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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ersten
    Gesänge, vielleicht die gelungneren, zeigen uns die
    Braut, wie sie das »eingebrachte Gespinst« vor dem
    Bräutigam ausbreitet, darunter auch ein Leinenstück,
    bei dessen Anblick ihr unwillkürlich die Tränen aus
    den Augen brechen. Es erinnert sie an ihre Kinder-
    jahre, an den Tag, wo, nach Feuersbrunst und Not
    und Krankheit, die fleißige Hand ihrer Mutter das
    Garn zu diesem Stück zu spinnen begann. Sie entsinnt sich auch der Worte, die damals die Mutter zu
    ihr sprach, und sie wiederholt sie jetzt:
    »Setz auf den Herrn dein ganzes Hoffen,
    Laß nie von ihm bei andrer Spott;
    Je mehr das Unglück dich betroffen,
    Je inn'ger schließe dich an Gott;
    Laß Fleiß durch deine Tage blühen,
    Und heiter lächeln wird ihr Glanz,
    Hoff und vertrau, auf Schweiß und Mühen
    Legt endlich Gott den Segenskranz.

    958
    Es wird das Häuschen neu erstehen,
    Wir werden es nach Gottes Rat
    Im Schmuck der Reben wiedersehen –
    Aus Tränen sprießt die Freudensaat.
    Und nun, mein Kind, frisch angefangen,
    Bring Arbeit mir ans Lager her,
    Beim Schaffen haben Gram und Bangen
    Auf unser Herz die Macht nicht mehr .«
    Mit diesen Worten, die sich mehr denn einmal auch
    an unsrem Freunde selber bewährt haben, nehmen
    wir Abschied von ihm. Not und Sorge sind ihm reich
    aufgebürdet worden, und er liebt es wohl, nicht ohne
    einen leisen Anflug von Bitterkeit, sein Leben mit
    dem des Gellertschen Esels zu vergleichen, den alle
    drei Brüder benutzen und futtern sollten; »sie be-
    nutzten ihn auch alle drei, aber keiner futterte ihn«.
    Indessen, sei es drum. Ebender Segen der Arbeit,
    von dem jene Strophen sprechen, hat auch ihm über
    vieles hinweggeholfen; Humor und Dichtkunst haben
    ein weiteres getan und werden es ferner tun.
    Vor allem aber möge ihm in Leben und Dichten der
    glücklich bescheidne Sinn verbleiben, der ihn an die
    Spitze seiner ersten Liedersammlung die Worte stel-
    len ließ:
    Wenn du auch nur Kleines leistest,
    Wird dir's doch zum Ruhm gereichen,

    959
    Wenn du nur dich nicht erdreistest,
    Es dem Großen zu vergleichen.

    Der Schloßberg bei Freienwalde
    und die Uchtenhagens

    Und irr ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel
    Auf seinen Pfaden hintendrein. –
    Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel.
    Goethe
    Ein Kind aus schwarzer Menge blickt,
    Es lächelt sterbensweh und nickt
    Und macht im Saal die Runde.
    E. Mörike

    Die Hügel sind Freienwaldes Schönheit und sein
    Schatz. Wer, der je in der Märkischen Schweiz war,
    hätte nicht vom Ruinen- und Kapellenberg, von der
    Königshöhe und dem Monte Caprino gehört; heute
    jedoch, an allen diesen Punkten schöner Aussicht
    vorübergehend, machen wir dem entfernter gelege-
    nen, halb verwilderten Schloßberg unsren Besuch, auf dem laut Sage die alte Burg der Uchtenhagens
    stand.

    960
    Vorher, einleitend, ein Wort über den Ursprung die-
    ses Geschlechts.

    Die Uchtenhagens saßen hier, um Freienwalde her-
    um, drei, vielleicht auch vier Jahrhunderte lang, und
    emsiger, neurer Forschung ist es gelungen, die
    Schicksale derselben, die lange Zeit hindurch nur
    unklar dämmerten, wieder klar und deutlich an das
    Licht der Geschichte zu ziehn. Aber die historische
    Forschung, soviel ihr gelang, vermochte doch nicht
    bis auf die Anfänge des Geschlechtes zurückzugehen.
    Diese Anfänge sind in Dämmerung geblieben, und
    wir scheiden deshalb alles, was wir von den Uchten-
    hagens zu sagen haben werden, in eine sagenhafte
    und eine historische Zeit. Die historische Zeit, auf die wir weiterhin eingehender zurückzukommen gedenken, beginnt mit dem Ausgange des vierzehnten
    Jahrhunderts, zu welcher Epoche sich die Familie
    bereits in Freienwalde vorfindet. Aber nur die Sage beantwortet uns die Frage: Wie kamen die Uchtenhagens nach Freienwalde hin ?
    Und dieser Sage wenden wir uns zuvörderst zu.
    Henning von Jagow, »klein an Gestalt, aber hoch an
    Gemüt«, nachdem er sich, verdient oder unverdient,
    die Ungnade des Markgrafen zugezogen hatte, war
    aus dem Lande verbannt worden. Ein Preis stand auf
    seinen Kopf. Jagow indessen, unwillig, das Land zu
    verlassen, daran er hing, zog sich bis an die Oder, in
    die Sumpf- und Waldreviere, zurück, die damals die

    961
    Ostgrenze des markgräflichen Besitzes bildeten, also
    aller Wahrscheinlichkeit nach in die Berge und Brü-
    che der Freienwalder Gegend. Hier lebte er mit ande-
    ren Verbannten und Ausgestoßenen das Leben des
    Geächteten, ungekannt, namenlos, aber sicher im
    Schutz der Wälder. Es war ein Leben

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