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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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liegende Stadt, dann über
    die Türme und Dächer hinweg in die duftige Frische
    der Bruchlandschaft herniederblickt. Wie ein Bottich
    liegt diese da, durchströmt von drei Wasserarmen:
    der Faulen, Alten und Neuen Oder, und eingedämmt
    von Bergen hüben und drüben, die, wie ebenso viele
    Dauben, die grüne Tiefe umstehn. Meilenweit nur
    Wiesen; keine Fruchtfelder, keine Dörfer, nichts als
    Heuschober, dicht und zahllos, die, immer kleiner
    und grauer werdend, am Horizonte endlich zu einer
    weidenden Herde zusammenzuschrumpfen scheinen.
    Nur Wiesen, nur grüne Fläche; dazwischen einige
    Kropfweiden; mal auch ein Kahn, der über diesen
    oder jenen Arm der Oder hingleitet, dann und wann
    ein mit Heu beladenes Fuhrwerk oder ein Ziegeldach,
    dessen helles Rot wie ein Lichtpunkt auf dem Bilde
    steht. Der Anblick ist schön in seiner Art, und wessen
    Auge krank geworden in Licht und Staub und all dem

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    Blendwerk großer Städte, der wird hier Genesung
    feiern und dies Grün begrüßen, wie ein Durstiger
    einen Quell begrüßt. Aber der Anblick, so erlabend er
    ist, erleidet doch Einbuße durch seine Monotonie.
    Erst weiter südwärts, nach Frankfurt zu, verändert
    das Bruch seinen Charakter, erweitert ihn und
    schafft ein Bild voll Schönheit und Fruchtbarkeit, wie
    es die Mark in dieser Vereinigung nicht zum zweiten
    Male besitzt.
    Der Ruinenberg blickt weit ins Bruch hinein. Wodurch
    er sich indessen von den Nachbarbergen am wesent-
    lichsten unterscheidet, das ist der schon erwähnte
    Blick auf das ihm zu Füßen liegende Freienwalde.
    Außerdem hat er seine historischen Traditionen, Er-
    innerungen, denen wir es nicht zum Bösen anrech-
    nen wollen, daß sie sich in sagenhafte Vorzeit verlie-
    ren. Es hat dies folgenden Zusammenhang. Bei
    Nachgrabungen, die im Spätherbst 1820 hier ange-
    stellt wurden, stieß man, etwa vier Fuß tief unter der
    Erde, auf Fundamente, die nach sorglicher Ausmes-
    sung eine Länge von 136 Fuß ergaben. Es war just
    die Zeit, wo man hierlandes, über das »wendische
    Interregnum« hinaus, alles auf Langobarden- und
    Semnonentum zurückzuführen trachtete. Und das
    Badecomité, wie alle Badecomités, stand natürlich
    auf der Höhe seiner Zeit. Die Folge davon war, daß
    seitens desselben das 136 Fuß lange Fundament oh-
    ne weiteres als die Seitenwand eines Freyja-Tempels
    festgestellt und, zwei Fliegen mit einer Klappe schla-
    gend, jeder Streit über »Freienwalde« oder »Frey-
    enwalde« ein für allemal zugunsten der letzteren
    Version entschieden wurde. Das Fundament selbst

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    aber, alsbald ans Licht geschafft, erfuhr eine doppel-
    te Verwendung. Die eine Hälfte ward als Mauer-
    bruchstück aufgerichtet und erhielt eine Tafel mit der
    Geschichte der Auffindung des Freyja-Tempels, wäh-
    rend die andere Hälfte, ebenfalls nach Sitte der Zeit,
    als künstlicher »Ruinenturm« in eine neue Phase des
    Daseins trat. Inschrift: »Wie schön ist Gottes Erde.«
    Unser nächster Besuch gilt dem Ziegenberg , früher
    »Zickenberg«, der sich jedoch an seiner einfachen
    Erhebung ins Hochdeutsche nicht genügen ließ und
    in einen »Monte Caprino« verwandelt wurde. Von
    seiner Höhe blickt man ebenfalls in die Bruchland-
    schaft hinein, aber die Stadt im Vordergrunde fehlt.
    Dies mag uns Veranlassung geben, die sich um Frei-
    enwalde herumgruppierenden Bergpartien auf ihre
    Formation hin ein wenig näher anzusehen. Ihre Ei-
    gentümlichkeit besteht nämlich darin, daß sie, wie-
    wohl frei und offen daliegend, doch zugleich einen
    sehr exklusiven Charakter haben und untereinander, wenigstens landschaftlich, in gar keiner oder sehr
    geringer Verbindung stehn. Wir beschreiben diese
    hufeisenförmigen Täler vielleicht am besten, wenn
    wir sie als ebenso viele Amphitheater bezeichnen. Da
    alle diese Amphitheater am Bruche entlang liegen
    und nach vorn hin geöffnet sind, so ist der Blick auf
    das Bruch das allen Gemeinsame ; alles das aber, was sie von rechts und links her mit ihren Flanken
    umspannen, ist ihre jedesmalige Spezialität und
    kann nur von den verschiedenen Plätzen des eignen,
    nicht aber von den Plätzen des angrenzenden Amphi-
    theaters aus gesehen werden.

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    Wenn wir den Ruinenberg die »älteste Firma« nann-
    ten, so ist der Monte Caprino die jüngste. Professor
    Valentini, manchem unsrer Leser aus alten Berliner
    Tagen her bekannt, hat dem Städtchen, in das er
    sich zurückzog, diesen Berg erobert und die höchste
    Kuppe desselben in die Liste der

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