Wanderungen durch die Mark Brandenburg
denen anschließen, die
den ehemaligen Propst von Sankt Petri zu einem
zweideutigen , mindestens zu einem schwachen Charakter haben stempeln wollen. Er war einfach ein
Mann, der in einer kirchlichen Zeit, die durchaus ein
»Entweder-Oder« verlangte, sich mit Wärme für ein
»Weder-Noch« entschied. Er war ein feinfühliger
Mann, dem alles Gröbliche und Rücksichtslose wider-
strebte, er war ein freisinniger Mann, dem alles tyrannische Wesen, gleichviel ob es Hof oder Geistlich-
keit, Volk oder Regierung übte, widerstand. Als der
lutherische Zelotismus drückte und peinigte, neigte
er sich dem glatteren und mehr weltmännischen Cal-
vinismus zu, als umgekehrt die Reformierten Gewis-
senszwang zu üben begannen, stellte er sich wieder
– nicht der Dogmen halber, sondern als freier Mann
– auf die lutherische Seite. Es gebrach ihm an dog-
matischer Strenge, das wird zuzugeben sein, aber er
hatte die schönsten Seiten des Christentums: die
Liebe und die Freiheit . Wäre er eine schwache oder gar eine zweideutige Natur gewesen, hätte er sein
irdisches Wohl über sein ewiges gesetzt, so hätten
wir die Wandlung, die ihn wieder zu den Lutherischen
zurückführte, sich nie an ihm vollziehen sehen. Seine
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Briefe an Stosch hatten ihn bereits halb in das Lager
der Calvinisten hinübergeführt, und er brauchte auf
dem betretenen Wege nur einfach weiterzuschreiten,
um einer glänzenden Laufbahn sicher zu sein. Die
Reformierten hätten ihn freudig begrüßt und die Lu-
theraner ihn ohne Verwunderung scheiden sehen. Er
tat es aber nicht und hatte den Mut, auf halbem We-
ge stillzustehen und sich zwischen die Parteien zu
stellen. Er wußte, daß sein Schicksal in Stoschs Hän-
den lag, aber er sprach dennoch in voller Sitzung des
Konsistoriums sein »Vim patitur ecclesia Lutherana«,
weil, über die Klugheit und alle Berechnung hinaus,
sein Herz immer bei den Unterdrückten war. Daß er
sich dem Abraham Calov auf kurze Zeit überantwor-
tete, statt gleich den Schritt in den Ruhehafen des
Katholizismus zu tun, mag man tadeln, aber die Mut-
ter dieser ängstlich nach dem Ziele tappenden Verir-
rung war die – Verwirrung . Pastor Reinhart, einer von den hartköpfigsten Lutheranern jener Epoche,
soll freilich, lange bevor die geschilderte Katastrophe kam, über unsern Fromm geäußert haben: » Der Kerl
sieht aus wie ein Jesuit, und er wird auch noch einer werden «, aber aus diesem Kraftspruch, der ohne Not zu einer Art Prophezeiung gemacht worden ist, ist
doch einfach nur der Schluß zu ziehen, daß unser
Andreas Fromm von St. Petri ein Mann von glatteren
Formen war als Elias Sigismund Reinhart von
St. Nikolai. Übrigens existiert bekanntlich auch heute
noch kein Geistlicher, und wenn er an der Grenze der
Lichtfreundschaft stände, dem nicht irgendeinmal
nachgesagt worden wäre: »er säh aus wie ein Jesuit
und würd auch noch einer werden«.
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Andreas Fromm flüchtete in den Katholizismus. Die aus Gewissenhaftigkeit und Eigensinn, aus Überzeu-gungstreue und engherziger Philisterei geborenen
Zänkereien jener Epoche trieben ihn an ein Ziel, an
das er, in den glücklichen Jahren seines Wirkens,
nicht einmal gedacht haben mochte. Konsistorialrat
Martin Friedrich Seidel, Fromms besonderer Freund,
schrieb über ihn: »Wollte Gott, es wäre dieser
Fromm mit Glimpf und gütlichen Mitteln bei unserer lutherischen Kirche behalten und von solchen extremen Schritten abgehalten worden. Ich muß ihm das
Zeugnis geben, daß ihm Gott stattliche Gaben verliehen hatte .« Und selbst Otto Schulz, der sonst eher als Ankläger denn als Verteidiger unseres Fromm
auftritt, schließt mit den Worten: »Seine innerste
Gesinnung war christlich; nichts als das Gezänk im
Innern der evangelischen Kirche und das Schwan-
ken, sowohl in der Lehre als in der Verfassung, ha-
ben ihn aus der Kirche herausgetrieben.«
1. Ausführlicher über die »Lehninsche Weissa-
gung« spreche ich bei Gelegenheit von
»Kloster Lehnin«, in einem spätren Bande
dieser »Wanderungen«. Hier nur so viel, daß
bekanntlich der Streit noch immer schwankt,
ob die »Lehninsche Weissagung. wirklich von
einem Lehniner Mönche ums Jahr 1300 oder
aber, als Falsifikat, in einer spätern Epoche
geschrieben wurde. Die meisten Stimmen
vereinigen sich dahin, daß die sogenannte
Prophezeiung am Schluß des siebzehnten
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Jahrhunderts in den letzten Lebensjahren des
Großen Kurfürsten oder doch nur wenig
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