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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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erheben ihre
    Stimme zu Ehren der »Drei Kronen« oder der »Stadt
    Berlin«, und die ersten Anfänge des Ciceronetums,
    rätselhafte Gestalten in Hausröcken und Strohmüt-
    zen, stellen sich schüchtern dem Neuankommenden
    vor und erbieten sich, ihm die Schönheiten der Stadt
    zu zeigen. Nur der fliegende Buchhändler fehlt noch,
    der die »Schönheiten Freienwaldes«, besungen und
    lithographiert, mit beredter Zunge anzupreisen ver-
    stände.

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    Freienwalde ist ein Badeort, eine Fremdenstadt, und
    trägt es auf Schritt und Tritt zur Schau; was ihm
    aber ein ganz eigentümliches Gepräge gibt, das ist
    das, daß alle Bade- und Brunnengäste, alle Fremden,
    die sich hier zusammenfinden, eigentlich keine
    Fremden, sondern märkische Nachbarn, Fremde aus
    nächster Nähe , sind. Dadurch ist der Charakter des Bades vorgeschrieben. Es ist ein märkisches Bad und zeigt als solches in allem jene Leichtbegnüglichkeit,
    die noch immer einen Grundzug unseres märkischen
    Wesens bildet. Und zwar mehr noch, einzelne Resi-
    denzausnahmen zugegeben, als wir selber wissen.
    Freienwalde ist kein Roulette- und Equipagenbad,
    kein Bad des Rollstuhls und des galonierten Bedien-
    ten, am wenigsten ein Bad der fünfmal gewechselten
    Toilette. Der breite Stempel, den die echten und un-
    echten Engländer seit fünfzig Jahren allen europäi-
    schen Badeörtern aufzudrücken wußten, hier fehlt er
    noch, hier ist der komplizierte »Breakfast-Tisch«
    noch ein kaum geahntes Geheimnis, hier wird noch
    gefrühstückt , hier sucht noch kein grüner und
    schwarzer Tee die alte Herrschaft des Morgenkaffee
    zu untergraben, hier herrscht noch die vaterländi-
    sche Semmel und weiß nichts von Buttertoast und
    Muffin, des Luftbrotes (aërated bread) und anderer
    Neuerungen von jenseit des Kanals ganz zu
    geschweigen.
    Und einfach wie die Frühstücksfrage, so löst sich
    auch die Frage des Kostüms. Der Shawl, der früher
    eine Mantille, oder die Mantille, die früher ein Shawl
    war, der Hut mit der neuen »Rüsche«, der Hand-
    schuh, der dreimal durch die Brönnerprobe ging –

    910
    hier haben sie noch Hausrecht, und das zwölf Jahr gediente Leihbibliothekenbuch, hier ruht es noch frei
    und offen auf dem Antimakassar-Stuhl, mit der gan-
    zen Unbefangenheit eines guten Gewissens. Nichts
    von Hyperkultur, wenig von Komfort. Während über-
    all sonst ein gewisser Kosmopolitismus die Eigenart
    jener Städte, die das zweifelhafte Glück haben, »Ba-
    deörter« zu sein, abzuschwächen oder ganz zu ver-
    wischen wußte, ist Freienwalde eine märkische Stadt geblieben. Kein Wunder. Nicht der Welttourist, nur
    die Mark selber kehrt hier zum Besuche bei sich ein .
    Freienwalde, wie wir sahen, ist eine Bergstadt; kleine
    Bergstädte aber sind selten die Stätten einer glän-
    zenden Architektur. Die Häuser, überall ein »bestes
    Plätzchen« suchend, schaffen mehr Gassen und Win-
    kel als eigentliche Straßen, und das Beste, was wir
    von Freienwalde zu sagen wissen, ist, daß es von
    dem bedenklich-pittoresken Vorrechte derartiger
    Bergstädte keinen allzu starken Gebrauch macht. Die
    Budengasse, der Seidene Beutel, der Köter- oder
    Rosmarinweg sind freilich Lokalitäten, die dem Klan-
    ge ihres Namens so ziemlich gleichkommen, aber der
    Marktplatz mit seiner kahlen Geräumigkeit macht
    vieles wieder gut. Mehr als gut. Weite hier und Enge
    dort hätten sich gegenseitig aushelfen können.
    Die Schönheit der eigentlichen Stadt ist mäßig, ihr
    Reiz liegt draußen auf den Bergen. Diesen Bergen
    verdankt es alles, was es ist: von dort aus kommen
    seine Quellen, und von dort aus gehen die Fernsich-
    ten ins Land hinein. Wer nicht kommt, um hier die
    Eisenquelle zu trinken, der kommt doch, um einen

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    Blick in die »Märkische Schweiz« zu tun. Und diesen
    Freienwalder Bergen, den Hütern, Wächtern und zum
    Teil Ernährern der Stadt, schreiten wir jetzt zu.
    Zunächst der Ruinenberg . Er erhebt sich unmittelbar im Rücken der Stadt und hat mit dem bekannten
    Potsdamer »Brauhausberge« das eine gemein, daß
    er, wie dieser, die älteste Aussichtsfirma und nach
    Ansicht vieler auch noch immer die bestfundierte
    repräsentiert. Er ist am leichtesten zu ersteigen. Das
    ist eins, was ihn empfiehlt. Bequeme Terrassen bil-
    den den Weg, so daß man die Höhe plaudernd er-
    reicht, als erstiege man die Treppen eines Renais-
    sanceschlosses. Der Blick vom Ruinenberg aus hat
    nur in Front eine Bedeutung, wo man zunächst auf
    die malerisch in der Tiefe

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