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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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muß, und un-
    ser Führer, ein Buckower Fischer, der uns bis hierher
    schweigend geleitet, hebt jetzt an: »Dort unten liegt
    die alte Stadt. Drüben am andern Ufer, wo Sie die
    spiegelglatte Stelle sehen, dort hat Alt-Buckow ge-
    standen. Wir kennen die Stelle ganz genau. Von dem
    Eck dort, wo die Binsen hundert Schritt weit in den
    See hineingehen, bis hier gradüber von uns, wo die
    Weiden ins Wasser hängen – so weit ging die Stadt.
    Ich spreche nicht von Glocken, die bei Sonnenunter-
    gang klingen, Alt-Buckow hatte schwerlich Glocken,
    aber das müssen Sie schon glauben, daß wir an kla-
    ren Tagen zehn Fuß tief unterm Spiegel allerhand
    Pfahlwerk stehen sehn, Blockhäuser vielleicht, jeden-

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    falls Zaun und Steg, und mancher unter uns hat et-
    was von dem Pfahlwerk herausgeholt und ihm einen
    guten Platz im Hausflur gegeben. Wir denken, es ist
    ein Segen dabei.« Der Erzählende machte hier eine
    Pause, während deren er mich scharf ansah. Dann
    fuhr er fort: »Drüben, wo die Stadt stand, ist der See
    flach, wenigstens eine kurze Strecke; hier unter uns
    aber ist er tief, an hundert Fuß und darüber; hier
    wimmelt es auch von Fischen, aber wir haben wenig
    davon. Wenn wir hier Netze ziehn, so gehen die Fi-
    sche tiefer, und wollen wir ihnen nach, so kommen
    wir in den alten Eichwald, der hier unten steht. Die
    Maschen zerreißen dann, die Fische schlüpfen durch,
    und ein paar abgebrochene Zacken sind alles, was
    wir mit nach oben bringen. Ja, so hat sich's geän-
    dert. Einst war alles Berg hier, und Stadt und Wald
    standen zwischen hüben und drüben, wie wir beide
    jetzt auf dieser Höhe stehn. In einer Nacht aber war
    alles vorbei. Der Berg ging nach unten, und der See
    kam herauf.«
    Eine kühle Luft wehte über das Feld, und ein leises
    Unbehagen lief mir über den Rücken. Indessen, ich
    wußte doch nun, was es war, daß mich der Scher-
    mützel so ganz anders angeblickt hatte wie manch
    andrer See, und ich warf mich nieder und streckte
    den Kopf über den Abgrund hinaus, wenigstens den
    Wunsch im Herzen, unten ein Eichenskelett bis an
    den Wasserspiegel heraufragen und die Fische durch
    seine Zackenkronen hindurchhuschen zu sehn. Ich
    sah es auch wirklich, aber mit dem Bewußtsein, daß
    es Täuschung sei.

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    Wir traten nun den Rückweg an und plauderten über
    dies und das. Des Sees Sagen verließen mich nicht
    und begleiteten mich bis schließlich wieder daheim,
    wo ich in Büchern nachzuschlagen und nach der Vor-
    geschichte des »großen Schermützel« zu suchen
    begann. Was ich fand, ist das. Viele unsrer märki-
    schen Seen und seeartigen Vertiefungen sollen durch
    sogenannte Erdfälle entstanden sein. Man hat keine
    andre Erklärung. Plötzlich und unvermittelt inmitten
    eines Plateaus auftretend, wie dies namentlich beim
    Schermützel-See der Fall ist, ist es nicht möglich,
    von hereinbrechenden Wasserfluten, von Flußbett
    oder Strömungen zu sprechen. Es ist nichts von au-
    ßen Herantretendes , was die Erklärung geben kann, es muß vielmehr ein innerlicher Vorgang, ein eminent lokaler sein. Man denkt sich die Sache so. Das Innere der Erde hat Höhlen, deren Wände und De-ckengewölbe die Hand der Natur mit Kalk oder
    Gipsmassen umkleidet hat. Solche natürlichen Tun-
    nel sind entweder völlig hohl und leer oder aber
    mehr oder weniger mit Wasser gefüllt. Über solchem
    gewölbten Riesentunnel liegt Erdreich, wieviel, ist
    gleichgültig, und auf dem Erdreich steht eine Stadt
    oder wächst ein Wald. So geht es durch ein Jahrtau-
    send. Da plötzlich, sei es durch einen Ruck von unten
    oder durch sickernde Wasser von oben her, bricht
    das Tunnelgewölbe ein, und wie ein Haus, das seine
    Balkenlage verliert, in den Keller stürzt, so fährt nun das Erdreich mit allem, was darauf wuchs und stand,
    in die plötzlich geöffnete Tiefe herab. War der Tunnel
    leer, so zeigt sich nunmehr einfach eine Vertiefung,
    wo sonst eine Fläche war, war der Tunnel aber um-
    gekehrt ein riesiges übermauertes Wasserreservoir,

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    so schlagen nun die frei gewordenen Wasser über
    allem, was niedergefahren ist, zusammen, und – ein
    See steht ruhig über Stadt und Wald.
    Eine geognostische Autorität hat die hübsche Wen-
    dung gebraucht: »daß die Natur bei der Bildung von
    Erdfällen nur erst selten auf frischer Tat ertappt worden sei «, ein Umstand, zu dem wir uns, so lehrreich das Gegenteil auch sein würde, im ganzen genommen zu gratulieren haben. Wär es anders, wären wir
    in der

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