Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Preußen hinzu-
weisen.
Er trieb diese Studien mit einem solchen Ernst und
verfügte neben dem klarblickenden Geiste, den ihm
die Natur gegeben, über ein so umfangreiches Wis-
sen auf diesem schwierigen und bis dahin wenig kul-
tivierten Gebiete, daß ihm, dem zweiundzwanzigjäh-
rigen Jünglinge, von Niebuhr – der nicht leicht in
Verdacht kommen wird, aus Leichtsinn oder Überei-
lung gehandelt zu haben – im April 1809 ein Staats-
ratsposten angetragen wurde.1) Die Sache war noch
nicht entschieden, als der Schillsche Zug dazwi-
schentrat und die Unterhandlungen zerschlug. Mar-
witz schloß sich dem Zuge an, und wiewohl er weni-
ge Wochen später nach Berlin zurückkehrte, weil er
das Kopflose des ganzen Unternehmens erkannt hat-
te, so wurden doch die einmal abgebrochenen Un-
terhandlungen nicht wieder aufgenommen.
Beinah unmittelbar nach seiner Rückkehr vom Schill-
schen Zuge machte Marwitz die Bekanntschaft der
Rahel Levin. Er war dem Prinzen Louis Ferdinand an
ritterlichem Sinn, an Schönheit der Erscheinung, an
1222
künstlerischem Bedürfnis und vor allem auch in je-
nem Selbstgefühl verwandt, das neben anderen Vor-
urteilen auch das des Standes überwunden hatte,
und so ergab sich diese Bekanntschaft mit einer Art
von Folgerichtigkeit. Wie diese Bekanntschaft ihm
selber zu hoher Befriedigung gereichte und ihm in
schweren Tagen eine Stütze, in dunkeln Tagen ein
Sonnenstrahl war, so haben auch wir uns dieses
Freundschaftsverhältnisses zu freuen, weil wir dem
Briefwechsel, der sich zwischen beiden entspann, das
beste Teil alles dessen verdanken, was wir über den
Charakter und selbst über die äußern Lebensschick-
sale Alexanders von der Marwitz wissen.
Ihre Bekanntschaft begann im Mai 1809, und noch
vor Ablauf desselben Monats trennten sich die
schnell Befreundeten wieder, um erst nach länger als
Jahresfrist die alten Beziehungen abermals anzu-
knüpfen. Ein gegenseitiges Verständnis scheint sich
fast augenblicklich zwischen ihnen gebildet zu haben.
Schon am 13. Juli 1809 konnte Rahel schreiben:
»Ich ging in den Park hinunter, schön waren Wiesen
und Feld. Tausenderlei sah ich um mich her, und
alles hätte ich Marwitz gern gezeigt; er war der letzte, den ich sah, der so etwas verstand .« Und um dieselbe Zeit schrieb sie an Fouqué: »Ich habe Marwitz nur vierzehn Tage gekannt, und mein ganzes
Herz liebt ihn; seine Existenz ist ein Trost für mich.
Sie wissen, er ist mit Varnhagen hin nach dem
Krieg.«
Marwitz war »nach dem Krieg«. Er war Ende Mai
nach Österreich gegangen, um an dem Kampfe ge-
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gen Napoleon teilzunehmen. Was ihn forttrieb, war
ein Mannigfaches; zunächst die Nachricht, daß sein
jüngerer Bruder Eberhard2), der seit 1808 in österrei-
chischen Diensten stand, in der Schlacht bei Aspern
schwer verwundet worden sei, dann aber sein Haß
gegen Napoleon und mit ihm die Überzeugung,
»daß« – um die Worte seines Bruders zu wiederholen
– »die Freiheit das allein Wertvolle sei und alles Wissen in einem Sklavenlande nicht gedeihen, nicht ech-te Frucht treiben könne «. Zudem war die Teilnahme am Kampf halb Ehrensache für ihn geworden. Er hatte Schill verlassen, weil er das Kopf- und Planlose
des Zuges sofort erkannt hatte, aber ebendadurch
gleichzeitig die stillschweigende Pflicht auf sich ge-
nommen, jedem Unternehmen seine Kräfte zu lei-
hen, das, mit ausreichenderen Mitteln begonnen,
irgendwelche Aussicht auf Erfolg bieten konnte. Ein
solches Unternehmen war der österreichische Krieg.
Marwitz trat in das berühmte Chevau-légers-
Regiment Graf Klenau ein, dasselbe Regiment, in
dem sein Bruder gedient hatte, und machte die letz-
ten Kämpfe des Krieges, die Schlachten bei Wagram
und Znaim, mit. Auch nach dem Friedensschlusse
blieb er bis zum Herbst 1810 in österreichischen
Diensten. Gleich die ersten Wochen nach dem Frie-
den wurden ihm schwer vergällt. Krank war er nach
Olmütz gekommen, wo er Quartier in einem Gastho-
fe nahm. Der Wirt, ein roher und heftiger Gesell,
erging sich – aus Motiven, die nicht klargeworden
sind, vermutlich aber ohne all und jede Veranlassung
– in heftigen Insulten gegen Marwitz und drang end-
lich auf diesen ein. Marwitz zog den Degen zu seiner
Verteidigung und stieß den Angreifer endlich nieder.
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Dieser Vorgang machte großes Aufsehen und auf
Marwitz' Gemüt einen tiefen und nachhaltigen Ein-
druck. Denn wiewohl er nur Notwehr gebraucht und
den
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