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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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einzelner
    calvinistischer Lehren in das Luthertum zu
    verhindern. Es sind elf Streitfragen, worüber
    die »Formula Concordiae« Festsetzungen
    trifft. Die wichtigsten sind: die Lehre von der
    Erbsünde, vom freien Willen, von den guten
    Werken, vom heiligen Abendmahl und von der
    Vorherbestimmung und Gnadenwahl . Die
    Konkordienformel, in ihrer Bekämpfung des-
    sen, was sie calvinistische Irrlehre nennt, be-
    tont selbstverständlich die leibliche Gegen-
    wart Christi im heiligen Abendmahl und lehnt
    sich gegen die Prädestinationslehre auf. Wer
    sich zur »Formula Concordiae« bekannte, hat-
    te dadurch seine Gegnerschaft gegen den
    Calvinismus ausgesprochen.

    3. Solche »Reverse« existieren in verschiedener
    Fassung. Eine Formel lautete wie folgt: »Daß
    Wir Endes benannte Prediger bei der Lutheri-
    schen Kirchen zu Berlin in Unserm Lehr-

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    Ambte bey den Glaubens- und Lebens-
    Lehren, und namentlich auch in denen zwi-
    schen Uns und den Reformirten schwebenden
    streittigen Puneten bey Dr. Lutheri Meinung
    und Erklärung, wie selbige in ›Augustana
    Confessione‹ und deren Apologia enthalten,
    und demnach auch in Gemeinschaft der All-
    gemeinen Lutherischen Kirchen beständig zu
    bleiben gemeint seien, jedoch aber bei Tracti-
    rung der gedachten Controversien Uns
    zugleich unverbrüchlich halten wollen, wie in
    den Churft. Brandenburgischen Edictis de an-
    no 1614, 1622 und 16644) Uns anbefohlen ist.
    Solches thun wir mit diesem eigenhändig un-
    terschriebenen Revers angeloben, urkunden
    und bekennen.«

    4. Diese Edikte, die sich untereinander ergän-
    zen, verboten das Studieren in Wittenberg,
    ordneten Rückberufung der dort Studierenden
    innerhalb drei Monaten an und äußerten sich
    in betreff der Zänkereien wie folgt: »So mö-
    gen denn die Wittenberger sich des unseligen
    Verdammens und Verketzerns sowie der Ver-
    höhnung der Personen und aller höhnischen
    Vorstellung ihrer Lehren enthalten und sich
    also bezeigen, daß sie neben der Wahrheit
    auch den Frieden suchen und die brüderliche
    Liebe unter den Christen eher erwecken als
    dämpfen.« Ähnliche Ermahnungen, besonders
    aber die Aufforderung, gewisse Hypothesen
    nicht als die alleinige Wahrheit anzusehen,
    kehren in den Edikten vielfach wieder. Es war

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    unbedingt hart für die Lutheraner, darüber ei-
    nen »Revers« ausstellen zu sollen.

    So war der allgemeine Verlauf, und die Frage ent-
    steht: Wie stellte sich unser Andreas Fromm zu die-
    ser veränderten Sachlage? Die Antwort kann nicht
    zweifelhaft sein. Fromm, der dem Zelotismus der
    Wittenberger jahrelang voll Unwillen und Unbehagen
    den Rücken gekehrt und den Duldungsprinzipien der
    Reformierten sich zugewandt hatte, mußte das leis
    geknüpfte Band auch wieder lösen, als er erkannte,
    daß die Reformierten ihren Sieg nur erfochten hät-
    ten, um schließlich eine noch härtere Unduldsamkeit
    zu üben, als die der wittenbergischen Eiferer gewe-
    sen war. Er war, wie wir gesehen haben, eine auf
    Freiheit, Maß und Schönheit gestellte Natur und jede
    Art der Bedrückung ihm gleich verhaßt. Mehr denn
    einmal wurd er Zeuge der Gewissensangst, die ein-
    zelne Geistliche bei Unterschrift des Reverses emp-
    fanden, und der Entschluß reifte in ihm heran, sich
    gegen diese Bedrückung aufzulehnen. Die Gelegen-
    heit bot sich bald. Johann Müller, Prediger zu Rib-
    beck, der einer Streitsache wegen vor das Konsisto-
    rium geladen war, sollte bei dieser Gelegenheit un-
    terschreiben und weigerte sich dessen mit der Versi-
    cherung, »daß die Unterschrift wider sein Gewissen
    sei«. Als man immer heftiger in den erschrockenen
    Mann eindrang, konnte sich Fromm nicht länger hal-
    ten. Er erklärte es für Unrecht, einen Revers zu for-
    dern, wenn jemand sein Gewissen dadurch be-
    schwert fühle, und brach zuletzt in die Worte aus:

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    »Vim patitur ecclesia Lutherana«, die lutherische
    Kirche leidet Zwang .
    Dies Wort, von einem Mitgliede des Konsistoriums
    inmitten einer Sitzung derselben ausgesprochen,
    konnte nicht verfehlen, ein außerordentliches Aufse-
    hen zu machen. Es wurde dem Kurfürsten hinter-
    bracht. Dieser, der, wie es scheint, unserm Fromm
    wohlwollte, verlangte nur, »daß das Scandalum hin-
    weggenommen und die Äußerung von seiten des
    Propstes als eine Übereilung anerkannt werde«. Aber hierzu konnte sich Fromm nicht verstehen. Er schrieb an den Kurfürsten, er habe anfangs, da er noch auf
    Toleranz zwischen den beiden Parteien gehofft, das
    Unheil,

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