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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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nur gröblich
    gearteten Elementen ihrer eigenen Partei begegnen,
    ziehen es vor, in Leben und Gesellschaft mit ihren
    Gegnern zu verkehren, sobald sie wahrnehmen, daß
    diese Gegner ihnen in Form und Sitte näher verwandt sind. Die Verschiedenartigkeit der Ansichten
    kann zwischen feineren Naturen unter Umständen zu
    einem Bindemittel werden, aber grob und fein schließen einander aus. So ähnlich war es mit unserm Fromm. Das Maßvollere, das dem Schmähen
    und Schimpfen Abgeneigtere, das die Calvinisten
    (was sonst auch ihre Mängel sein mochten) vor den
    zelotischen Wittenbergern auszeichnete, tat seiner
    Natur wohl, und aus dieser Empfindung heraus ges-
    taltete sich alsbald ein Freundschaftsverhältnis zu
    einigen der reformierten Geistlichen, ganz besonders
    zum Hofprediger Stosch . Leider sollte dasselbe nicht zu seinem Glücke führen. Die vertraulichen Briefe,
    die er durch Jahre hin an Stosch richtete und die alle
    darauf hinausliefen, den Eigensinn und die Untole-
    ranz der Wittenberger zu verurteilen, entschieden

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    später, als das Verhältnis zwischen den Freunden
    sich zu trüben begann, über sein Schicksal.
    Diese Trübung des Verhältnisses konnte aber
    schließlich kaum ausbleiben, ja der Entwickelungs-
    gang, den der Kirchenstreit in unserem Lande nahm,
    führte direkt darauf hin. Wir werden sehen wie .
    Die Lutheraner hatten, um ein schon oben gebrauch-
    tes Wort zu wiederholen, eine Reihe von Jahren hin-
    durch eher Zwang geübt als Zwang gelitten . Aber dies änderte sich. Auf die siegreichen Jahre der
    »Formula Concordiae« folgten die bittern Jahre des
    »Revers«, mit dem es in Kürze die nachstehende
    Bewandtnis hatte. Der Kurfürst, der Zänkereien mü-
    de, deren tiefere Bedeutung er nicht einsah,
    entschloß sich zu einem energischen Vorgehen ge-
    gen den immer lauter werdenden Unfrieden in der
    Kirche. Er erließ Edikte »gegen das unnötige Eifern, Gezänk und Disputieren der Geistlichen auf den Kanzeln«, Edikte, zu deren Inhalt und sachlicher Berech-
    tigung die Geistlichen sich durch Unterzeichnung
    eines Reverses bekennen mußten.3) Der Schritt war vielleicht unvermeidlich und das Harte, was darin
    lag, zum guten Teile wohlverdient, dennoch war es
    ein Zwang, der auf einen Schlag die ganze Sachlage
    umgestaltete und aus denen, die bis dahin die Drü-
    ckenden gewesen waren, plötzlich die Gedrückten machte. Ein Notschrei ging durch das Land, Städte-und Ständeversammlungen protestierten gegen die
    kurfürstliche Forderung, aber ohne Erfolg. Der Kur-
    fürst bestand auf den Revers. Viele unterzeichneten;
    andere weigerten sich, legten ihr Amt nieder und

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    gingen außer Landes. Unter diesen letztem war bei-
    spielsweise Paul Gerhardt.

    1. In einem Gutachten, das der Kurfürst einge-
    fordert hatte, schrieb er im wesentlichen wie
    folgt: »Ew. Kurfürstliche Durchlaucht fragen,
    welchergestalt die lang desiderierte christlich-
    brüderliche Verträglichkeit gestiftet werden
    könne. Ich hatte dafür, das würde helfen, daß
    beide Teile eine Zeitlang das Streiten ließen,
    legten beiderseits ihre Partikular-
    Konfessionen eine Weile an die Seite, nähmen
    die Bibel und gingen damit zurück in die ers-
    ten 500 Jahre der Christenheit, täten, als
    wenn sie zu derselben Zeit lebten, da diese
    Spaltung noch nicht war, setzten sich in De-
    mut zu den Füßen der bewährtesten heiligen
    Väter... und suchten aus der Väter Lehren,
    nach Anweisung des Vicentii Lirinensis, das
    zusammen, quod ubique, quod semper, quod
    ab omnibus creditum est, womit dann zum
    Beispiel fortfallen würde, was Augustinus über
    Gnadenwahl und Prädestination Hartes gesagt
    hat... Täte man so, man würde in kurzer Zeit
    von Luther und Calvin und ›Formula Concor-
    diae‹2) wenig mehr hören, und was die neuen
    Lehrer auseinander gepredigt haben, das wür-
    de Gott durch die alten Lehrer bald wieder zu-
    sammenbringen.«

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    2. Die »Formula Concordiae« (Konkordienfor-
    mel) ist, wie es der Name anzeigt, ein Eini-
    gungsbuch , in dem sich die Lutheraner über
    gewisse Streitfragen einigten und feststellten, was hinfüro in betreff dieser Fragen das Richtige sein solle und was nicht . Dies Einigungsbuch , das aus einem kürzer abgefaßten und einem weiter ausgeführten Teile (die aber
    beide dieselben Fragen behandeln) besteht,
    wurde, auf Veranlassung des Kurfürsten Au-
    gust von Sachsen, von zwölf lutherischen
    Theologen ausgearbeitet und 1580 veröffent-
    licht. Zweck war: das Eindringen

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