Wanderungen durch die Mark Brandenburg
der Dachs-
berg , kaum eine Viertelstunde vom Dorf entfernt und mit Recht ein Lieblingsplatz aller märkischen Touristen. Auch Berliner huldigen ihm. Und das ist doch
schließlich immer das Entscheidende!
Aber den Dachsberg in Ehren, in Wahrheit sind es
doch seine beiden Seen, wie namentlich auch die
Schlucht, die diese verbindet, was seine Schönheit
ausmacht. Die beiden Seen heißen der kleine und
große Tornow-See, und die Schlucht heißt die » Sil-
berkehle «. Jene blicken zu dem Berge hinauf, der seinerseits terrassenförmig ansteigt. Am Fuße der
Treppe breitet sich der große Tornow aus, auf dem mittleren Absatz aber liegt der kleine Tornow, dunkel und still und in verschwiegener Tiefe.
Von der Kuppe des Hügels herab überblickt man nur
den kleineren See; Baumpartien fassen ihn ein und
beschränken die weitere Fernsicht. Das Terrassen-
förmige des Berges kommt deshalb wenig zur Er-
scheinung. Möglich, daß das Landschaftsbild an Reiz
gewönne, wenn ein unbehindertes Auge, die Stufen
der Treppen herniedersteigend, erst bei der kleineren
und dann endlich tief unten bei der größeren Was-
serfläche verweilen könnte. Aber auch wie es ist, ist
es schön.
Der kleine Tornow ist einer jener »Teufelsseen«, denen man in der Mark, an den Abhängen der Hügel,
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so oft begegnet. Ihr Name bezeichnet ihren Charak-
ter. Das Wasser ist schwarz, dunkle Baumgruppen
schließen es ein, breite Teichrosenblätter bilden ei-
nen Uferkranz, und die Oberfläche bleibt spiegelglatt,
auch wenn der Wind durch den Wald zieht. Es ist, als
hätten diese dunklen Wasser einen besonderen Zug
in die Tiefe und als stünden sie fester und unbeweglicher da als andere.1)
So ist auch der kleine Tornow einer von jenen Seen,
an denen Sage und Märchen am liebsten verweilen
und von Prinzessinnen erzählen, die in der Johannis-
nacht aus dem dunklen Wasser steigen und mit Sil-
berrosen im Haar freundlich-traurig am Ufer sitzen.
Nicht so der große Tornow-See, der funfzig Fuß tiefer seine breite und hellere Wasserfläche am Fuß des
Berges ausdehnt. Ihm schreiten wir jetzt zu. Unser
Weg dahin ist die Silberkehle.
Die Silberkehle führt ihren poetischen Namen daher, weil an beiden Abhängen, wo das von Moos und Humus entkleidete Erdreich sichtbar wird, eine Wand
von Glimmersand zutage tritt. Dieser Glimmersand blitzt und glitzert wie Silber und liegt so fest auf, daß es möglich ist, Namen und Figuren wie in Sandstein
hineinzuschneiden. Die Silberkehle hat völlig den
Charakter einer Gebirgsschlucht und zeigt auf ihrem
Lauf ein tief ausgehöhltes Bett mit all den Zerstörun-
gen niederstürzender Bäche. Feldsteine, fest in den
Sand gerammt, Laubholzbäume rechts und links ü-
ber den Weg geworfen, Spuren von Wind und Was-
ser überall. Aber heute, wo wir des Weges kommen,
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ruht ringsumher der Streit der Elemente. Wie eine
Mühle am Sonntag, so liegt die Silberkehle da, das
Triebrad steht still, das Wehr ist gesperrt. Erst im
Frühjahr, wenn der Schnee schmilzt, oder im Som-
mer, wenn die Regengüsse kommen, dann wird es
wieder lebendig hier. Dann jagt das Wasser zu Tale,
dann ist es wieder, als schäumten und klapperten
hundert Räder hier, und wieder werden neue Bäume
unterhöhlt und gefällt und die eingerammten Steine
wie Kiesel weiter nach unten gerissen.
Wir sahen das Bild bei Herbstesstille; nur am Fuße
des Berges plätscherten ein paar Quellen. So traten
wir aus der Enge der Schlucht ins Freie und blickten
auf die Fläche des großen Sees. Er ist dem kleinen
Tornow unähnlich, liebt das Licht wie dieser den
Schatten und gewährt ein Bild heiterer Ruhe. Grün
ansteigende Ufer fassen ihn ein, rote Fichtenstämme
spiegeln sich, und wenn erst, wie beabsichtigt, der
Wasserdruck des höher gelegenen kleinen Sees be-
nutzt sein wird, um mitten auf dem großen einen
natürlichen Springbrunnen steigen zu lassen, so wird
dieser Eindruck des Heiteren noch gewachsen sein.
Am Ufer des großen Tornow-Sees erhebt sich eine
Villa, ein Schweizerhaus. Der Erbauer, in Huldigung
gegen den Ort, an dem er den zierlichen Bau entste-
hen ließ, hat ihm den Namen »Haus Tornow« gege-
ben. Das hat einen guten Klang. Stille weilt rundum.
Es ist ein Platz für Rast und Ruhe, und wer empfände
nicht die Sehnsucht danach! Bilder schmücken die
Zimmer der Villa, und Wein und Blumen ranken sich
an Wand und Laubengang empor. Aber der schönste
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Blick, den »Haus Tornow«
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