Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Be-
    deutsamkeit. Führt mich das Schicksal dahin, wo ich
    in großen Kreisen zu wirken habe, so will ich auch
    das können, aber meine Hoffnungen, meine Plane
    sind nicht länger darauf gestellt.« So hatte er an
    Rahel geschrieben, und diese schon oben zitierten
    Worte bezeichneten in Wahrheit einen Wendepunkt
    in seinem Leben, den ersten Moment der Genesung.
    Der ältere Bruder kannte weder diese Worte noch die
    Wandlung des Gemüts, der sie Ausdruck liehen.
    Marwitz, als ihn der Tod ereilte, hatte den Hang und

    1247
    Drang nach dem Unerreichbaren aufgegeben, er
    stand nicht mehr kritisch und ironisch außerhalb des
    Kreises, sondern mitschaffend und mitgestaltend
    innerhalb desselben. Was er wollte, war ein Erreich-
    bares geworden. Ob die Wege, die Preußen ein-
    schlug, nachdem die Gefahr von außen her beseitigt
    und die Triebkraft der Nation auf Dezennien hin ver-
    zehrt war, ihm gefallen hätten, muß freilich billig
    bezweifelt werden, und in diesem Sinne, aber auch nur in diesem, stehen wir nicht an, die Worte des
    älteren Bruders zu den unsrigen zu machen: »Es war
    ein Glück zu nennen, daß Gott ihm verlieh, in seinem
    siebenundzwanzigsten Jahre für das Vaterland zu
    sterben.« Auf dem Friedhofe zu Friedersdorf hat die
    Liebe des Bruders auch ihm, neben dem bei Aspern
    gefallenen Eberhard von der Marwitz, einen Denk-
    stein errichtet, der die Inschrift trägt:
    »Christian Gustav Alexander von der Marwitz, gebo-
    ren den 4. Oktober 1787. Lebte für die Wissenschaf-
    ten. Erstieg deren Gipfel. Redete sieben Sprachen.
    Wahrete dieses Vatergutes 1806 und 1807, wie der
    Bruder zu Felde lag. Von Freiheitsliebe ergriffen,
    focht er 1809 in Österreich bei Wagram und Znaim.
    Diente 1813 dem Vaterlande. Schwer verwundet und
    gefangen, befreite er sich selbst. Wieder genesen,
    focht er in Frankreich und fiel dort bei Montmirail den 11. Februar 1814. Sein Vater war Behrend Friedrich
    August von der Marwitz, seine Mutter Susanne So-
    phie Marie Luise von Dorville. Hier stand er hoch,
    dort höher. Seinem Andenken gesetzt von seinem
    Bruder.«

    1248

    Es erübrigt uns noch, ehe wir Abschied nehmen von
    Friedersdorf, ein Umblick in den Räumen des Schlos-
    ses selbst.
    Auch hier heißt es: Die Schale bildet sich nach dem
    Kern. Die hohe, schwere Eichentreppe hinauf, treten
    wir, am Ausgang eines Korridors, in das Wohn- und
    Arbeitszimmer August Ludwigs von der Marwitz. Es
    ist ein großer luftiger Raum, den aneinandergereihte
    verhältnismäßig niedrige Wandschränke, nach Art
    einer Birkenmaserpaneelierung, umziehen. Hier ent-
    standen jene Arbeiten, die, nach der Seite des Wis-
    sens und Talentes hin hervorragend, in noch höhe-
    rem Maße sich auszeichnen durch ihren Mut und ihre Selbständigkeit und der Mittelpunkt der Bestrebungen geworden sind, die sich, um es zu wiederholen,
    seitdem längst das Recht der Existenz erobert haben.
    Unsere Aufmerksamkeit gehört aber nicht länger der
    Tätigkeit des Mannes, sondern nur dem Orte , an
    dem er tätig war. Die Wandschränke bergen in ihrer
    Tiefe den besten Teil jener mehrerwähnten Biblio-
    thek, die der Hubertsburg-Marwitz dem Quintus Icili-
    us bändeweis im Spiel abgewonnen, während die
    vielen Türfelder die Rahmen für ebenso viele Kupfer-
    stiche bilden. Diese Benutzung macht einen eigen-
    tümlichen und sehr gefälligen Eindruck, der unter der
    Wahrnehmung wächst, daß die Auswahl der Bilder
    mehr nach kleinen Liebhabereien als nach irgendwel-
    chem Kunstprinzip erfolgte. Neben den Abenteuern
    des Don Quixote begegnen wir ernsten und heitern

    1249
    Szenen aus der Zeit der Befreiungskriege; alte fran-
    zösische Stiche und moderne Gravierungen lösen
    sich ab. Interessanter noch als diese Schränke selbst
    erscheinen die Gegenstände, die sich oberhalb der-
    selben aufgestellt befinden: alte Portraits aus dem
    Hause Holstein-Beck, ein Brustbild Friedrich von
    Derfflingers, Sohnes des Feldmarschalls, Büsten und
    Vasen und endlich ein Reitercasquet und ein sonder-
    bar geformter schwarzer Wachstuchhut, dessen nach
    hinten zu herabhängende Krempe an die Helgoländer
    Schifferhüte erinnert. Das Casquet ist Eberhards von
    der Marwitz Chevau-légers-Helm aus der Schlacht
    von Groß-Aspern, und den schwarzen Wachstuchhut
    trug August Ludwig von der Marwitz am Tage von
    Auerstedt. Die vordere, hochstehende Krempe ist
    von Kugeln durchlöchert.
    Den Tag selbst aber hat er in seinen hinterlassenen
    Schriften mit jener Klarheit und mutigen

Weitere Kostenlose Bücher