Wanderungen durch die Mark Brandenburg
kurfürstliche Zug die
Grenze überschritten habe, fuhren auf dreien Wagen
bis an den Egelpfuhl, um daselbst Seine Durchlaucht
zu begrüßen. Nachdem sie zwei Stunden gewartet
hatten, kam der Kurfürst. Der Rat und die Deputier-
ten gingen ihm vierzehn bis sechzehn Schritte ent-
gegen. Er gab jedem die Hand. Der Kanzler Johann
von Löben (der Schwiegervater des später so be-
rühmt gewordenen Konrad von Burgsdorf) stellte
sich darauf neben den Wagen, und der regierende
Bürgermeister, Andreas Berlin, hielt eine lange Rede und überreichte die Schlüssel der Stadt. Der Kanzler
antwortete in einer kurzen Rede. Nun bewegte sich der Zug langsam in die Stadt. Der Magistrat und die
Deputierten begleiteten den kurfürstlichen Wagen
auf beiden Seiten zu Fuß, ungeachtet es stark regne-te , wofür sie aber durch die Unterhaltung mit Seiner Durchlaucht schadlos gehalten wurden. Vom Rosengarten bis zum Rathause stand die Bürgerschaft in
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zwei Reihen, unter ihnen 150 »Buntröcke« oder Sol-
daten, welche Ehrenschüsse taten. Darauf speiste
der Kurfürst samt seiner Gemahlin auf dem Rathau-
se; ihnen zunächst saßen die beiden durchnäßten
Bürgermeister, Andreas Berlin und Kaspar Witte. Es
herrschte ein heiterer, ungezwungener Ton, und Graf
Hunert von Zerbst, der dazumalen kurfürstlicher
Hauptmann auf dem Seeschloß von Alt Ruppin war,
»brachte viel Scherz und launige Rede an, von Jung-
fern und Frauen, von Ehebrecherei und anderer Löf-
felei«. (Unser Gewährsmann Bratring, dem wir diese
Stelle entnehmen, bemerkt dazu vorwurfsvoll, daß
angenehme Zweideutigkeiten also auch damals
schon in gebildeter Gesellschaft betroffen worden
seien.)
Die Anwesenheit des kurfürstlichen Paares dauerte
zwei Tage. »Der Magistrat hatte die sämtliche Die-
nerschaft beschenkt, zugleich aber mit allen Köchen
und Kammerknechten sich gezankt«, und war des-
halb froh, als am dritten Tage die Huldigungsfeier-
lichkeiten vorüber waren.
Wenn Bürgermeister und Deputierte, wie wir aus
dieser Kaspar Witteschen Relation ersehen, sich mit
»Köchen und Kammerknechten zankten«, so stiegen
sie, in besonderer Erwägung dessen, was es damals
mit dem Ruppiner Magistrat auf sich hatte, eigentlich
tief unter sich selbst herab, denn nach andern Be-
richten, die uns vorliegen, hatte Ruppin, etwa um
dieselbe Zeit, wo Joachim Friedrich zur Huldigung
erschien, nicht mehr und nicht weniger als sein au-
gusteisches Zeitalter. Die Stadt, so bemerkt der
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Chronist, trat eben damals in eine Periode ein, die
wir mit Recht die gelehrte nennen dürfen. Der Adel, in dessen Händen bis dahin sich die vorzüglichsten
Magistratsstellen befunden hatten, ging auf seine
nachbarlichen Güter zurück, und statt seiner nahmen
»gelehrte und berühmte Männer« die erledigten Sit-
ze ein. Ruppin entfaltete sich zu einem Beschützer
der Musen und freien Künste, und die Kämmereire-
gister aus dem Schluß des sechzehnten Jahrhunderts
geben uns Auskunft darüber, in welcher Weise das
Mäzenatentum der Stadt damals nachgesucht und
betätigt wurde. Im Jahre 1573 überschickte Nikolaus
Rensperger, Künstler und Mathematiker zu Halle,
einen geschickt gearbeiteten Quadranten und emp-
fing »dreiunddreißig Groschen« nebst einem Dankes-
schreiben – die meisten Arbeiten aber, die eingingen,
waren literarisch-theologischer Natur und wurden in artigster Form entgegengenommen. Petrus Sinapius
aus Garz schickte sein gelehrtes Carmen »de Sanctis
Angelis« (1580), Balthasar Leutinger überreichte
1585 sein Werk »de principio theologico«. Die Hono-
rare, die zur »Ermunterung ferneren Fleißes« bewil-
ligt wurden, waren nicht bedeutend, Petrus Sinapius
erhielt zwei Gulden sieben Groschen, Balthasar Leu-
tinger einen Golden und elf Groschen; wie beschei-
den aber auch diese Ehrensolde sein mochten, sie
hatten ihren Wert und ihre Bedeutung in der Vergleichung untereinander . Die eigentlichen belles lettres, so scheint es, kamen schon damals zu kurz, und
George Pondo, der, unter dem Titel »Der Knaben-
spiegel«, eine Komödie zu überreichen wagte, erhielt seine Arbeit zurückgesandt unter einfacher Beifü-
gung von sechs Groschen.
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Wie seltsam diese Dinge, besonders auch diese
Summen, uns heutigen Tages erscheinen mögen, sie
waren weder kleinlich noch komisch zu ihrer Zeit,
und das gelehrte Ruppin von 1570, indem es auf ein
halbes Jahrhundert in den Rang und Reigen deut-
scher
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