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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in
    Zweifel. Natürlich überlassen wir den in Riemen hän-
    genden »Fond« seinem Schicksal und setzen uns auf
    das Vorderbrett unmittelbar neben den Flausrock,
    nicht gewillt, eine zweifelhafte Bequemlichkeit auf
    Kosten besserer Unterhaltung zu erkaufen. Denn es
    unterhält sich schlecht auf den Rücken anderer Leute
    los.
    Noch einmal ein Peitschenknips, diesmal nicht in die
    Luft, sondern in die Weichen des Einspänners, und
    über das Straßenpflaster hin, das noch die alten Tra-
    ditionen des Ortes wahrt, holpert und rasselt unser
    Wagen, dessen Hintersitz die komischsten Sprünge
    macht, in den Freienwalder Kiez hinein, bis plötzlich
    das Holpern und Rasseln einem süßen Gefühl der
    Glätte und jenem leis knirschenden Tone weicht, den
    jeder kennt, der aus dem Sturm und Drang schlecht
    gepflasterter Straßen in den stillen Hafen einer
    Lehm- und Kieschaussee eingemündet ist.
    Der Abend ist schön, und Duft und Nebel steigen aus
    den Wiesengründen auf. Der Wald zur Linken steht,
    wie es im Liede heißt, »schwarz und schweigend«,
    und nur vor uns, nach Nordwesten zu, glüht noch der
    Abendhimmel in wunderbaren Farbenspielen durch
    die Nebelschleier hindurch. Es ist just die Stunde, um
    den Schloßberg und die Burg der Uchtenhagen zu
    besuchen, denn die Landschaft selbst erscheint wie
    ein weit aufgetanes Tor, um uns rot und golden in
    das Land der Sage einzuführen.

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    Es labt uns das Bild und die Frische des Abends, aber
    endlich haben wir abgeschlossen mit der Landschaft
    und fühlen ein leises Unbehagen über das Schweigen
    unseres Führers, an dessen Seite wir doch Platz ge-
    nommen um bequemerer Unterhaltung willen. Die
    vordersten Hügelpartien liegen bereits hinter uns,
    wir müssen bald halben Weges sein, aber er
    schweigt noch immer. Da der Berg nicht zum Pro-
    pheten kommt, so bleibt nichts anderes übrig als das
    alte Auskunftsmittel, und blindlings in die allerbe-
    quemste Form der Unterhaltung hineintappend, be-
    ginn ich mit der Frage:
    »Sagen Sie, wie denken Sie über die Uchtenha-
    gens?«
    Der Angeredete läßt sich Zeit, und zweimal mit der
    Leine klatschend, um die lange Pause minder auffäl-
    lig zu machen, antwortet er endlich in absichtlich
    unbestimmten Ausdrücken:
    »Ja, da ist viel.«
    Und so rollen wir weiter in den stillen Abend hinein,
    dessen allerstillste Stelle unser Wagen zu werden
    droht. Ich will aber dies Schweigen unterbrechen, es
    koste, was es wolle, und so fahr ich denn fort:
    »Es soll hier eine große Schlacht gewesen sein. Hier
    hinter den Bergen. Ich glaube, sie nennen es das
    ›rote Land‹.«

    966
    Er nickte mit dem Kopfe.
    »Nun sagen Sie mir: Ist denn das Land noch immer
    rot?«
    »So rot«, antwortete er halb wie im Echo und mach-
    te dabei eine Handbewegung, als ob er sagen wollte:
    »Lieber Herr, sprechen wir davon lieber nicht.«
    Nichtsdestoweniger hatte diese Frage das Eis gebro-
    chen, ich sah es an seiner veränderten Haltung, und
    mit der Rechten auf die quadratmeilenweite Umge-
    bung deutend, fuhr ich fort: »Sie müssen sehr reich
    gewesen sein... Ich meine die Uchtenhagens.«
    Er sah unter seinem Mützenschirm zu mir auf, ein
    halb wehmütiges Lächeln flog über sein Gesicht, und
    er wiederholte auch jetzt nur meine Worte: »... sehr reich... sehr !«
    Es war ersichtlich, daß er einen Nachsatz machen
    wollte, ihn aber rücksichtsvoll verschwieg. Ich kam
    ihm also auf halbem Wege entgegen und ergänzte:
    »Sehr reich; aber wie ?«
    Dies Wort schien ihm Gewißheit zu geben, daß ich
    einer von dem romantischen Geheimbund sein müs-
    se, der nach Art anderer Geheimbünde zwar seine
    nicht ausgesprochenen, aber nichtsdestoweniger
    ganz bestimmten Erkennungszeichen hat. Er wußte

    967
    nun, daß er sprechen dürfe, ohne Furcht vor Profa-
    nation.
    Und er wartete auch keine weitere Frage ab, rückte
    vielmehr vertraulich näher und sagte: »Wissen Sie
    denn, was sich die Kiezer hier erzählen? Da war hier
    in Freienwalde, in der Uchtenhagenschen Zeit, ein
    Böttcher, der wohnte neben dem Kirchhof und hieß
    Trampe. Das Wasser stand damals bis an die Stadt
    heran, und zwischen Trampes Haus und dem Wasser
    lag bloß der Kirchhof. Eines Nachts hörte nun Tram-
    pe ein Knurren und Winseln, und er trat ans Fenster,
    um zu sehen, was es sei. Er sah aber nichts als den
    Vollmond, der am Himmel stand. Er legte sich also
    wieder nieder und warf sich eben auf die rechte Sei-
    te, da hörte er seinen Namen rufen: ›Trampe‹, drei-
    mal. Und dann

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