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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Sklave sein?‹, was uns alle zum herzlichsten Lachen stimmte. Denn er ist ganz

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    despotisch.« – »Wir plaudern hier oft über Goethe,
    und meiner Liebe und Bewunderung hab ich nicht
    Hehl. Marwitz, mit dem ich hier über alles die kne-
    tendsten, herrlichsten Gespräche führe , sagt auch: kein Mensch liebe ihn (Goethen) mehr als ich.«
    Diese wenigen Auszüge gönnen uns einen Einblick in
    das heitere, bewegte und angeregte Leben, das jene
    Prager Herbst- und Wintertage ausfüllte. Endlich ge-
    gen Schluß des November heißt es: »Marwitz verläßt
    uns bald«, und wenige Tage später brach er wirklich
    auf. Er ging zunächst nach Wiesbaden, dann nach
    Frankfurt am Main, wo er bei der 1. Brigade des Y-
    orckschen Corps eintrat und als diensttuender Adju-
    tant zum General Pirch II. kommandiert wurde. Hier
    war er endlich voll an seinem Platz . Die Idee eines großen Kampfes war nirgends lebendiger ausgeprägt
    als im Yorckschen Corps, und ein Feuergeist, wie
    Marwitz, mußte sich da am heimischsten fühlen, wo im geringsten Landwehrmann ein Teil jener treibenden Kraft, jenes Blücherschen Geistes zu finden war,
    ohne welchen jener schöne Kampf nie und nimmer
    siegreich hinausgeführt worden wäre.
    Am 1. Januar ging es über den Rhein. Die Gefechte
    bei Brienne und La Rothière eröffneten den Kampf
    auf französischem Boden; der Sieg schien bei den
    Fahnen der Verbündeten bleiben zu sollen. Da ka-
    men die Unglückstage von Champaubert und Mont-
    mirail. Der Kaiser warf sich auf das russische Corps
    unter General Sacken und war im Begriff, es zu ver-
    nichten, als Sacken selbst, der leichtsinnig dieses
    Unheil heraufbeschworen hatte, an das zunächstste-

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    hende Yorcksche Corps die dringende Bitte stellte,
    den Feind in der linken Flanke zu fassen. An Sieg war
    nicht zu denken, aber die Rettung der Russen mußte
    wenigstens versucht werden. Die erste (Pirchsche)
    Brigade, bei der Marwitz stand, erhielt Befehl zum
    Angriff. General Pirch selbst setzte sich an die Spitze der ost- und westpreußischen Grenadiere, zwei
    Landwehrbataillone folgten als Soutien. So drang
    man im Sturmschritt gegen das Gehölz von Bailly
    vor. Aber der Angriff scheiterte. Die Führer der Ba-
    taillone fielen. General Pirch wurde verwundet, und
    Marwitz sank tödlich getroffen.
    Es scheint, daß eine Flintenkugel ihn in die Schläfe
    traf. Sein Tod – »der Tod unseres hoffnungsvollen
    und sehr geliebten Marwitz«, so schreibt Schack in
    seinem Tagebuche – galt für ein Ereignis selbst in
    jenen Tagen, wo jede Stunde die Besten als Opfer
    forderte. Seine Leiche wurde nicht gefunden, und
    dieser Umstand gab Veranlassung, daß man gerau-
    me Zeit hindurch glaubte, er sei abermals, schwer
    verwundet, dem Feinde in die Hände gefallen. Auch
    Rahel teilte diesen Glauben. Noch am 26. April
    schrieb sie von Prag aus: »Nun fehlt nur noch Mar-
    witz. Aber ich hoffe. Der kommt wieder, ganz durch-
    löchert an Körper und Wäsche.« Aber er kam nicht.
    Er lag, eingescharrt mit hundert andern, auf dem
    Sandplateau von Montmirail. »Jeder seiner Freunde
    fühlte seinen Tod nach Maßgabe des eigenen Wer-
    tes «, so schrieb Rahel im Juni, als sein Tod nicht länger zweifelhaft sein konnte, und Marwitz' älterer
    Bruder schrieb die Worte nieder: »Die Welt erlitt an
    ihm einen großen Verlust. Er war ein außerordentli-

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    cher Mensch im Wissen wie im Handeln. Er würde
    das Höchste geleistet haben, wenn er erst zur inne-
    ren Beruhigung gelangt wäre .«
    Vielleicht war er dieser »inneren Beruhigung« näher,
    als der Bruder vermutete. Die Unruhe, die Kämpfe,
    die Leidenschaften, die ihn bis zu jener vorgeschil-
    derten Epoche (im Sommer 1811) verzehrt haben
    mochten, hatten seitdem ruhigeren Anschauungen
    Platz gemacht, Anschauungen, die freilich dem älte-
    ren Bruder zu großem Teil ein Geheimnis geblieben
    waren. Sie sahen sich damals zu selten, als daß es
    sich für den letztren ermöglicht hätte, solche Wand-
    lungen zu beobachten. Alexander von der Marwitz
    hatte bis zu jener Zeit ganz und gar den genialischen
    Leuten unserer politischen Sturm-und-Drang-Periode
    angehört; aber gegen das krankhafte Übermaß in
    Hoffen und Wollen war endlich seitens seiner ange-
    borenen guten und gesunden Natur eine Reaktion
    eingetreten, und die Handelweise seiner letzten Lebensjahre würde uns darüber aufklären können,
    wenn es nicht direkte Worte täten. »Fernab sind mir
    jetzt alle Träume von Heldengröße und äußerer

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