Wanderungen durch die Mark Brandenburg
war
folgendes:
die größte Masse zur tierischen Nahrung geeigneter
Pflanzen auf einer bestimmten Fläche Landes zu ge-
winnen.
Das zweite, nicht minder wichtige Problem bestand
darin:
die verschiedenen Frucht kräfte jedes Bodens für die verschiedenen, dieser Fruchtkräfte bedürftigen
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Frucht arten soviel als möglich und in einer der Rege-neration des Absorbierten günstigen Wechselfolge zu benutzen. Also die Brache entbehrlich zu machen.
Die Lösung des ersten Problems fand er im Anbau
der Futtergewächse , ganz besonders der Kartoffel, die Lösung des zweiten Problems in der seitdem
siegreich durchgedrungenen »Lehre von der Frucht-
folge«.
Für die Kartoffel trat er überall in die Schranken und widerlegte alte Vorurteile. Er wies darauf hin, daß die Irländer die stärksten und ältesten Kartoffelesser und zugleich, unter allen europäischen Racen, vielleicht die gesundeste, kräftigste und schönste seien;
und dem Grafen Podewils, der ihn auf diesem Gebie-
te freundlich bekämpfte, antwortete er in späteren
Jahren: »Der Herr Graf ist mein sehr verehrter
Freund, aber der Kartoffelbau ist mein Kind.«
Seine Lehre von der »Fruchtfolge« stieß anfangs auf
vielen Widerspruch, und da er seine eigenen Felder
danach bestellte, prophezeite man ihm, daß seine
Äcker nach vier Jahren völlig ausgezogen sein wür-
den. Thaer ließ sich das nicht anfechten. Schon
Friedrich der Große hatte sich seinerzeit für ein rati-
onelles, aber konstantes Tragen der Felder ausgesprochen und den Widerspruch mit den Worten zu-
rückgewiesen: »Seh Er doch nur sein Gartenbeet an,
wie das alljährlich trägt.« Thaer war gewillt, die treffende Bemerkung des Königs sich selber gesagt sein
zu lassen. Er überzeugte sich alsbald, daß der Acker
nicht dadurch ausgezogen wird, daß man ihn alljähr-
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lich tragen läßt, sondern dadurch, daß man ihn nicht das tragen läßt, was er zur Wiederherstellung seiner Kräfte bedarf. Es führte das später zu dem Axiom,
daß den Acker, wie den Menschen, nichts so sehr
entnerve und aussauge als das Nichtstun , das Nicht-tragen . Aber auf das richtige , das ihm passende Tragen kommt es an.
Das System des Fruchtwechsels , das, um es zu wiederholen, die Brache entbehrlich machte, trat nunmehr siegreich ins Leben, wiewohl zunächst nur
mangelhaft und weitab von dem Grade von Voll-
kommenheit, dem es später entgegenging. Thaer
überzeugte sich alsbald, daß es mit dem bloßen
Saat - und Fruchtwechsel an und für sich nicht getan sei, daß vielmehr eine genaue Kenntnis des Bodens
vorausgehen müsse, um die für eine bestimmte Ört-
lichkeit jedesmal vorteilhafteste Produktion von
vornherein feststellen zu können. Wenn mancher
Landwirt immerfort klagte, »daß sein Lein fast all-
jährlich mißrate«, so lachte Thaer, daß der Betref-
fende, ohne alle Not, unverbesserlich darauf aus sei,
seinen Lein selber bauen zu wollen, und setzte hin-
zu: »Ein Landwirt, der alles baut, was er braucht, ist ein Schneider, der sich seine Schuhe selber macht.«
Thaer verlangte von jedem Boden etwas, aber er
verlangte nicht alles von allem. Wo kein Lein wach-
sen wollte, da gab er es auf, einen kümmerlichen
Ertrag desselben zu erzwingen, und den Boden ge-
nau untersuchend, der eine Leinernte verweigerte,
stellte er nunmehr fest: auf einem Boden von der
und der Beschaffenheit hat sich der Fruchtwechsel in
dem und dem Kreise zu drehen, unter Ausschluß von
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Lein . Glücklicherweise begann eben damals die Wissenschaft, welche ganz besonders zur Bodenkenntnis
hinführt, die Chemie , sich zu jener Stufe hoher Ausbildung zu erheben, auf der wir sie jetzt erblicken.
Thaer widmete ihr die größte Aufmerksamkeit, und
die chemische Zusammensetzung der verschiedens-
ten Bodenarten mit ihrer speziellen Tragfähigkeit
oder Unfähigkeit vergleichend, glückte es ihm, seine
speziellen Erfahrungen zu allgemeinen Gesetzen zu
erheben. Die Frucht aller dieser seiner Anstrengun-
gen war, daß er auch seine schlechtesten Felder
nutzbar zu machen wußte und jeden Boden, nach
Verhältnis seiner Güte und seines Wertes, bei kluger
Bewirtschaftung für einträglich erklärte.
In einzelnen Kreisen, wenn auch nicht gerade in
nächster Nähe von Celle, begann die kleine Thaer-
sche Wirtschaft Aufmerksamkeit zu erregen, Besu-
cher kamen, Briefe wurden ausgetauscht, Anregun-
gen gegeben und empfangen. Es ist aber trotz alle-
dem mindestens zweifelhaft,
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