Wanderungen durch die Mark Brandenburg
das nun herauskomme, nicht vor Augen ge-
sehen und habe zugegeben, soviel das Gewissen nur
zugeben könne. Nunmehr aber sei er, re diu et accu-
rate pensitata, der Ansicht, daß die begehrten Re-
verse von den Lutherischen nicht mit gutem Gewissen ausgestellt werden könnten. »Ich bitte«, so
schließt er, »um Gottes und so vieler geängstigten
Gewissen Willen, Ew. Kurfürstliche Durchlaucht
erbarme sich doch und überhebe sowohl die Prediger
als die Ordinandos des Reverses und lasse uns doch
in Gnaden widerfahren, was den Päpstlichen nicht versaget wird.«
Nach dieser Erklärung wurde Fromm aus dem Kon-
sistorium entlassen. Die Beziehungen zwischen ihm
und den Reformierten waren abgebrochen, und was
das Schlimmste war, auch das Luthertum zeigte sich
abgeneigt, demjenigen, der so lange sein wenigstens
scheinbarer Gegner gewesen war, jetzt goldene Brü-
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cken zu bauen. Es gab nur ein Mittel, eine kirchliche Gemeinschaft wieder zu gewinnen, und dies Mittel
hieß: Widerruf, Lossagung von aller Synkretisterei
und Glaubensvermengung. Fromm, vergeblich nach
einem andern Ausweg suchend, war endlich bereit,
unter das Joch hinwegzugehen, aber er mochte das
beschämende Wort des Widerrufs wenigstens nicht in
Berlin, nicht innerhalb seiner alten Umgebung spre-
chen. Auch stand der reformierte Stosch mit den
Frommschen Briefen im Hintergrund und wartete auf
einen Éclat. Diesen »Éclat« wollte Fromm unter allen
Umständen vermeiden. So verließ er denn heimlich
die Stadt, am 20. Juli 1666, in der er jahrelang, wie
selbst seine Gegner nicht zu bestreiten wagten, se-
gensreich gewirkt hatte.
Er ging nach Wittenberg, wo er in die Hände des
strengen Abraham Calov fiel. Dieser unterzog ihn
einer Prüfung und nahm ihn endlich in die streng-
lutherische Gemeinschaft wieder auf, nachdem der
scheinbar Bekehrte den in Sachsen gebräuchlichen
Religionseid geschworen und dieselbe »Formula Con-
cordiae« unterschrieben hatte, gegen die er, während der Jahre seiner besten Kraft, als gegen einen
Druck und Zwang der Gewissen (wie später gegen
die Reverse) geeifert hatte.
Die Umkehr, hart wie sie war, hätte wenig zu bedeu-
ten gehabt, wenn sie ehrlich gemeint gewesen wäre.
Aber sie war nicht ehrlich gemeint und konnte es
nicht sein. Alles, was unserm Fromm jemals als Be-
drückung und Unfreiheit, gleichviel von welcher Seite her, erschienen war, erschien ihm jetzt nicht minder
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so, und wenn er nichtsdestoweniger dem Ansinnen
Abraham Calovs nachgab, so folgte er mehr einer
stumpfen Verzweiflung als einer neuen, freudigen
Überzeugung.
Daß ihn Wittenberg wenig befriedigte, zeigte sich
bald. Die Superintendentur in Eisenberg im Sächsi-
schen war vakant geworden, und alles deutete dar-
auf hin, daß ihm dieselbe zufallen werde; aber diese
Aussicht, statt ihn zu erheben, drückte ihn vollends
nieder. Abraham Calov und »Formula Concordiae«,
Wittenberg und starres Luthertum, alles lag berge-
schwer auf ihm, schwerer denn je zuvor, und seine
Seele sehnte sich nach Freiheit oder wenigstens nach
Ruhe . So beschloß er zu fliehen. Eine Reise vorschützend, machte er sich von Abraham Calov fort und
ging mit seiner Frau und fünf Kindern heimlich und in
aller Stille nach Prag. Zu Anfang des Jahres 1668
legte er daselbst in einer Kirche der Jesuiten das
katholische Glaubensbekenntnis ab. Nicht lange dar-
auf wurd er in den gewöhnlichen Abstufungen zum
Priester geweiht. Sein Übertritt machte Aufsehen,
sowohl innerhalb der protestantischen wie katholi-
schen Welt, und ein Jesuit, namens Tanner, entwarf
einen ausführlichen Bericht über die Feierlichkeiten,
die bei der Konversion stattgefunden hatten. Die
Protestanten ihrerseits begnügten sich, Spottverse
auf ihn zu machen, und einer stellte aus seinem Na-
men Andreas Fromm das Anagramm zusammen: den
fraß Roma . Fromm selbst lebte noch eine Reihe von Jahren und starb 1685 als Canonicus zu Leitmeritz in
Böhmen. Während dieser seiner letzten Epoche, die,
wenn nicht die glücklichste, so doch jedenfalls die
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friedlichste Zeit seines Lebens war, soll er, nach Ansicht Otto Schulz's (des bekannten Berliner Schulrats
und Herausgebers der Paul Gerhardtschen Lieder),
die »Lehninschen Weissagungen« geschrieben und
die Muße, die ihm der Katholizismus gewährte, zu
einem Verurteilungsgedicht der protestantischen Ho-
henzollern benutzt haben. Ich kann diese Ansicht
nicht teilen.1)
Ebensowenig kann ich mich
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