Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
hochwichti-
    ge Frage. Er suchte sie nicht als ein »Praktiker«,
    sondern von einem höheren Gesichtspunkt aus zu
    lösen. Nicht in allem hat er recht behalten. Die Sepa-
    ration, die Teilung der Gemeinheiten, ist erfolgt und
    dem Lande, wie sich kaum bestreiten läßt, zum Se-
    gen ausgeschlagen. Aber wenn auch die Gesamtheit
    seiner Aufstellungen seitdem widerlegt sein sollte,
    was nicht der Fall ist, so würden wir doch immer ei-
    ner Gesinnung zuzustimmen haben, die diese Fragen
    von einem idealen Standpunkt aus zu regeln trachte-
    te. Nicht als ein Richtiges, praktisch Unangreifbares
    habe ich seine Aussprüche zitiert, sondern nur um
    die hohe Art eines Charakters zu zeichnen, der es
    verschmähte, dem Tag und der Mode zu dienen. Sein
    Blick drang in Zeit und Raum über das Zunächstlie-
    gende hinaus.
    Unter solchen und ähnlichen Arbeiten, nur unterbro-
    chen, wenn ein Besuch ihn zu den Berliner Freunden
    hinüberführte, verfloß das Jahr 1812. Der November
    und die ersten Wochen des Dezember vergingen in
    wachsender Aufregung: die aus Rußland eintreffen-
    den Nachrichten meldeten den sich vorbereitenden

    1239
    Untergang des Napoleonischen Heeres. Wie ihn das
    erfaßte! Ein Hoffnungsstrahl dämmerte wieder. Die
    Studien, die Bücher waren ihm viel, aber der Krieg
    war ihm mehr, wenigstens ein solcher Krieg. »Alles Wissen war wertlos in einem Sklavenlande.« Krieg
    war gleichbedeutend mit Freiheit. Etwa am
    18. Dezember traf in Berlin die Nachricht vom Bere-
    sina-Übergang ein. Marwitz war wie elektrisiert. Es
    war ihm klar, daß Preußen sich auf der Stelle erhe-
    ben, die Reste der Großen Armee gefangennehmen
    und dadurch auf einen Schlag die Niederlage des
    Kaisers vollenden mußte. Die eigene Wiederherstel-
    lung ergab sich dann von selbst. Aber wie das ins
    Werk setzen? Er kannte zu gut die Halbheit, die Un-
    entschiedenheit, die in den höchsten Regierungskrei-
    sen maßgebend war. Wie war dieser Geist der
    Schwäche zu bannen? Er beschwor zunächst seinen
    älteren Bruder, alles alten Grolls uneingedenk zu sein
    und, wie schon erzählt, eine Audienz bei Hardenberg
    nachzusuchen. Aber die Politik des Abwartens war
    noch nicht zu Ende.
    Beide Brüder empfanden die Hardenbergschen Ver-
    tröstungen mit gleicher Bitterkeit; während aber der
    ältere nach Friedersdorf zurückkehrte, »auf Gott ver-
    trauend, daß er sein großes begonnenes Wunder
    auch vollführen werde«, brannte dem jüngeren der
    Boden unter den Füßen. Er konnte sich nicht länger
    zur Untätigkeit verdammt sehen, und wenn Harden-
    berg nicht konnte oder wollte, so wollte er . In den ersten Tagen des Januar eilte er nach Ostpreußen.
    Hier wirkte er mit, daß sich die Provinz für Rußland

    1240
    und den General Yorck erklärte und ihre Landwehr zu
    errichten begann.
    Als die ersten Reitercorps der Russen über die
    Weichsel gingen, schloß er sich dem Oberst Tetten-
    born an. Diesen suchte er, als man ins Neumärkische
    kam, zu kühnen Streifzügen gegen Frankfurt, Seelow
    und andere kleine Städte, in denen die Trümmer der
    französischen Armee Posto gefaßt hatten, zu veran-
    lassen; Tettenborn aber, der sehr eitel war und
    durch einen nichtssagenden Streifzug gegen Berlin
    von sich reden machen wollte, opferte wirkliche Vorteile seiner Eitelkeit auf. Marwitz, als er das Spiel
    durchschaute, ging nach Breslau, um seinen Eintritt
    in die preußische Armee zu betreiben. Hier aber ent-
    wickelte sich alles zu langsam, und bei der Unruhe,
    die ihn verzehrte, konnt er das Hingehaltenwerden,
    das Abwickeln großer Dinge nach der Nummer nicht
    länger ertragen. Er verließ Breslau wieder, gesellte
    sich abermals zu den Russen und wohnte dem Ge-
    fechte bei Lüneburg bei, das mit der Vernichtung des
    Morandschen Corps endigte. Darauf begab er sich zu
    Tschernyschew, wurde dem General Benkendorf at-
    tachiert und zeichnete sich bei Halberstadt und Leip-
    zig aus, bei welcher Gelegenheit er dem ganzen
    Corps sehr wesentliche Dienste leistete.
    Indessen, wie sich denken läßt, vermocht er den
    Gedanken nicht aufzugeben, diesen schönsten
    Kampf, der je gekämpft worden, auf preußischer
    Seite mitzukämpfen. Im Jahre 1809 hatte er im ös-
    terreichischen Heere gestanden, jetzt stand er in
    russischem Dienst, und war auch der Feind ein ge-

    1241
    meinsamer, so schmerzte es ihn doch, halb unter
    fremden Fahnen zu fechten. Er bat also abermals um
    Anstellung im Preußischen. Da man ihn aber nur bei
    der Infanterie verwenden zu können

Weitere Kostenlose Bücher