Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
der Gruft drei Salven, und
    der Stadtkommandant sowie vierzig französi-
    sche und mehrere verwundete österreichische

    1230
    Offiziere geleiteten ihn zu Grabe. Er ruht auf
    dem Kirchhofe zu Nikolsburg in Mähren, »hin-
    geopfert dem unsinnigen Befehle eines
    schwachköpfigen Untergenerals«, wie sein äl-
    tester Bruder in unerbittlicher Kritik schreibt.
    Ebendieser hat ihm auch auf dem Frieders-
    dorfer Kirchhof einen Denkstein errichtet.

    »Mit mir wird es besser. Zwar will mir das Herz noch
    zuweilen erkranken, aber ich gebiete ihm Ruhe. Wille
    und Tätigkeit bändigen es. Machen Sie sich meinet-
    wegen keinen Kummer. Untergehen kann ich, aber
    mir zum Ekel, andern zur Last leben, das kann ich
    nicht . Und das ist doch noch sehr glücklich. Ich habe in dieser Zeit zuweilen an den Selbstmord gedacht,
    aber immer ist er mir vorgekommen wie eine ver-
    suchte Roheit.«
    »Ich bin bis jetzt hier geblieben, teure Rahel, und hatte vor, noch einen Monat hier zu bleiben, weil,
    ungeachtet der Gespenster, die in meinem Innern
    herumwandeln, doch eigentlich der Körper durch
    Landluft gedeiht und ich jene durch Tätigkeit zu ver-
    scheuchen hoffte. Aber ich traue nicht mehr, denn
    gesunder bin ich zwar, aber nicht weniger reizbar.
    Ein einziger Moment kann mich dahin zurückwerfen,
    wo ich war, und was am Ende aus dem finstern Brü-
    ten werden kann, übersehe ich nicht. Nun sehe ich
    zwei Auswege. Der eine ist, mit Ihnen nach Teplitz
    zu gehen (unbeschreiblich reizend), der andere ist
    eine Reise nach England und von dort aus weiter

    1231
    nach Spanien, wo ich Dienste nehmen kann. Wäre es
    so unrecht, die Kraft der südlichen Sonne an mir zu
    prüfen?«
    Diese Bruchstücke zeigen zur Genüge, daß er unmit-
    telbar vor seinem Abgange aus Berlin einen
    Entschluß gefaßt hatte. Er will den Anblick fliehen,
    der so viele Gefahren in sich birgt; darum dehnt er
    auch den Aufenthalt in Friedersdorf aus. Er will nicht
    nach Berlin zurück, denn »er traut sich selbst nicht
    und fürchtet, daß er dahin zurückgeworfen werden
    könne, wo er war«. Er bangt vor der Möglichkeit
    neuen Brütens, neu aufsteigender Gespenster, und
    er will fort, weit fort – nach Spanien. Er will Dienste nehmen und das Notwendige und Nützliche zugleich
    erfüllen, notwendig ihm allein, aber nützlich der Allgemeinheit, der guten Sache.
    Rahels Antworten indessen halten ihn in der Heimat
    fest und führen ihn endlich aus seiner Friedersdorfer
    Verbannung wieder in die Welt zurück. »Sie dürfen
    nicht vereinsamen. In Friedersdorf ist keine Gesell-
    schaft für Sie, und die müssen Sie haben, lebendi-
    gen, alles anregenden Umgang. Sie gehen da in Ih-
    ren eigenen Stimmungen wie in einem Zauberwald
    umher und werden bald nichts mehr vernehmen
    können.«
    Zuletzt hat er überwunden, und er schreibt, frühere
    Briefworte Rahels in seiner Antwort wiederholend:
    »›Leben, lieben, studieren, fleißig sein, heiraten,
    wenn's so kommt, jede Kleinigkeit recht und leben-
    dig machen, dies ist immer gelebt, und dies wehrt

    1232
    niemand‹;... Ja, Sie haben recht, liebe Rahel. Ja, ich
    weiß das jetzt . Fernab sind mir jetzt alle Träume von Heldengröße und äußerer Bedeutsamkeit; führt mich
    das Schicksal dahin, wo ich in großen Kreisen zu wir-
    ken habe, so will ich auch das können, aber meine Hoffnungen, meine Pläne sind nicht darauf gestellt.
    Ich klage auch nicht länger über die Zeit; ganz
    dumm ist, wer das tut. Wem das Herrliche im Gemüt
    gegeben ist, dem wird alle Zeit herrlich.«
    Beinahe gleichzeitig mit diesem Briefe sehen wir
    Marwitz nach Berlin zurückkehren, und ein neues,
    klareres Leben beginnt. Es ist plötzlich, als habe der
    Most ausgegoren. Viele Ideale sind hin, aber das
    Schillersche Trostwort: »Beschäftigung, die nie er-
    mattet«, wird auch ein Trostwort für ihn. Ernst, Ar-
    beit nehmen von ihm Besitz, das wirkliche Leben,
    wie es ist, wohl oder übel, ist plötzlich für ihn da, er stellt sich zu demselben und tritt, mitwirkend, mit-strebend an dem Nächstliegenden, in dieses wirkli-
    che Leben ein.
    Er übersiedelte nach Potsdam, um bei der dortigen
    Regierung als Hülfsarbeiter einzutreten. Zugleich
    beschäftigten ihn Vorarbeiten zu einem juristischen
    oder kameralistischen Examen, das er noch zu ab-
    solvieren hatte. Es heißt, als er einige Monate später
    wirklich an die Absolvierung desselben ging, hätten
    die Examinatoren offen erklärt, »daß es sich bei dem
    glänzenden und vielseitigen Wissen des zu

Weitere Kostenlose Bücher