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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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denen anschließen, die
    den ehemaligen Propst von Sankt Petri zu einem
    zweideutigen , mindestens zu einem schwachen Charakter haben stempeln wollen. Er war einfach ein
    Mann, der in einer kirchlichen Zeit, die durchaus ein
    »Entweder-Oder« verlangte, sich mit Wärme für ein
    »Weder-Noch« entschied. Er war ein feinfühliger
    Mann, dem alles Gröbliche und Rücksichtslose wider-
    strebte, er war ein freisinniger Mann, dem alles tyrannische Wesen, gleichviel ob es Hof oder Geistlich-
    keit, Volk oder Regierung übte, widerstand. Als der
    lutherische Zelotismus drückte und peinigte, neigte
    er sich dem glatteren und mehr weltmännischen Cal-
    vinismus zu, als umgekehrt die Reformierten Gewis-
    senszwang zu üben begannen, stellte er sich wieder
    – nicht der Dogmen halber, sondern als freier Mann
    – auf die lutherische Seite. Es gebrach ihm an dog-
    matischer Strenge, das wird zuzugeben sein, aber er
    hatte die schönsten Seiten des Christentums: die
    Liebe und die Freiheit . Wäre er eine schwache oder gar eine zweideutige Natur gewesen, hätte er sein
    irdisches Wohl über sein ewiges gesetzt, so hätten
    wir die Wandlung, die ihn wieder zu den Lutherischen
    zurückführte, sich nie an ihm vollziehen sehen. Seine

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    Briefe an Stosch hatten ihn bereits halb in das Lager
    der Calvinisten hinübergeführt, und er brauchte auf
    dem betretenen Wege nur einfach weiterzuschreiten,
    um einer glänzenden Laufbahn sicher zu sein. Die
    Reformierten hätten ihn freudig begrüßt und die Lu-
    theraner ihn ohne Verwunderung scheiden sehen. Er
    tat es aber nicht und hatte den Mut, auf halbem We-
    ge stillzustehen und sich zwischen die Parteien zu
    stellen. Er wußte, daß sein Schicksal in Stoschs Hän-
    den lag, aber er sprach dennoch in voller Sitzung des
    Konsistoriums sein »Vim patitur ecclesia Lutherana«,
    weil, über die Klugheit und alle Berechnung hinaus,
    sein Herz immer bei den Unterdrückten war. Daß er
    sich dem Abraham Calov auf kurze Zeit überantwor-
    tete, statt gleich den Schritt in den Ruhehafen des
    Katholizismus zu tun, mag man tadeln, aber die Mut-
    ter dieser ängstlich nach dem Ziele tappenden Verir-
    rung war die – Verwirrung . Pastor Reinhart, einer von den hartköpfigsten Lutheranern jener Epoche,
    soll freilich, lange bevor die geschilderte Katastrophe kam, über unsern Fromm geäußert haben: » Der Kerl
    sieht aus wie ein Jesuit, und er wird auch noch einer werden «, aber aus diesem Kraftspruch, der ohne Not zu einer Art Prophezeiung gemacht worden ist, ist
    doch einfach nur der Schluß zu ziehen, daß unser
    Andreas Fromm von St. Petri ein Mann von glatteren
    Formen war als Elias Sigismund Reinhart von
    St. Nikolai. Übrigens existiert bekanntlich auch heute
    noch kein Geistlicher, und wenn er an der Grenze der
    Lichtfreundschaft stände, dem nicht irgendeinmal
    nachgesagt worden wäre: »er säh aus wie ein Jesuit
    und würd auch noch einer werden«.

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    Andreas Fromm flüchtete in den Katholizismus. Die aus Gewissenhaftigkeit und Eigensinn, aus Überzeu-gungstreue und engherziger Philisterei geborenen
    Zänkereien jener Epoche trieben ihn an ein Ziel, an
    das er, in den glücklichen Jahren seines Wirkens,
    nicht einmal gedacht haben mochte. Konsistorialrat
    Martin Friedrich Seidel, Fromms besonderer Freund,
    schrieb über ihn: »Wollte Gott, es wäre dieser
    Fromm mit Glimpf und gütlichen Mitteln bei unserer lutherischen Kirche behalten und von solchen extremen Schritten abgehalten worden. Ich muß ihm das
    Zeugnis geben, daß ihm Gott stattliche Gaben verliehen hatte .« Und selbst Otto Schulz, der sonst eher als Ankläger denn als Verteidiger unseres Fromm
    auftritt, schließt mit den Worten: »Seine innerste
    Gesinnung war christlich; nichts als das Gezänk im
    Innern der evangelischen Kirche und das Schwan-
    ken, sowohl in der Lehre als in der Verfassung, ha-
    ben ihn aus der Kirche herausgetrieben.«

    1. Ausführlicher über die »Lehninsche Weissa-
    gung« spreche ich bei Gelegenheit von
    »Kloster Lehnin«, in einem spätren Bande
    dieser »Wanderungen«. Hier nur so viel, daß
    bekanntlich der Streit noch immer schwankt,
    ob die »Lehninsche Weissagung. wirklich von
    einem Lehniner Mönche ums Jahr 1300 oder
    aber, als Falsifikat, in einer spätern Epoche
    geschrieben wurde. Die meisten Stimmen
    vereinigen sich dahin, daß die sogenannte
    Prophezeiung am Schluß des siebzehnten

    122
    Jahrhunderts in den letzten Lebensjahren des
    Großen Kurfürsten oder doch nur wenig

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