Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ersten
Gesänge, vielleicht die gelungneren, zeigen uns die
Braut, wie sie das »eingebrachte Gespinst« vor dem
Bräutigam ausbreitet, darunter auch ein Leinenstück,
bei dessen Anblick ihr unwillkürlich die Tränen aus
den Augen brechen. Es erinnert sie an ihre Kinder-
jahre, an den Tag, wo, nach Feuersbrunst und Not
und Krankheit, die fleißige Hand ihrer Mutter das
Garn zu diesem Stück zu spinnen begann. Sie entsinnt sich auch der Worte, die damals die Mutter zu
ihr sprach, und sie wiederholt sie jetzt:
»Setz auf den Herrn dein ganzes Hoffen,
Laß nie von ihm bei andrer Spott;
Je mehr das Unglück dich betroffen,
Je inn'ger schließe dich an Gott;
Laß Fleiß durch deine Tage blühen,
Und heiter lächeln wird ihr Glanz,
Hoff und vertrau, auf Schweiß und Mühen
Legt endlich Gott den Segenskranz.
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Es wird das Häuschen neu erstehen,
Wir werden es nach Gottes Rat
Im Schmuck der Reben wiedersehen –
Aus Tränen sprießt die Freudensaat.
Und nun, mein Kind, frisch angefangen,
Bring Arbeit mir ans Lager her,
Beim Schaffen haben Gram und Bangen
Auf unser Herz die Macht nicht mehr .«
Mit diesen Worten, die sich mehr denn einmal auch
an unsrem Freunde selber bewährt haben, nehmen
wir Abschied von ihm. Not und Sorge sind ihm reich
aufgebürdet worden, und er liebt es wohl, nicht ohne
einen leisen Anflug von Bitterkeit, sein Leben mit
dem des Gellertschen Esels zu vergleichen, den alle
drei Brüder benutzen und futtern sollten; »sie be-
nutzten ihn auch alle drei, aber keiner futterte ihn«.
Indessen, sei es drum. Ebender Segen der Arbeit,
von dem jene Strophen sprechen, hat auch ihm über
vieles hinweggeholfen; Humor und Dichtkunst haben
ein weiteres getan und werden es ferner tun.
Vor allem aber möge ihm in Leben und Dichten der
glücklich bescheidne Sinn verbleiben, der ihn an die
Spitze seiner ersten Liedersammlung die Worte stel-
len ließ:
Wenn du auch nur Kleines leistest,
Wird dir's doch zum Ruhm gereichen,
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Wenn du nur dich nicht erdreistest,
Es dem Großen zu vergleichen.
Der Schloßberg bei Freienwalde
und die Uchtenhagens
Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
Auf seinen Pfaden hintendrein. –
Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel.
Goethe
Ein Kind aus schwarzer Menge blickt,
Es lächelt sterbensweh und nickt
Und macht im Saal die Runde.
E. Mörike
Die Hügel sind Freienwaldes Schönheit und sein
Schatz. Wer, der je in der Märkischen Schweiz war,
hätte nicht vom Ruinen- und Kapellenberg, von der
Königshöhe und dem Monte Caprino gehört; heute
jedoch, an allen diesen Punkten schöner Aussicht
vorübergehend, machen wir dem entfernter gelege-
nen, halb verwilderten Schloßberg unsren Besuch, auf dem laut Sage die alte Burg der Uchtenhagens
stand.
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Vorher, einleitend, ein Wort über den Ursprung die-
ses Geschlechts.
Die Uchtenhagens saßen hier, um Freienwalde her-
um, drei, vielleicht auch vier Jahrhunderte lang, und
emsiger, neurer Forschung ist es gelungen, die
Schicksale derselben, die lange Zeit hindurch nur
unklar dämmerten, wieder klar und deutlich an das
Licht der Geschichte zu ziehn. Aber die historische
Forschung, soviel ihr gelang, vermochte doch nicht
bis auf die Anfänge des Geschlechtes zurückzugehen.
Diese Anfänge sind in Dämmerung geblieben, und
wir scheiden deshalb alles, was wir von den Uchten-
hagens zu sagen haben werden, in eine sagenhafte
und eine historische Zeit. Die historische Zeit, auf die wir weiterhin eingehender zurückzukommen gedenken, beginnt mit dem Ausgange des vierzehnten
Jahrhunderts, zu welcher Epoche sich die Familie
bereits in Freienwalde vorfindet. Aber nur die Sage beantwortet uns die Frage: Wie kamen die Uchtenhagens nach Freienwalde hin ?
Und dieser Sage wenden wir uns zuvörderst zu.
Henning von Jagow, »klein an Gestalt, aber hoch an
Gemüt«, nachdem er sich, verdient oder unverdient,
die Ungnade des Markgrafen zugezogen hatte, war
aus dem Lande verbannt worden. Ein Preis stand auf
seinen Kopf. Jagow indessen, unwillig, das Land zu
verlassen, daran er hing, zog sich bis an die Oder, in
die Sumpf- und Waldreviere, zurück, die damals die
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Ostgrenze des markgräflichen Besitzes bildeten, also
aller Wahrscheinlichkeit nach in die Berge und Brü-
che der Freienwalder Gegend. Hier lebte er mit ande-
ren Verbannten und Ausgestoßenen das Leben des
Geächteten, ungekannt, namenlos, aber sicher im
Schutz der Wälder. Es war ein Leben
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