Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Freienwalder
Schönheiten eingereiht. Wofür ihm zu danken. Ob
wir ihm auch für das Häuschen zu danken haben,
das unter dem Namen »Valentinis Ruh« sich an
höchster Stelle des Berges erhebt und, mit blau und
roten Gläsern ausstaffiert, den Besucher auffordert
die Wiesenlandschaft abwechselungshalber auch mal
blau und rot auf sich wirken zu lassen, ist ungewiß.
Als desto gewisser aber wird es gelten können, daß
die doppelspaltige, fünf Fuß hohe Inschrift des Häu-
schens auf den Professor allerpersönlichst zurückge-
führt werden muß. Wer hier gestanden und diesen
Versen gegenüber nach Verständnis gerungen, denkt
mit Wehmut an den Ruinenberg und den kurzgefaß-
ten Höltyschen Nachklang zurück.
Wenige freilich werden angesichts dieser lachenden
Landschaft Lust bezeugen, unsern alten Professor
auf die Monte-Caprino-Höhe seines mißverstandenen
Pantheismus zu begleiten, wenige werden ihn lesen,
und sie tuen recht daran. Aber eine Aufgabe, deren
sich der freie Wandersmann entschlagen kann, wird
zur unabweislichen Pflicht für den ex officio Reisen-
den, der lesen muß und der in nachstehendem aphoristisch enthüllt, was er an Ort und Stelle gewissen-
haft verzeichnet hat. Das Ganze ist ein ins Religiöse
hinüberklingender Naturhymnus, in dem Logik und
Grammatik, wie der Lahme und Blinde, einen wun-
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derlichen Wettlauf anstellen. »Gott ist die Seele sei-
ner Schöpfung, in der Er sich gleichsam wie in ein herrliches Gewand hüllt.« Dieser Dativ überrascht.
Aber Valentini bringt alles wieder ins Gleichgewicht.
»Wie ein freundlicher Talisman erhält uns die Religi-
on über die Wellen im Schiffbruch des Lebens.« So
vollzieht er in seinem eignen Hymnus einen Akt der
Gerechtigkeit und zahlt schließlich dem Akkusativ die
Schuld zurück, die er anfangs bei ihm eingegangen.
Denken wir milde darüber, hat er doch selber seit-
dem die letzte Schuld gezahlt. Auf »Valentinis Ruh«
rasten jetzt andere; er selber aber ist, am Fuße des
Hügels, längst eingegangen zu dauernder Ruh.
2. Falkenberg
Da liegt zu Füßen ein schimmernd Bild,
An die Berge geschmiegt das weite Gefild,
Falter fliegen im Sonnenstrahl.
Paul Heyse
Etwa wie sich Heringsdorf zu Swinemünde verhält,
so verhält sich Falkenberg zu Freienwalde. Ein Dorf,
das, durch seine schöne Lage, vielleicht auch durch
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den schlichten Zauber des Ländlichen bevorzugt, dem eigentlichen Badeorte gefährlich zu werden
droht. So dort wie hier. Und wie sich zwischen He-
ringsdorf und Swinemünde ein tannenbekränzter
Dünenrücken zieht, der von seinen höchsten Punkten
einen prächtigen Blick in die grünliche See hinaus
gestattet, so ziehen sich zwischen Freienwalde und
Falkenberg die steilen, tannen- und laubholzbesetz-
ten Abhänge des Barnim-Plateaus, dessen Kuppen
meilenweit in das grüne Bruchland herniedersehen.
Der Weg von Freienwalde nach Falkenberg ist be-
greiflicherweise derselbe wie von Falkenberg nach
Freienwalde; wir fahren also, am Fuße des Plateaus
hin, denselben malerischen Weg zurück , auf dem wir im vorigen Kapitel Freienwalde entgegenfuhren. Die
Pflaumenbäume sind noch dieselben wie am Tage
vorher, aber nicht nur die Kinder fehlen, deren Ü-
bermut wir etwas zugute halten durften, auch der
Baldachin fehlt, dessen ausgezackte Wachsleinwand gestern die Pflaumen von den Bäumen harkte. Ohne
Erlebnis, ohne Lärm und Jubel, nur dem stillen Ein-
druck der Landschaft und der Herbstesfrische hinge-
geben, beenden wir unsern Weg und biegen jetzt,
mit plötzlicher Schwenkung nach links, in die Falken-
berger Dorfstraße ein. Bis dahin am Rande der Berge fahrend, sind wir mit Hülfe dieser Biegung nicht nur
in das Dorf, sondern auch in die Berge selbst gera-
ten. Die steile Wand, die eben noch frei ins Bruch
blickte, blickt jetzt auf eine Hügelwand gegenüber ; das Bild hat seinen Charakter geändert, und unser
Weg ist ein Hohlweg, eine Schlucht geworden. In
dieser Schlucht liegt Falkenberg . Die einschließenden 917
Berge gewähren die schönste und wechselndste Aus-
sicht; der Abhang rechts blickt in das Bruch, die
Wände und Kuppen zur Linken aber blicken in die
Verschlingungen und Kesseltiefen der eigentlichen
Wald- und Berglandschaft hinein.
Ehe wir indessen diese Wände und Kuppen erstei-
gen, um von ihnen aus Umschau zu halten, steigen
wir in die zuunterst gelegene Gasse des Dorfes nie-
der, wohin uns die weiße Wand und mehr noch der
melodische
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