Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Tabaks-
qualm. Spiel und Tanz und Lärm und ein Faustschlag
auf den Tisch machen den Schluß des Festes. Bau-
ernhochzeiten zeichnen sich freilich überall durch
eine gewisse Reichtumsentfaltung aus, aber diese
selbstbewußte, zur Schau getragene Opulenz hält
sich an andern Orten innerhalb gewisser bäuerlicher
Traditionen. Hier sind diese Traditionen durchbro-
chen, und jeder versucht es, gleichsam auf eigne
Hand, seiner Eitelkeit, und meist nur dieser, ein Ge-
nüge zu tun.
Auch Gutem und Tüchtigem bin ich in diesen Dörfern
vielfach begegnet; aber zumeist doch jener Tüchtig-
keit nur, die aus einem starken Egoismus und dem
Instinkte des Vorteils hervorgeht. Die Wurzeln aller
Kräfte, die hier tätig sind, sind Selbstsucht und Selbstbewußtsein . Die Zeit soll noch erst kommen, 902
wo die hohen Kräfte des Lebens hier lebendig werden.«
Seit jenem Briefe, der die damaligen (1838) Sitten-
zustände des Bruchs eher zu mild als zu streng schil-
dert, sind mehr als vierzig Jahre vergangen, und
dieser Zeitraum hat bis auf einen gewissen Punkt die
Wünsche erfüllt, mit denen der Brief schließt. Es ist
besser geworden. Der bloße Geld- und Bauernstolz
hat dem Gefühl von den Aufgaben des Reichtums
Platz gemacht, und an die Stelle jener Selbstsucht,
die nur an sich und den engsten Kreis denkt, ist der
wenigstens erwachende Sinn für das Allgemeine ge-
treten. Es dämmert eine Vorstellung in den Gemü-
tern von der Gegenseitigkeit der Pflichten, eine Ah-
nung davon, daß die blanken Taler einen andern
Zweck haben, als bei dem Nachbar Geizhals im Kas-
ten zu liegen oder vom Bruder Verschwender bei
Vingt-un und »Blüchern« vergeudet zu werden. Die
üblen Folgen des »Rasch-reich-geworden-Seins«
verschwinden mehr und mehr, und die Segnungen
festen, soliden, ererbten Besitzes treten in den Vor-
dergrund. Man läßt den Schein fallen und fängt nicht nur an, sich des dünn aufgetragenen und überall
absplitternden Lacks zu schämen, sondern lebt sich
auch mehr und mehr in jenes Adels- und Standesge-
fühl hinein, das durch Jahrhunderte hin die nieder-
sächsischen Bauern so rühmlich auszeichnete.
Mögen unsere Oderbrücher, nach der wilden Jugend
ihres ersten Jahrhunderts, immer fester werden in
Schlichtheit, Sitte, Zucht.
903
1. Zum Oberbruch, auch das hohe Bruch ge-
nannt, gehörten schon damals folgende Ort-
schaften: Gusow, Kienitz, Platkow, Quappen-
dorf, Quilitz (jetzt Neu-Hardenberg),
Rathstock, Sachsendorf, Tucheband,
Manschnow, Gorgast, Golzow, Zechin, Wer-
big, Letschin, Genschmar, Langsow, Hathe-
now, Sietzing, Wuschewier, Friedland, Metz-
dorf, Kunersdorf, Bliesdorf, Ortwig, Neuen-
dorf, Hackenow, Werder, Wollup (berühmt
durch Koppe, der es dreißig Jahre lang be-
wirtschaftete). Diese Ortschaften sind seitdem
an Reichtum und Bedeutung gewachsen, aber
ihre Zahl hat sich, ein paar Ausnahmen abge-
rechnet, im Gegensatz zum Nieder bruche
nicht erweitert.
2. Wie die Bewohner, so sind auch die Dörfer
selbst in ihrer Erscheinung verschieden, doch
ist es fraglich, ob sich diese Verschiedenartig-
keit auf etwas Nationales zurückführen läßt.
Vielleicht sind die Gründe nur lokaler Natur.
Das Vorhandensein oder das Fehlen eines
Wassers, anderer Zufälligkeiten zu geschwei-
gen, mag solche Unterschiede geschaffen ha-
ben. Neubarnim (Pfälzerdorf) ist langge-
streckt, und eine Baumanlage, die sich mitten
durch die breite Dorfstraße zieht, teilt diese in
drei Längsteile, in zwei Fahrwege, rechts und
links, und einen Baumgang zwischen densel-
ben. Neutrebbin ist ähnlich, wenn ich nicht ir-
904
re. Neulewin aber (das mit Polen besetzte
Dorf) präsentiert sich malerischer. Die Dorf-
straße entlang läuft ein Fließ, das auf seiner
ganzen Länge von schräg oder auch terras-
senförmig ansteigenden Gärten eingefaßt ist.
Zwischen den Häusern und diesen Gärten
zieht sich rechts und links der Fahrweg. Die
Häuser selbst haben vielfach Lauben und Ve-
randen, und der Fußwanderer, der hier an ei-
nem Sommerabend des Weges kommt und
vor den Häusern das Singen hört, während
die dunklen, schöngewachsenen Mädchen mit
den klappernden Eimern zum Brunnen gehen,
vergißt auf Augenblicke wohl, daß er das ver-
spottete Sumpf- und Sandland der Mark
Brandenburg durchreist.
3.
905
Freienwalde
1. Von Falkenberg nach Freien-
walde. Die Stadt. Der Ruinen-
berg. Monte Caprino
Hier schmucke Häuschen, schimmernd
Am grünen
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