Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ein
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Hautrelief zu einer vollen, plastischen Figur verhält,
steckt zu größerem Teil in der Kirchenwand drin und
bildet eigentlich bloß eine Mausoleums front .
Das Innere der Kirche – an den Berliner Dom erin-
nernd und in der Tat um dieselbe Zeit aufge-
führt (1817), in der Schinkel die Restaurierung des
Domes leitete – ist hell, geräumig, lichtvoll, ein we-
nig nüchtern. Das Ganze mehr ein Betsaal als ein
Kirchenschiff. Eigentümlich ist der Altar. Hinter dem-
selben, die Kirche chorartig schließend, erhebt sich
eine hohe Nischenwand, deren halbkreisförmige Flä-
che durch gemalte Säulen in fünf Felder geteilt wird.
Aus dem Mittelfelde springt die Kanzel hervor, nach
rechts und links hin von je zwei Feldern frankiert. In
diesen befinden sich die Kolossalfiguren der vier E-
vangelisten, und zwar Johannes und Lukas zur Lin-
ken, Matthäus und Markus zur Rechten der Kanzel.
Die Bilder sind von ungleichem Wert: Matthäus, Jo-
hannes, Lukas lassen viel zu wünschen übrig; der
Markus aber ist im ganzen genommen vorzüglich.
Sie rühren von einem gewissen Bertini her, den der
Staatskanzler – bekanntlich ein Mäzen der schönen
Künste – nach Italien schickte, um diese Bilder nach
den Vorbildern großer Meister zu fertigen. Trotz ihrer
Mängel bilden alle vier einen Bilderschmuck, wie er
derart in märkischen Dorfkirchen schwerlich zum zweiten Male gefunden wird.
Der Altar der Kirche weist noch eine andere Sehens-
würdigkeit auf: das Herz des Fürsten-Staatskanzlers.
Auf einem Kissen ruht es, von einer Glasglocke um-
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schlossen. Der Schrein aber, der das Ganze birgt,
trägt an seiner Außenseite folgende Strophe:
Des Fürsten Herz , das liebend treu geschlagen
Für seinen König und fürs Vaterland,
Das – in den schweren, blut'gen Kampfestagen,
Wo vielen auch die letzte Hoffnung schwand –,
Durch Mut und Weisheit stark, in kühnem Wagen
Des Vaterlandes Ruhm und Rettung fand
Und, nach vollbrachtem Werk, gebaut dem heil'gen
Worte
Des Herrn den Tempel hier – das ruht an diesem Orte.
Diese Strophe, die dem Andenken des Fürsten eine
maßvolle und wohlverdiente Huldigung darbringt,
böte eine schickliche Gelegenheit, wenigstens den
Versuch einer Charakteristik zu wagen. Ich nehme
aber Abstand davon. Was ich sagen könnte, ist oft
gesagt; Neues, Schärferes, Zutreffenderes kann nur
von denen erbracht werden, die im Vollbesitz des
Materiales sind. Eine solche Charakteristik des Fürs-
ten gehört der Zukunft an. Eines aber möge schon
heute hier seinen Ausdruck finden, die Überzeugung,
daß Hardenberg ein auserwählter Mann war, dem,
nach dem Willen Gottes, die Aufgabe zufiel, die Ret-
tung unseres Vaterlandes glücklich durchzuführen.
Selbst seine Schwächen leisteten dieser Aufgabe
Vorschub . Ein bloßer sans peur et sans reproche –
etwa wie Stein oder Marwitz, zu denen wir freilich
freudiger und gehobener aufblicken – hätte es mut-
maßlich nicht vermocht. Der Fürst war kein sans re-1069
proche, seine Fehler liegen klar zutage, und man
braucht, wie einer seiner Biographen sich ausdrückt,
»kein moralischer Herschel zu sein, um diese Fehler
mühlos zu entdecken«. Aber diese Mischung von
Edlem und minder Edlem, von Schlauheit und Offen-
heit, von Nachgiebigkeit und Festigkeit, war genau
das , was die Situation erheischte. Eigensinn und Prinzipienreiterei hätten uns verdorben. Sein Leben,
Vorbild oder nicht, hat uns gerettet. Wie er selber in
Bescheidenheit hinzusetzen würde: »durch die Gna-
de Gottes «.
1. Es war dies eine Fülle von Dingen. Vieles,
namentlich Bilder und Stiche, hatte er in frü-
heren Jahren in England gekauft andres rühr-
te aus der Zeit seiner Ansbach-Bayreuther
Verwaltung her. Es ist bekannt, mit welchem
Eifer er die Archive jener Landesteile durch-
forschen ließ; von allem nahm er Abschrift.
Eins der wichtigsten Resultate dieser Untersu-
chungen war die Auffindung der »Memoiren
der Markgräfin von Bayreuth«. Ein feiner, lite-
rarisch-ästhetischer Sinn, ein Sinn für das
Sammeln historischer Erinnerungsstücke oder
auch bloßer Kuriositäten, begleitete ihn
durchs Leben. In sehr charakteristischer Wei-
se zeigte sich dies im Jahre 1786, unmittelbar
nach dem Tode Friedrichs des Großen, als er
das in Braunschweig deponierte Testament
des Königs nach Berlin brachte und sich als
Belohnung lediglich eines der Windspiele des
1070
großen Königs erbat.
2. Davoust
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