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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ob Thaer jemals aus
    seinem engsten Kreise herausgetreten und epoche-
    machend für die Landwirtschaft geworden wäre,
    wenn sich nicht zu seiner praktischen Tätigkeit eine
    emsige Beschäftigung mit den Büchern und, als letz-
    te Frucht praktischer Erfahrung und wissenschaftli-
    chen Studiums, ein literarisches Auftreten geselle hätte.
    Die deutsche landwirtschaftliche Literatur, die er in
    all ihren Erscheinungen kannte, hatte ihn im einzel-

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    nen angeregt und belehrt, im ganzen aber unbefriedigt gelassen. Dasselbe galt von den englischen
    landwirtschaftlichen Schriften, soweit er dieselben
    aus Übersetzungen kennengelernt hatte. Er schloß sich dem Spott derer an, die damals von einer »Anglomanie« zu sprechen begannen, und war – etwa
    gegen Anfang der Achtziger Jahre – der festen Über-
    zeugung, daß auch aus England nichts zu holen sei
    und daß die deutsche Landwirtschaft sich selber hel-
    fen müsse.
    Genau um diese Zeit war es, als ein Ohngefähr ihm
    einige landwirtschaftliche Schriften im englischen
    Original zuführte. Wie war er freudig überrascht, darin die genauesten Beobachtungen, die sorgfältigsten Versuche, die lichtvollsten Verhandlungen und
    Forschungen zu finden! Das war ja genau, was ihm
    als Ziel einer rationellen Landwirtschaft vorge-
    schwebt hatte. Alles, wonach sein Streben ging – die
    Engländer hatten es bereits . Seitdem studierte Thaer die englische Landwirtschaft mit solcher Aufmerksamkeit, daß die Engländer selbst ihm zugestanden:
    er kenne ihr Land, wie wenn er es jahrelang durch-
    reist habe.
    Die Frucht dieser ernsten und anhaltenden Studien
    war sein berühmtes Werk, dessen erster Teil 1798
    unter dem Titel erschien: » Einleitung zur Kenntnis
    der englischen Landwirtschaft und ihrer neueren praktischen und theoretischen Fortschritte, in Rücksicht auf Vervollkommnung deutscher Landwirtschaft
    für denkende Landwirte und Kameralisten«.1) Der
    zweite Band folgte 1800 und 1801, der dritte 1019
    Band 1804. In derselben Zeit, von 1799 bis 1804,
    erschienen die » Annalen der niedersächsischen
    Landwirtschaft «. Sechs Jahrgänge.
    Das Aufsehen, das diese Bücher und Schriften mach-
    ten, war ein ganz außerordentliches. Man begreift
    diesen Erfolg nur, wenn man im Auge behält, daß
    sich ganz Deutschland eben damals nach einem bes-
    seren Ackerbausystem sehnte. »Wie ein leitendes
    Gestirn erschienen diese Werke am Horizont, freudig
    begrüßt von der landwirtschaftlichen Welt.« Nicht
    nur in Schriften, sondern auch in den Salons der Re-
    sidenzen und in den Wein- und Bierstuben der
    Marktstädte wurde mit Enthusiasmus dafür, mit Wut
    dagegen gestritten, oft von beiden Seiten gleich un-
    verständig. Seine eigenen Erfolge, die von Jahr zu
    Jahr wuchsen, unterstützten sein Ansehn, so daß
    ihm ein großer hannöverscher Grundbesitzer schrieb:
    »Wenn ich diesen Abend einen Brief von Ihnen erhal-
    te, daß ich meine Gebäude anstecken soll, so stehen
    sie vor Nacht schon in Flammen.« Alles verlangte
    seinen Rat, erbat seine oberste Leitung, so daß dem-
    selben Manne (dazu noch immer »Leibmedikus«),
    dessen eigenes Gutsareal sich auf kaum 130 Morgen
    belief, 100 000 Morgen des verschiedensten Bodens
    derart zur Verfügung standen, daß er, in Ansehung
    der Bewirtschaftung , damit schalten und walten
    konnte wie mit seinem Eigentum. Sein Buch aber
    gewährte ihm vor allem die Befriedigung: »das
    Nachdenken besserer Köpfe über Landwirtschaft ge-
    weckt und zu energischerer Tätigkeit angespornt zu
    haben«.

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    Im Jahre 1802 traten auch die Anfänge seiner
    » landwirtschaftlichen Akademie « ins Leben. Diese Akademie erwuchs organisch zwangslos; sie machte
    sich von selbst und ging mehr aus einem glücklichen
    Ohngefähr als aus einem festen Entschluß hervor,
    wiewohl Thaer in seinen Schriften bereits auf das
    Wünschenswerte eines landwirtschaftlichen Lehrinsti-
    tuts hingewiesen und seine Ideen darüber geäußert
    hatte. Im genannten Jahre kamen mehrere junge
    Männer, darunter der später durch sein Buch »Der
    isolierte Staat« so berühmt gewordene Herr von
    Thünen, nach Celle, um an Ort und Stelle die Metho-
    de und die Erfolge der Thaerschen Bestellungsart
    kennenzulernen. Sie blieben den ganzen Sommer
    über. Um diese jungen Leute nicht unbeschäftigt zu
    lassen, entschloß sich Thaer, ihnen Vorlesungen über
    Landwirtschaft zu halten und einigen Unterricht in
    der Naturkunde, Chemie und Botanik hinzuzufügen.
    Der Fleiß und Eifer, womit

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