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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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voll Kampf und
    Gefahr, voll Freiheit und Übermut, ähnlich dem, das
    uns alte Balladen und Volksgesänge als das Leben
    Robin Hoods, dieses unerreichten Vorbilds poetischen
    Wald- und Räuberlebens, geschildert haben; aber
    unser Jagow trug doch schwer daran, denn es zog
    ihn unter die Menschen und in die Nähe des Mark-
    grafen zurück, und seine Seele trachtete mehr und
    mehr nach einer Gelegenheit, sich die Gunst seines
    Herrn, den er liebte, neu zu erwerben. Und diese
    Gelegenheit bot sich endlich. Es kam zu einem Krie-
    ge mit den Pommern, und um Freienwalde herum
    stießen die Heere des Pommernherzogs und des
    Markgrafen aufeinander. Man focht Mann gegen
    Mann (collato pede, wie der Chronist erzählt), und
    der Sieg neigte sich schon den Pommern zu, als Ja-
    gow aus der Waldestiefe mit seinen Geächteten her-
    vorbrach. Er faßte den Feind im Rücken, und nach
    tapferer Gegenwehr wandten sich die Pommern zur
    Flucht, der Oder zu, die jedoch nur von wenigen er-
    reicht wurde. Die Mehrzahl färbte den Boden mit
    ihrem Blut. Und die Stelle, wo das Blut floß, heißt bis diesen Tag das »rote Land«. Jagow aber, vor den
    Markgrafen geführt, wurde mit dem Lande belehnt,
    auf dem er so glücklich gekämpft hatte, und emp-
    fing, auf daß sein Name nicht fürder mehr an alte
    Zeit und alten Groll erinnere, den Namen Uchtenha-
    gen , weil er »uht dem Hagen«, das heißt aus dem 962
    Walde, zu seiner, des Markgrafen, Rettung herbeige-
    kommen war.
    Soweit die Sage, von der ich annehmen möchte, daß
    sie der Klasse der bloß aus dem Namen hergeleiteten
    Zurechtmachungen, also jenen nachträglichen Erfin-
    dungen angehört, an denen das siebzehnte und noch
    mehr das achtzehnte Jahrhundert auf dem Gebiete
    der Adelsgeschichte so fruchtbar war.
    Aber das mangelnde historische Fundament soll uns
    nicht undankbar machen gegen die Sage selbst, die,
    sie sei jung oder alt, verwirrend oder die rechten
    Wege führend, um ihrer selbst willen ihre Berechti-
    gung hat. Wir überlassen uns deshalb, eh wir in das
    Gebiet der Geschichte eintreten, auch im weiteren
    noch ihrer Führung und erfahren von ihr mit der ihr
    eigenen Bestimmtheit, daß es der Schloßberg war, auf dem sich die erste und älteste Burg der Uchtenhagen erhob.
    Und diesem Schloßberg , ohne längeres Verweilen, gilt jetzt unser Besuch.

    Wir haben Freienwalde mit der Nachmittagspost er-
    reicht und einem jener Cicerones, die den Posthof zu
    umstehen pflegen, vertraulich mitgeteilt, daß wir
    noch vor Sonnenuntergang oder doch vor dem He-
    reinbrechen vollständiger Dunkelheit den Schloßberg
    zu sehen wünschten, zu Fuß, wenn möglich, zu Wa-
    gen, wenn nötig. Da in den Cicerones von Freienwal-

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    de gemeinhin mehrere Ämter kumulieren, mindes-
    tens aber die Metiers des Führers und des Fuhr-
    manns zusammentreffen, so ist die Antwort selbst-
    verständlich, und nach einer halben Stunde rollt ein
    Einspänner vor, der nicht voll bis in die Zeit der Uch-
    tenhagens zurückreicht, aber doch beinah. Der Hin-
    tersitz ist leer; auf dem Vordersitz befindet sich der
    Führer selbst, nunmehr als Kutscher, und knipst mit
    der Peitsche, um sich in seinem neuen Amte zu be-
    glaubigen. Er trägt einen hellgrauen Flausrock, dazu
    eine schwarze Tuchmütze, deren Schirm halb über
    sein Gesicht fällt. Was auf den ersten Blick über-
    rascht, ist, daß er nicht raucht. Aber freilich, jene
    sonderbare Klasse von Personen, der er zugehört
    und von der jedes Dorf oder jedes Ackerstädtchen
    wenigstens ein Exemplar aufzuweisen hat, raucht
    nie. Es sind dies die Träger der Volkspoesie, die Sa-
    genhüter, die Märchenerzähler des Nordens. Sie sind
    gutgeartet, redselig und schweigsam zugleich, lieben
    die Scholle, darauf sie geboren, haben einen Anflug
    von Kränklichkeit und wandern, halb bewundert und
    halb belächelt, aber wegen ihrer Verträglichkeit
    wohlgelitten, wie Fremdlinge zwischen ihrer derberen
    Umgebung. Obwohl gelegentlich von einer überra-
    schenden Scharfsinnigkeit, haben sie in den gewöhn-
    lichen Fällen des Lebens doch nichts von jener Bau-
    ernschlauheit, die sprüchwörtlich geworden ist. Das
    Feld ihres Geistes ist von der Phantasie überwuchert,
    und so gleichen sie jenem Acker, der zu schwach ist,
    um ernste und solide Frucht zu tragen, aber, dem
    schönen Unkraut Platz gönnend, desto üppiger in
    roten und blauen Blumen steht.

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    So auch unser Führer und Fuhrmann. Über den Platz,
    den wir einzunehmen haben, sind wir nicht lange

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