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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Zeiten kamen, und in diesen stillen und
    doch schweren Zeiten begann die Saite wieder zu
    klingen, die in den Jahren sich drängender Erlebnisse
    geschwiegen hatte. An der Drehbank, unter dem
    Surren des Rades, fielen mit den phantastisch ge-
    kräuselten Flocken auch wieder die ersten Lieder ab.
    Sie fanden freundliche Hörer, bald auch Leser, und
    jenen ersten Liedern sind seitdem andere gefolgt.
    Wir wenden uns hier von unserm plaudernden
    Freunde, nach dessen Mitteilungen wir diese Skizze
    zu zeichnen versuchten, ab und statt dessen seinen
    Liedern zu.
    In seiner ersten Sammlung, die den fast allzu poeti-
    schen Titel »Blumen der Wälder« führt, erblicken wir
    ihn nicht auf seinem eigentlichsten Gebiet, über-
    haupt aber mit einer Aufgabe beschäftigt, die
    schwerlich jemals von einem Dichter gelöst worden
    ist. Es handelt sich in diesen Liedern um eine Ver-
    herrlichung der Freienwalder Natur, und die ur-
    sprüngliche Absicht des Dichters scheint auf nichts
    Geringeres ausgegangen zu sein, als in einem wahr-
    haft beängstigenden Drange nach Vollständigkeit

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    jeder Kuppe, jedem landschaftlichen Punkt einen
    poetischen Zettel umzuhängen. Das glückt aber nie.
    Eine solche Aufgabe ist unpoetisch in sich, und in
    derselben Weise, wie es unmöglich ist, auf sämtliche
    Schiffe der englischen Flotte oder auf sämtliche Re-
    gimenter der preußischen Armee einen Sonetten-
    zyklus zu machen, so verbietet es sich auch, die
    weitausgespannte Freienwalder Landschaft Nummer
    für Nummer zu besingen. Der Verfasser scheint dies
    schließlich auch selber empfunden und den zweiten,
    bereits angekündigten Band, der weitere zwanzig
    Lieder bringen sollte, glücklich unterschlagen zu ha-
    ben.
    Was diesen »Blumen der Wälder« indessen einen
    Wert verleiht, das ist ein zufälliger, in gar keiner Beziehung zu dem übrigen Inhalt stehender Anhängsel,
    worin der Dichter unserm Altmeister Friedrich Rü-
    ckert seine Huldigung darbringt. Dies Lied nennt sich
    »Meister Rückert und sein Lehrjunge« und ist ein
    sehr glücklicher Griff. Es ist frisch, natürlich, originell. Der geschilderte Hergang aber ist der folgende:
    Unser Freienwalder Freund hat vor, dem alten Rü-
    ckert zu seinem siebzigsten Geburtstage in Versen
    zu gratulieren. Er schickt Frau und Kinder möglichst
    früh zu Bett und setzt sich bei der sprüchwörtlich
    gewordenen »Poetenlampe« nieder, um Gedanken
    und Reime zu Papier zu bringen. Aber auch Poeten-
    lampen verzehren Öl, und die wackere Hausfrau
    stellt endlich von ihrem Bett aus ziemlich einschnei-
    dende Betrachtungen über diesen Gegenstand an.
    Endlich, auf der Höhe des Konflikts, tritt unser Dich-
    ter aus der Wolke des Geheimnisses heraus und er-

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    klärt, um was es sich handle. Nun wendet sich das
    Blatt. »Mit Vater Rückert ist das was andres«; über
    unsere Poetenfrau kommt ein wahrer Opfermut, und
    siehe da,
    Als durchs Immergrün umschmückte
    Niedre Werkstattfensterlein
    Goldner Frühstrahl mich erquickte,
    Schloß ihr Kranz mein Liedchen ein;
    Schüchtern wag ich's darzubringen –
    Vieler Lied wird heut dir klingen,
    Sinn'ger alle wohl wie meins,
    Inn'ger aber doch wohl keins.
    Dies Lied weckte unserm Poeten viel Freunde, aber
    was wichtiger ist, es stellte ihn und sein Talent an
    den rechten Fleck. Er selbst schon, in dunkler Ah-
    nung davon, hatte diesem Liede das Motto gegeben:
    » Geh vom Häuslichen aus und verbreite dich, so gut du kannst, über die Welt.« Wie diese Worte Motto
    seines Liedes gewesen waren, so wurden sie nun der
    Leitstern für sein poetisches Schaffen überhaupt.
    Das Haus und sein persönliches Erlebnis innerhalb desselben, vor allem seine blonde Frau, in ihrer
    Schlichtheit und Tüchtigkeit, wurden der Mittelpunkt
    seiner Dichtung, und mit innigem Gefühl konnte er
    von jener singen:
    Als Bestes wardst du mir gegeben,
    Du, die nicht meine Lieder liest
    Und dennoch Stoff aus ihrem Leben

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    In jedes meiner Lieder gießt.
    Ein neuer Geist kam in seine Produktion, das Ge-
    zwungene fiel fort, das Natürliche trat an die Stelle,
    und ein Jahr später konnte er der Welt seine erste
    wirkliche Dichtung bieten. Sie führt den Titel »Die Braut des Handwerkers« und ist ein anmutiges Idyll,
    das uns, in fünf Kapiteln, vom Morgen bis zum Abend
    des Hochzeitstages geleitet. Alles, was uns ein Men-
    schenherz lieb und wert machen kann, das klingt
    hier zusammen: Genügsamkeit, kindlich-einfacher
    Sinn, Liebe, Pietät und Gottvertrauen. Die

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