zurückgesandt unter einfacher Beifü-
    gung von sechs Groschen.

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    Wie seltsam diese Dinge, besonders auch diese
    Summen, uns heutigen Tages erscheinen mögen, sie
    waren weder kleinlich noch komisch zu ihrer Zeit,
    und das gelehrte Ruppin von 1570, indem es auf ein
    halbes Jahrhundert in den Rang und Reigen deut-
    scher

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