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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ferdinand wird immer
    jene Zeit hoher Vorzüge und glänzender Verirrungen
    wie auf einen Schlag charakterisieren. Alexander von
    der Marwitz war ihm ähnlich. Der Unterschied zwi-
    schen beiden war nur der, daß die Genußsucht des
    Prinzen seinen Charakter schließlich beeinflußte und
    schädigte, während Marwitz, in wunderbarer Weise,
    eine getrennte Wirtschaft, eine doppelte Ökonomie
    zu führen verstand. Das Bedürfnis geistiger Nahrung
    war allerdings so groß in ihm, daß er, wie sein älte-
    rer Bruder von ihm erzählt, ohne geistige Gesell-
    schaft nicht leben konnte und selbst zum Studieren
    und Arbeiten durch entsprechenden Umgang ange-
    regt werden mußte. Er schreckte dabei vor »alten

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    Schläuchen« nicht zurück, wenn es nur eben ein al-
    ter, feuriger Wein war, den sie boten. Aber alles dies
    blieb bei ihm lediglich Sache der Zerstreuung, des
    Studiums, des Kennenlernenwollens. Die geistigen
    Anregungen, sobald sie eines gesunden Kernes ent-
    behrten, waren ihm wie der Genuß eines berau-
    schenden Getränkes, aber auch nicht mehr. Sie ge-
    wannen nicht Einfluß auf seine Überzeugungen, am
    allerwenigsten auf seine Haltung und Führung. Das
    Gemeine blieb machtlos über ihn, und so ging er
    durchs Leben wie gefeit durch den Adel seiner Ge-
    sinnung.
    Zu diesen Bemerkungen, die darauf aus sind, die
    Gesamterscheinung Alexanders von der Marwitz ins
    Auge zu fassen, glaubte ich gleich anfangs schreiten
    zu dürfen, und der Name Johann von Müllers bot die
    beste Gelegenheit dazu. Ebendieser war die vollen-
    dete Vereinigung von geistiger Kraft und Charakter-
    schwäche, von hohem Erkennen und niederem Han-
    deln. Marwitz übersah in Milde, was ihm nicht paßte,
    und bewunderte, was ihm der Bewunderung wert
    erschien. Auch die Antipathien des älteren Bruders,
    wie bereits hervorgehoben, störten ihn hierin nicht.
    Um Ostern 1804 verließ er das Graue Kloster und
    bezog die Universität Frankfurt, um daselbst die
    Rechte zu studieren. In dem bereits zitierten Schul-
    programm des genannten Jahres heißt es: »Alexan-
    der von der Marwitz bildete bei uns seine glücklichen
    Naturanlagen mit rühmlichem Fleiße aus und emp-
    fahl sich durch ein feines und anspruchloses Betra-
    gen. Er hat in den meisten Fächern des Unterrichts,

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    besonders in der alten Literatur, glückliche und aus-
    gezeichnete Fortschritte gemacht.« Er blieb nur ein
    Jahr in Frankfurt, dessen Stern sich damals bereits
    im Niedergange befand. Halle lockte ihn, und in Halle
    vor allem der Name Wolfs. Johann von Müller schrieb
    an den letzteren: »Diesen Gruß bringt Ihnen Alexan-
    der von der Marwitz. Ich brauche ihn nicht zu emp-
    fehlen, weil Sie selbst bald sehen werden, wieviel in
    ihm ist.«
    Mit immer wachsendem Eifer ging er hier an das
    Studium der Alten; daneben beschäftigten ihn Ge-
    schichte und Philosophie, und wie er zwei Jahre zu-
    vor unter den Schülern des Grauen Klosters der ton-
    angebende gewesen war, so arbeitete er sich auch
    hier zu gleichem Ansehen durch. Die Kommilitonen
    weder meidend noch suchend, immer er selbst, ernst
    ohne Hochmut, freundlich ohne Vertraulichkeit, so
    beherrschte er sie, gleich angesehen an Wissen wie
    an Charakter. Diese Herrschaft war das natürliche
    und deshalb unvermeidliche Resultat seiner Überle-
    genheit; dennoch beklagte sein älterer Bruder in
    späteren Jahren diese frühen und unbedingten Erfol-
    ge, die zuletzt ein Hochgefühl des eigenen Wertes
    großzogen, das schwindlig machte.
    In Halle war Marwitz anderthalb Jahre. Kurz vor der
    Jenaer Schlacht verließ er die Universität und begab
    sich nach Friedersdorf, um in Abwesenheit des älte-
    ren Bruders, der, wie wir wissen, als Adjutant des
    Prinzen Hohenlohe wieder in die Armee getreten war,
    die Verwaltung des Guts zu übernehmen. Mit der
    Kraft und raschen Umsicht, die ihm überall, damals

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    wie später, zu Gebote stand, auch wo es die prakti-
    sche Seite des Lebens galt, griff er in die Wirtschaftsführung ein, und ohne jemals vorher sich um
    landwirtschaftliche Dinge im geringsten gekümmert
    zu haben, übersah er die Verhältnisse sofort und
    setzte später den heimkehrenden Bruder durch die
    Ordnung, die dieser vorfand, in Erstaunen. Seine
    Wirtschaftsführung während eines vollen Jahres war
    eine musterhafte gewesen, nur sein überaus reizba-
    res Temperament hatte im Winter 1806 auf 1807 die
    Verwaltung des Guts und, mehr denn das, sein eige-
    nes Leben in Gefahr gebracht. Wir lernen hier

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