Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Bu-
ckowern verweilt; wenden wir uns wieder ihrer Stadt
zu. Buckow und seine Umgebungen bilden die »Mär-
kische Schweiz«. Freilich geht es der Stadt mit die-
sem Namen und Anspruch nicht viel besser als mit
ihrem Forst, denn Freienwalde tritt mit überlegener
Miene in die Schranken und sagt: »Dieser Name ist
mein.«
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Wo liegt denn nun aber die wirkliche Märkische
Schweiz? Wir werden uns einen Dualismus, wie auch
sonst wohl, gefallen lassen müssen. Freienwalde ist
immerhin eine Dame, Buckow ist eine ländliche
Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt und
unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder
nach seinem Sinn. Binnen kurzem wird sich solche
Wahl erleichtern. Die neuprojektierte Eisenbahn zwi-
schen Berlin und Küstrin führt auf kürzeste Entfer-
nung an Buckow vorüber, und einmal in den Verkehr
hineingezogen, wird das »Aschenputtel« von heute
ihrer bevorzugten Schwester vielleicht schon morgen
gefährlich werden.
Buckow liegt in einem Kesseltale, dessen Sohle von
einem großen See gebildet wird. Dieser See hat die
Form eines abgestumpften Halbmonds, ist also boh-
nen- oder nierenförmig und heißt der Schermützel-
See. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der
konkaven Seite des Sees, ziemlich genau an der
Stelle, wo sich das hüglige Erdreich in den See hin-
einbuchtet liegt die Stadt, von der aus sich in kür-
zester Zeit und mit leichtester Mühe die verschie-
densten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle
diese Ausflüge, verschieden, wie sie sind, lassen sich
nichtsdestoweniger in drei ganz bestimmte Gruppen
bringen: in Spazierfahrten über den See, in Bestei-
gung des Bollersdorfer Plateaus und in Wanderungen
durch die Täler und Schluchten der nach Nord und
Ost hin gelegenen »Märkischen Schweiz«.
Besteigen wir zunächst das Plateau.
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Wir wählen dazu, statt der Fahrt über den See, einen
Umweg, und zwar durch jene lieblichen Schluchten
und Waldpartien, die von einem Bergwasser, dem
Marienfließ, durchflossen werden. Alles hat hier den
mitteldeutschen Charakter. Wer den Harz, wer Thü-
ringen und die Sächsische Schweiz kennt, ist manche
liebe Stunde unter gleichen Bildern und Eindrücken
bergan gestiegen. Tannen und Lärchenbäume fassen
zu beiden Seiten die Hügelabhänge ein, Buchen und
Birken sind in das Nadelholz eingestreut, der Ku-
ckuck ruft, der Bach plätschert, und auf dem frischen
Rasen, der das Wandern so leicht macht, liegen die
Tannenäpfel oder spielen die Schatten und Lichter
der Nachmittagssonne. So auch hier. Über die primi-
tivsten Brücken hinweg – sechs Feldsteine quer
durch den Bach – schreiten wir vom linken auf das
rechte und wieder vom rechten auf das linke Ufer,
bis wir, nach halbstündigem Marsche den Tann ohne
Weg und Steg durchbrechend, uns plötzlich auf dem
ersehnten Plateau befinden, das wir, den Windungen
des Baches folgend, fast wie auf einer Wendeltreppe
ohne Stufen erstiegen haben. Aber noch wissen wir
es kaum, daß es ein Höhepunkt ist, auf dem wir ste-
hen, denn das Plateau dehnt sich bis zum Horizont
hin wie eine Ebene vor uns aus, und erst am Aus-
gang eines tiefen Ackereinschnitts, der uns einer hier
und dort unterbrochenen Wand von Brombeer- und
Weißdornsträuchern entgegenführte, blicken wir ü-
berrascht in eine völlig senkrechte Tiefe nieder.
Fünfhundert Fuß unter uns der See.
Wir nehmen nun unsern Stand und haben vielleicht
das schönste Landschaftsbild vor uns, das die »Mär-
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kische Schweiz« oder doch der »Kanton Buckow«
aufzuweisen vermag. Links und rechts, in gleicher
Höhe mit uns, die Raps- und Saatfelder des Plateaus,
unmittelbar unter uns der blaue, leis gekräuselte
Schermützel-See, drüben am andern Ufer, in den
Schluchten verschwindend und wieder zum Vor-
schein kommend, die Stadt und endlich hinter der-
selben eine bis hoch hinauf mit jungen frischgrünen
Kiefern und dunklen Schwarztannen besetzte Berg-
lehne. Die Nachmittagssonne fällt auf die Stadt, die
mit ihren roten Dächern und weißen Giebeln wie ein
Bild auf dem dunklen Hintergrunde der Tannen steht,
das Auge aber, wohin es auch durch die Mannigfal-
tigkeit des Bildes gelockt werden möge, kehrt immer
wieder auf den rätselvollen See zurück, der in genau
zu verfolgenden Linien unter uns liegt.
Auf den rätselvollen See. Noch wissen wir es nicht,
aber wir ahnen es, daß er unter andern Schätzen
auch einen Sagenschatz umschließen
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