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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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das
    Leben geben könne«. Dies paßte auf Thaer so gut
    wie auf Backwell.
    Es konnte nicht ausbleiben, daß das Thaersche Züch-
    tungsverfahren, das geniale Operieren mit der Natur,
    auch Gegner fand. Diese warfen ihm vor, daß er, bei
    seiner Art und Weise der Züchtung, die Natur
    schließlich dahin zwinge, wohin sie nicht wolle, und
    daß er sie dadurch schwächen und ermüden werde.
    Denn die Kunst, wie groß auch, werde nie die natür-
    lichen Anlagen ersetzen können. Er rechtfertigte sich
    mit Shakespeares tiefgeschöpfter Lehre (»Winter-
    märchen« IV, 3):
    Doch wird Natur durch keine Art gebessert,
    Schafft nicht Natur die Art. So, ob der Kunst,
    Die, wie du sagst, Natur bestreitet , gibt es

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    Noch eine Kunst, von der Natur erschaffen .
    Du siehst, mein holdes Kind, wie wir vermählen
    Den edlern Sproß dem allerwildsten Stamm;
    Befruchten so die Rinde schlechtrer Art
    Durch Knospen edler Frucht: Dies ist 'ne Kunst,
    Die die Natur verbessert , mindstens ändert : Doch diese Kunst ist selbst Natur .
    Thaer erfuhr Angriffe, aber sie waren vereinzelt, und
    speziell auf dem Gebiete der Schafzucht ward er
    mehr und mehr eine europäische Autorität. Bei Er-
    richtung (1816) der beiden auf Rechnung des Staa-
    tes gegründeten Stammschäfereien zu Frankenfelde
    in der Mark und zu Panten in Schlesien wurde Thaer
    zum Generalintendanten derselben ernannt,
    und 1823, als auf seine Veranlassung in Leipzig der
    erste »Wollzüchterkonvent« zusammentraf, huldigte
    man ihm nicht nur als dem Präsidenten, sondern
    speziell auch als dem Meister der Versammlung.
    Aber der Weg zu diesen Erfolgen war ein weiter und
    mühevoller. Unter den denkbar ungünstigsten Ver-
    hältnissen waren ihm die ersten Jahre seiner Mögli-
    ner Wirtschaftsführung vergangen. Zu den Sorgen
    und Fehlschlägen, die, namentlich nach dem un-
    glücklichen Kriege von 1806, alle damaligen Grundbesitzer trafen, gesellten sich für ihn noch ganz be-
    sondere Schwierigkeiten: sein relatives Fremdsein in
    der neuen Heimat und – das »Institut«.
    Die Herstellung einer landwirtschaftlichen Lehranstalt
    war, wie bereits erwähnt, bei Thaers Übersiedelung

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    nach Möglin allerdings in Erwägung gezogen, aber
    von seiten der preußischen Regierung mehr als ein
    Anspruch, den Thaer erheben könne, wie als eine
    Pflicht, die er zu erfüllen habe, angesehen worden.
    Thaer ging indes sofort an die Errichtung eines »In-
    stituts«, ähnlich dem, das er in Celle geleitet hatte.
    Und in der Tat, alles ließ sich vielversprechend an.
    Schon im Jahre 1805 traf er Vorbereitungen zum Bau
    eines Instituthauses; da es jedoch an den erforderli-
    chen Mitteln gebrach, so machte er den Plan, den
    Bau auf Aktien zu unternehmen. Von allen Seiten kamen Zuschriften; schon im Juli 1806 konnte er
    bekanntmachen, daß die Unterzeichnung nunmehr
    geschlossen sei. Ziemlich um dieselbe Zeit berichtete
    Thaer dem König, »daß die Eröffnung des Mögliner
    Instituts in der Mitte Oktober erfolgen werde«. Und
    wirklich, das Wohnhaus mit vierundzwanzig Zim-
    mern, außer dem Souterrain, stand fertig da; ein-
    undzwanzig junge Leute hatten sich zum Eintritt ge-
    meldet; alles versprach einen glänzenden Anfang.

    1. Dies Werk »Einleitung zur Kenntnis der engli-
    schen Landwirtschaft« ist allerdings teilweis
    eine Kompilation , aber es ist keine Übersetzung . Thaers Arbeit ist aus der gründlichen
    Kenntnis und Benutzung von mehr als hun-
    dert englischen Werken hervorgegangen. Die
    englische landwirtschaftliche Literatur lieferte
    ihm das Material, eine Fülle von Details; das
    Zusammenfassen, Ordnen, Aufbauen, das

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    Licht-Hineintragen in das Chaos, ist Thaers
    Verdienst.

    Aber die Mitte des Oktober 1806 brachte andere Er-
    eignisse; der siegreiche Feind überschwemmte die
    Marken, und statt der angemeldeten einundzwanzig
    jungen Leute kamen drei . Im Frühjahr 1807 waren es acht. Die Zahl wuchs später, da aber, bei der völligen Zerrüttetheit aller Geldverhältnisse, viele Söhne sonst wohlhabender Eltern mit ihren Pensionen im
    Rückstand blieben, andere, die Aktien genommen
    hatten, ihre Aktienbeiträge nicht zahlen konnten, so
    entstanden, ohne daß von irgendwelchen Seite her
    eine Verschuldung vorgelegen hätte, die schwersten
    Verlegenheiten für Thaer, der, dem guten Sterne
    Preußens vertrauend, in freilich schon bedrohter
    Zeit, dies Institut ins Leben gerufen hatte. Sechs
    Jahre später, während des Befreiungskrieges, wie-
    derholten sich diese

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