Wanderungen durch die Mark Brandenburg
denn in Kunersdorf und nicht in
Friedland? « Jetzt war der Moment der Erklärung gekommen. Lestwitz antwortete, daß er keine Söhne
und nur eine Tochter habe und davon ausgegangen
sei, daß Friedland nach seinem (Lestwitz') Tode an
den König zurückfallen werde. »Ich weiß ja, daß Er
keine Söhne hat«, antwortete der König gnädig, » es
soll alles Seiner Tochter verbleiben .«
So kamen Kunersdorf und Friedland an die Familie
Lestwitz, Friedland als freier Besitz aus Königs Hand,
Kunersdorf durch Kauf. Friedland, das einst eine
glänzende Zeit gehabt hatte, verlor mehr und mehr.
Nur Kirchdorf blieb es. In Schloß Kunersdorf aber
lebten die Lestwitze und nach ihnen die Itzenplitze,
1089
von denen beiden ich in nachstehendem zu erzählen
haben werde.
* [Heute werden beide Namen mit K geschrieben;
Fontane schrieb noch Cunersdorf ]
1. In Kunersdorf war zwar, noch aus der Barfus-
Zeit her, ein Herrenhaus, aber weder geräu-
mig genug noch standesgemäß in seiner Ein-
richtung. Dies alte Barfussche Herrenhaus e-
xistiert noch (es steht dem Schloß gegen-
über) und veranschaulicht sehr gut, wie der
Adel vor 200 Jahren lebte.
Hans Georg Sigismund von
Lestwitz
1763–1788
Lestwitz, ebenso wie Prittwitz, gehört in die Reihe
derjenigen Offiziere des großen Königs, denen es bei
verhältnismäßig jungen Jahren vergönnt war, durch
irgendeine glänzende Kriegstat in die Geschichte ein-
zutreten, denen wir aber während der letzten dreißig
Jahre ihres Lebens kaum wieder begegnen, weil ih-
nen der andauernde Friede jede Gelegenheit zu his-
torisch aufzeichnenswerten Taten versagte. Ich gebe
1090
hier alles, was ich über Lestwitz habe in Erfahrung
bringen können.
Hans Sigismund von Lestwitz wurde am
19. Juni 1718 zu Kontopp im Glogauschen geboren.
Sein Vater war der spätere Generallieutenant Johann
George von Lestwitz, seine Mutter Helene geborne
Freiin von Kottwitz. Die Lestwitze, die im Mannes-
stamme mit unserm Hans Sigismund ausstarben,
gehörten den fünf alten schlesischen Familien an:
Rothkirch, Lestwitz, Prittwitz, Strachwitz, Zedlitz, die schon bei Liegnitz in der Mongolenschlacht gefochten
hatten. Hans Sigismund machte seine Studien auf
der Universität zu Frankfurt a. d. O. und trat 1734
als Fahnjunker in das daselbst garnisonierende
Schwerinsche Regiment. Er machte die beiden Schle-
sischen Kriege mit, focht bei Mollwitz, Chotusitz, Ho-
henfriedberg und Soor mit Auszeichnung und erhielt
gleich in der ersten Schlacht des Siebenjährigen
Krieges (bei Lobositz) den Pour le mérite. 1757 ward
er Major im Regiment Alt-Braunschweig. Er war noch
Major in ebendiesem Regiment, als die blutige
Schlacht bei Torgau, am 3. November 1760, ihm
Gelegenheit gab, sich in besonderem Grade auszu-
zeichnen. Eine vortreffliche, von Graf Waldersee her-
rührende Schilderung der »Schlacht bei Torgau« sagt
darüber im wesentlichen folgendes:
»Der Hügel des Königs war geschlagen; nur vier Ba-
taillone vom Regiment Schenkendorf standen noch in
Reserve; unter ihrem Schutze sollte sich die Armee
wieder sammeln. Der König fühlte sich durch eine
starke Kontusion (eine Kartätschenkugel hatte ihn
1091
besinnungslos vom Pferde geworfen) so ermattet,
daß er sich nicht mehr fähig hielt, das Kommando
der Armee fortzuführen. Er trat es also – auch Mark-
graf Karl war blessiert – an den Generallieutenant
von Hülsen ab. Er selbst zog sich aus dem Getümmel
zurück.
Um diese Zeit war es, daß einzelne Offiziere die
Mannschaften wieder zu sammeln suchten. Beson-
ders zeichnete sich der Major von Lestwitz vom Re-
giment Alt-Braunschweig dabei aus. Es war ihm be-
reits gelungen, einige hundert Infanteristen von ver-
schiedenen Regimentern und eine Anzahl Tambours
in eine Masse zu formieren, als der König in der Ab-
sicht, das Schlachtfeld zu verlassen, vorüberritt.
›Wer ist Er, und was will Er hier machen?‹ fragte der
König.
›Ew. Majestät, ich bin der Major Lestwitz von Alt-
Braunschweig und sammle Offiziere und Leute, um
mit ihnen die Höhen zu stürmen.‹
›Na, Herr, das ist brav, sehr brav. Da mach Er nur
geschwind und formier Er einige Bataillone.‹
Beim Fortreiten wandte der König sein Pferd noch
einmal um und sagte: ›Hör Er, mein lieber Lestwitz,
sei Er versichert, daß ich Ihm dies nie vergessen
werde .‹
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Der König mochte sich erinnern, daß der Major von
Lestwitz der Sohn des Generallieutenants
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