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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Bu-
    ckowern verweilt; wenden wir uns wieder ihrer Stadt
    zu. Buckow und seine Umgebungen bilden die »Mär-
    kische Schweiz«. Freilich geht es der Stadt mit die-
    sem Namen und Anspruch nicht viel besser als mit
    ihrem Forst, denn Freienwalde tritt mit überlegener
    Miene in die Schranken und sagt: »Dieser Name ist
    mein.«

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    Wo liegt denn nun aber die wirkliche Märkische
    Schweiz? Wir werden uns einen Dualismus, wie auch
    sonst wohl, gefallen lassen müssen. Freienwalde ist
    immerhin eine Dame, Buckow ist eine ländliche
    Schönheit, die mit nacktem Fuß in den See tritt und
    unter Weidenzweigen ihr Haar flicht. Nun wähle jeder
    nach seinem Sinn. Binnen kurzem wird sich solche
    Wahl erleichtern. Die neuprojektierte Eisenbahn zwi-
    schen Berlin und Küstrin führt auf kürzeste Entfer-
    nung an Buckow vorüber, und einmal in den Verkehr
    hineingezogen, wird das »Aschenputtel« von heute
    ihrer bevorzugten Schwester vielleicht schon morgen
    gefährlich werden.
    Buckow liegt in einem Kesseltale, dessen Sohle von
    einem großen See gebildet wird. Dieser See hat die
    Form eines abgestumpften Halbmonds, ist also boh-
    nen- oder nierenförmig und heißt der Schermützel-
    See. Wir werden noch weiter von ihm hören. An der
    konkaven Seite des Sees, ziemlich genau an der
    Stelle, wo sich das hüglige Erdreich in den See hin-
    einbuchtet liegt die Stadt, von der aus sich in kür-
    zester Zeit und mit leichtester Mühe die verschie-
    densten Ausflüge in die Umgegend ermöglichen. Alle
    diese Ausflüge, verschieden, wie sie sind, lassen sich
    nichtsdestoweniger in drei ganz bestimmte Gruppen
    bringen: in Spazierfahrten über den See, in Bestei-
    gung des Bollersdorfer Plateaus und in Wanderungen
    durch die Täler und Schluchten der nach Nord und
    Ost hin gelegenen »Märkischen Schweiz«.
    Besteigen wir zunächst das Plateau.

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    Wir wählen dazu, statt der Fahrt über den See, einen
    Umweg, und zwar durch jene lieblichen Schluchten
    und Waldpartien, die von einem Bergwasser, dem
    Marienfließ, durchflossen werden. Alles hat hier den
    mitteldeutschen Charakter. Wer den Harz, wer Thü-
    ringen und die Sächsische Schweiz kennt, ist manche
    liebe Stunde unter gleichen Bildern und Eindrücken
    bergan gestiegen. Tannen und Lärchenbäume fassen
    zu beiden Seiten die Hügelabhänge ein, Buchen und
    Birken sind in das Nadelholz eingestreut, der Ku-
    ckuck ruft, der Bach plätschert, und auf dem frischen
    Rasen, der das Wandern so leicht macht, liegen die
    Tannenäpfel oder spielen die Schatten und Lichter
    der Nachmittagssonne. So auch hier. Über die primi-
    tivsten Brücken hinweg – sechs Feldsteine quer
    durch den Bach – schreiten wir vom linken auf das
    rechte und wieder vom rechten auf das linke Ufer,
    bis wir, nach halbstündigem Marsche den Tann ohne
    Weg und Steg durchbrechend, uns plötzlich auf dem
    ersehnten Plateau befinden, das wir, den Windungen
    des Baches folgend, fast wie auf einer Wendeltreppe
    ohne Stufen erstiegen haben. Aber noch wissen wir
    es kaum, daß es ein Höhepunkt ist, auf dem wir ste-
    hen, denn das Plateau dehnt sich bis zum Horizont
    hin wie eine Ebene vor uns aus, und erst am Aus-
    gang eines tiefen Ackereinschnitts, der uns einer hier
    und dort unterbrochenen Wand von Brombeer- und
    Weißdornsträuchern entgegenführte, blicken wir ü-
    berrascht in eine völlig senkrechte Tiefe nieder.
    Fünfhundert Fuß unter uns der See.
    Wir nehmen nun unsern Stand und haben vielleicht
    das schönste Landschaftsbild vor uns, das die »Mär-

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    kische Schweiz« oder doch der »Kanton Buckow«
    aufzuweisen vermag. Links und rechts, in gleicher
    Höhe mit uns, die Raps- und Saatfelder des Plateaus,
    unmittelbar unter uns der blaue, leis gekräuselte
    Schermützel-See, drüben am andern Ufer, in den
    Schluchten verschwindend und wieder zum Vor-
    schein kommend, die Stadt und endlich hinter der-
    selben eine bis hoch hinauf mit jungen frischgrünen
    Kiefern und dunklen Schwarztannen besetzte Berg-
    lehne. Die Nachmittagssonne fällt auf die Stadt, die
    mit ihren roten Dächern und weißen Giebeln wie ein
    Bild auf dem dunklen Hintergrunde der Tannen steht,
    das Auge aber, wohin es auch durch die Mannigfal-
    tigkeit des Bildes gelockt werden möge, kehrt immer
    wieder auf den rätselvollen See zurück, der in genau
    zu verfolgenden Linien unter uns liegt.
    Auf den rätselvollen See. Noch wissen wir es nicht,
    aber wir ahnen es, daß er unter andern Schätzen
    auch einen Sagenschatz umschließen

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