Wanderungen durch die Mark Brandenburg
dreiundzwanzig Personen in sein neues
Vaterland ein.
Thaer hatte in Celle zunächst eine Experimental wirtschaft, dann – nachdem seine Versuche fast durch-
gängig von Erfolg gekrönt worden waren – eine Mo-
dell wirtschaft geführt; in Möglin wurde die Modell-wirtschaft zu einer Muster wirtschaft. Hierin liegt der alleinige Unterschied zwischen der Celler und der
Mögliner Wirtschaftsführung ausgesprochen. Die Mo-
dellwirtschaft in Celle legte denen, die sie kennenge-
lernt hatten, die Mühewaltung, oft auch geradezu die
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Schwierigkeit des Transponierens aus kleinen in gro-
ße Verhältnisse auf, die Mögliner Wirtschaft hingegen
war für die Mehrzahl der Fälle ohne weiteres ein
Muster. Natürlich innerhalb der Grenzen, wie sie sich
auf einem Gebiet, das einem lebendigen Organismus
gleicht, von selbst verstehn.
Möglin war Muster , Celle war Modell , aber den räum-lichen Unterschied beiseite gelassen, liefen im übri-
gen, um es zu wiederholen, beide Wirtschaften in
ihren Prinzipien und Qualitäten auf dasselbe hinaus.
Deshalb werden wir hier, in Erwägung, daß wir die
Celler Wirtschaft ausführlich besprochen haben, bei
der Mögliner nur kurz verweilen und nur dasjenige
betonen, wodurch sich dieselbe sachlich und qualita-tiv von der Celler Wirtschaft unterschied.
Es war dies vorzüglich die Einführung einer veredel-
ten Schafzucht , die Herstellung einer ausgezeichneten Wolle, der besten, die bis dahin in Deutschland
produziert worden war. Die Kunst, die Thaer zwanzig
oder dreißig Jahre früher, halb spielend, geübt hatte,
als es sich in seinem Celler Garten um Gewinnung
immer neuer und immer schönerer Nelken- und Au-
rikelarten gehandelt hatte – diese Kunst der Kreu-
zung kam ihm jetzt trefflich zustatten. Was ihm in-
nerhalb der vegetabilischen Weit überraschend ge-
glückt war, glückte ihm innerhalb der animalischen
doppelt und dreifach. Er erschien wie auserwählt für
diesen wichtigen Zweig landwirtschaftlicher Tätig-
keit: physiologisches Wissen, angeborene feine In-
stinkte und eine glückliche Hand – alles vereinigte
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sich bei ihm, um zu den überraschendsten Resulta-
ten zu führen.
Nicht gleich in den ersten Jahren seines Mögliner
Aufenthalts, vielmehr erst 1811 bis 1813, nachdem
Koppe als Gehülfe und Wirtschaftsführer bei ihm ein-
getreten war, hatte Thaer eine Schäferei – wozu er
Merinoschafe aus Sachsen erhielt – einzurichten be-
gonnen. Es ging auch nicht von Anfang an alles vor-
trefflich, aber schon 1815 und 1816 wurde seine
Wolle auf dem Berliner Wollmarkt für die beste er-
klärt. 1817 schrieb er an seine Frau: »Für mich ist
der diesmalige Wollmarkt zwar nicht der pekuniär
beste, aber der gloriöseste, den ich erlebt habe. Mei-
ne Wolle ist zwanzig Prozent geringer verkauft als im
vorigen Jahre, aber um zwanzig Prozent höher , als irgendeine Wolle hier und in ganz Deutschland verkauft ist und werden wird. Unter allen Wollhändlern
und allen Wollproduzenten ist es ganz entschieden
angenommen, daß meiner Wolle keine in ganz Euro-
pa nahekomme , viel weniger ihr an die Seite zu setzen sei. Dies ist so das Tagesgespräch geworden und
so über das Gemeine hinweggehoben, daß ich auch
keine Spur des Neides bemerke. Jeder erkennt es
an, daß ich das Außerordentliche errungen, worauf
kein anderer Anspruch machen kann. ›Solche Wolle‹,
sagt man, ›kann man erzeugen, denn Möglin hat sie erzeugt.‹ Wenn ich auf den Markt komme, so steht
alles mit dem Hut in der Hand. Ich heiße bereits der
Wollmarktskönig!«
Thaer erzielte dies alles durch sein Kreuzungsprinzip und die geschickte, scharfsinnige Handhabung des-1026
selben. Jedem wäre es freilich nicht geglückt. Einem
sehr erfahrenen Wollhändler sagte er: »Zeigen Sie
mir nur irgendein Vlies, wie Sie es zu haben wün-
schen, und ich werde Ihnen in der dritten oder vier-
ten Generation einen Stamm herstellen, der nur sol-
che Vliese liefert.« Man hielt dies für Übertreibung, überzeugte sich aber bald, daß er nicht zuviel gesagt
hatte. Es glückte ihm mit der Woll produktion wie dem berühmten englischen Viehzüchter Backwell mit
der Fleisch produktion, der Schafe herstellte, die vor Beleibtheit auf ihren kurzen Beinen kaum gehen
konnten, so daß er sich veranlaßt sah, allmählich
wieder Schafe mit längeren Beinen zu machen. Man
sagte von ihm: »es sei, als ob er sich ein Schaf nach
seinem Ideale schnitzen und demselben dann
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