Wanderungen durch die Mark Brandenburg
einzelner
calvinistischer Lehren in das Luthertum zu
verhindern. Es sind elf Streitfragen, worüber
die »Formula Concordiae« Festsetzungen
trifft. Die wichtigsten sind: die Lehre von der
Erbsünde, vom freien Willen, von den guten
Werken, vom heiligen Abendmahl und von der
Vorherbestimmung und Gnadenwahl . Die
Konkordienformel, in ihrer Bekämpfung des-
sen, was sie calvinistische Irrlehre nennt, be-
tont selbstverständlich die leibliche Gegen-
wart Christi im heiligen Abendmahl und lehnt
sich gegen die Prädestinationslehre auf. Wer
sich zur »Formula Concordiae« bekannte, hat-
te dadurch seine Gegnerschaft gegen den
Calvinismus ausgesprochen.
3. Solche »Reverse« existieren in verschiedener
Fassung. Eine Formel lautete wie folgt: »Daß
Wir Endes benannte Prediger bei der Lutheri-
schen Kirchen zu Berlin in Unserm Lehr-
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Ambte bey den Glaubens- und Lebens-
Lehren, und namentlich auch in denen zwi-
schen Uns und den Reformirten schwebenden
streittigen Puneten bey Dr. Lutheri Meinung
und Erklärung, wie selbige in ›Augustana
Confessione‹ und deren Apologia enthalten,
und demnach auch in Gemeinschaft der All-
gemeinen Lutherischen Kirchen beständig zu
bleiben gemeint seien, jedoch aber bei Tracti-
rung der gedachten Controversien Uns
zugleich unverbrüchlich halten wollen, wie in
den Churft. Brandenburgischen Edictis de an-
no 1614, 1622 und 16644) Uns anbefohlen ist.
Solches thun wir mit diesem eigenhändig un-
terschriebenen Revers angeloben, urkunden
und bekennen.«
4. Diese Edikte, die sich untereinander ergän-
zen, verboten das Studieren in Wittenberg,
ordneten Rückberufung der dort Studierenden
innerhalb drei Monaten an und äußerten sich
in betreff der Zänkereien wie folgt: »So mö-
gen denn die Wittenberger sich des unseligen
Verdammens und Verketzerns sowie der Ver-
höhnung der Personen und aller höhnischen
Vorstellung ihrer Lehren enthalten und sich
also bezeigen, daß sie neben der Wahrheit
auch den Frieden suchen und die brüderliche
Liebe unter den Christen eher erwecken als
dämpfen.« Ähnliche Ermahnungen, besonders
aber die Aufforderung, gewisse Hypothesen
nicht als die alleinige Wahrheit anzusehen,
kehren in den Edikten vielfach wieder. Es war
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unbedingt hart für die Lutheraner, darüber ei-
nen »Revers« ausstellen zu sollen.
So war der allgemeine Verlauf, und die Frage ent-
steht: Wie stellte sich unser Andreas Fromm zu die-
ser veränderten Sachlage? Die Antwort kann nicht
zweifelhaft sein. Fromm, der dem Zelotismus der
Wittenberger jahrelang voll Unwillen und Unbehagen
den Rücken gekehrt und den Duldungsprinzipien der
Reformierten sich zugewandt hatte, mußte das leis
geknüpfte Band auch wieder lösen, als er erkannte,
daß die Reformierten ihren Sieg nur erfochten hät-
ten, um schließlich eine noch härtere Unduldsamkeit
zu üben, als die der wittenbergischen Eiferer gewe-
sen war. Er war, wie wir gesehen haben, eine auf
Freiheit, Maß und Schönheit gestellte Natur und jede
Art der Bedrückung ihm gleich verhaßt. Mehr denn
einmal wurd er Zeuge der Gewissensangst, die ein-
zelne Geistliche bei Unterschrift des Reverses emp-
fanden, und der Entschluß reifte in ihm heran, sich
gegen diese Bedrückung aufzulehnen. Die Gelegen-
heit bot sich bald. Johann Müller, Prediger zu Rib-
beck, der einer Streitsache wegen vor das Konsisto-
rium geladen war, sollte bei dieser Gelegenheit un-
terschreiben und weigerte sich dessen mit der Versi-
cherung, »daß die Unterschrift wider sein Gewissen
sei«. Als man immer heftiger in den erschrockenen
Mann eindrang, konnte sich Fromm nicht länger hal-
ten. Er erklärte es für Unrecht, einen Revers zu for-
dern, wenn jemand sein Gewissen dadurch be-
schwert fühle, und brach zuletzt in die Worte aus:
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»Vim patitur ecclesia Lutherana«, die lutherische
Kirche leidet Zwang .
Dies Wort, von einem Mitgliede des Konsistoriums
inmitten einer Sitzung derselben ausgesprochen,
konnte nicht verfehlen, ein außerordentliches Aufse-
hen zu machen. Es wurde dem Kurfürsten hinter-
bracht. Dieser, der, wie es scheint, unserm Fromm
wohlwollte, verlangte nur, »daß das Scandalum hin-
weggenommen und die Äußerung von seiten des
Propstes als eine Übereilung anerkannt werde«. Aber hierzu konnte sich Fromm nicht verstehen. Er schrieb an den Kurfürsten, er habe anfangs, da er noch auf
Toleranz zwischen den beiden Parteien gehofft, das
Unheil,
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