Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gewährt, bleibt doch der
auf den See. Ein Kahn liegt bereit und trägt uns da-
rüberhin, leicht und glatt. Denn hier walten keine
tückischen Mächte. Aus der Tiefe des »kleinen Tor-
now« herauf könnt uns eine Hand, eine Stimme viel-
leicht nach unten ziehn, aber das Wasser des großen
Tornow, das eben in tausend Tropfen von unserm
Ruder fällt, funkelt in allen Farben des Lichts. Ein
Schwarm Tauben blitzt durch die Luft, und ein Reh
tritt aus dem Wald ans Ufer und blickt uns an. Es
weiß, es darf es.
»Friede« ist die Parole am großen Tornow-See.
1. Der schönste See der Art im nördlichen
Deutschland war vielleicht der Jordan-See auf
der Insel Wollin. Still, dunkel, einsam, von
Kiefern eingeschlossen, lag er da. Braune,
halbverfaulte Baumstämme überragten hier
und da seine Fläche, so daß es war, als rich-
teten sich Krokodile auf und sögen mit zu-
rückgebogenem Kopf die Nachtluft ein. Die
Blätter und Stiele der Nymphäen machten
den See unpassierbar. Guter Wille und wenig
Geschmack haben dies kostbare, Stück Natur
zerstört. Die Baumstümpfe sind fort und die
Nymphäen auch. Statt ihrer ist ein Kahn da,
der nun über die glatte, prosaisch gewordene
Fläche hingleitet, als wär es ein See wie jeder
andre.
1003
Möglin
Das Kleine blieb,
Das Große ist vergessen.
Die Zeit verfließt, wohl hundert Jahr
Verflossen unterdessen.
Etwa eine halbe Meile vom Westrande des Oder-
bruchs entfernt liegt Möglin, ein nur zwölf Häuser
zählendes, weder durch Größe noch Bodenbeschaf-
fenheit ausgezeichnetes Dorf, dem nichtsdestoweni-
ger der Ruhm zufiel, in alter und neuer Zeit unter
den historischen Dörfern des Landes genannt zu
werden.
Drei Jahrhunderte lang lebten hier die im Ober-
Barnim reichbegüterten Barfuse1), die sich, wie wir
das noch in dem Kapitel »Prädikow« hervorheben
werden, in zwei Linien teilten, in die Barfuse von
Prädikow und in die Barfuse von Möglin. Der be-
rühmteste Barfus (Hans Albrecht von B.; Feldmar-
schall unter König Friedrich I.) war ein Mögliner Barfus; er verließ aber früh sein väterliches Gut, kehrte
nie wieder dahin zurück und ist deshalb der Erinne-
rung des Dorfes verlorengegangen.
Aber von einem unberühmten Barfus geht noch die
Sage daselbst. Das macht, der lokale Vorfall ist im-
1004
mer siegreich über das historische Ereignis; das All-
gemeine verblaßt, das Besondere gewinnt an Kraft.
Dieser einzige Barfus, von dem Möglin und seine
Bewohner noch wissen, ist Dietlof von Barfus. Sie
wissen von ihm, daß er reich war, daß er vierzig Dör-
fer besaß und daß er in einer Winternacht, als er zu
Schlitten von Wriezen kam, seinen plötzlichen Tod
fand. Es war Schneetreiben, nicht Weg, nicht Steg
erkennbar. Durch die nächtliche Öde hin, immer
gradaus, dem Instinkt der Pferde das Beste überlas-
send, so ging die Fahrt. Schon waren sie dicht am
Dorf, da, auf einem überschneiten und nur mit dün-
nem Eis bedeckten Sumpfloch, brach der Schlitten
ein, und alles ging in die Tiefe.
Die kleine Feldsteinkirche (ohne Turm) ist aus der
ersten christlichen Zeit und stand hier um vieles frü-
her, als die Barfuse nach Möglin kamen. In der Kir-
che selbst aber, aus verhältnismäßig später Zeit,
hängt ein Wappenschild des alten Geschlechts,
schmucklos, grün und rot übermalt und mit der Um-
schrift: »Alexander von Barfus, geboren 1580, den
11. Decembris, gestorben den 19. Decembris 1647.«
Wahrscheinlich ein Onkel, vielleicht auch der Großva-
ter Hans Albrechts.
Die Pfuels, die Möglin in ältester Zeit besaßen, hat-
ten es hundert Jahre, die Barfuse dreihundert inne.
Dazwischen lag ein Interregnum, das zwanzig oder
dreißig Jahre gedauert haben mag und von dem wir,
mit Hülfe des Schloßregisters von 1450, nur erfah-
ren, » daß in Möglin ein Schäfer war «. Das klingt wie 1005
eine Verheißung für die Zukunft, und der Schäfer
von 1450 erscheint uns fast wie der Schatten, den
Albrecht Thaer, »der Mögliner Schäfer par excel-
lence«, durch vier Jahrhunderte rückwärts wirft.
Ihm , der dem Namen »Möglin« zu einem weit über
die Grenzen unseres Landes hinausgehenden Ruhme
verholfen hat, wenden wir uns nunmehr ausführli-
cher zu.
1. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts scheint
die Mehrzahl aller Rittergüter des Kreises in
Händen der Barfuse gewesen zu sein, da es
heißt daß auf einem 1720 abgehaltenen
Kreistage nur zwei Stimmen nicht barfusisch
gewesen
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