Wanderungen durch die Mark Brandenburg
den Kronprinzen
Fritz Bezug nimmt, nur das Unerläßliche zu geben,
nur soviel, wie zum Verständnis des Ganzen über-
haupt erforderlich ist. Das ist zunächst, als Grundla-
ge der ganzen Tragödie:
Der Fluchtversuch des Kronprinzen
Schon im November 1729 hatte der Kronprinz vor-
gehabt, »weil Dero Herr Vater immer ungnädiger auf
ihn geworden«, außer Landes zu gehen, und seitens
des ins Vertrauen gezogenen Lieutenants von Keith,
der damals Pagendienste beim Könige tat, waren
einleitende Schritte geschehen, um die Flucht ins
Werk zu setzen. Aber man stand schließlich von der
Ausführung ab und nahm den Plan erst, nachdem
auch ein Entweichen aus dem sächsischen Lager bei
Mühlberg im Mai 1730 gescheitert war, im Juli letzt-
genannten Jahres wieder auf.
1281
Um diese Zeit hatte der König eine Reise nach dem
Ansbachschen hin angetreten, die bis an den Ober-
und Unterrhein ausgedehnt werden sollte. In seiner
Begleitung befand sich wie gewöhnlich der Kronprinz,
dem noch im Momente der Abreise, seitens des in-
zwischen als Günstling an die Stelle des von Keith
getretenen Lieutenants von Katte, aufs dringendste
angeraten worden war: seine Flucht nicht von Süddeutschland, sondern lieber erst von Wesel aus zu
bewerkstelligen, von welcher Grenzfestung aus er
am leichtesten und schnellsten über Holland nach
England gelangen könne. Diese Mahnung wurde spä-
ter schriftlich wiederholt, und zwar in einem Briefe,
den der in Berlin zurückgebliebene von Katte nach
Ansbach hin richtete. Aber dem Kronprinzen brannte
bereits der Boden unter den Füßen, und er antworte-
te: »daß er so lange nicht zu warten, vielmehr von Sinsheim aus (bei Mannheim) fortzugehen gedenke.
Katte solle nachkommen und ihn, den Kronprinzen,
im Haag unter dem Namen Comte d'Alberville erfra-
gen. Mißlänge die Flucht, so wolle er in einem Kloster
Zuflucht suchen, wo man unter Skapulier und Kutte
den argen Ketzer nicht entdecken werde.« Dieser der
Post anvertraute Brief wurde verhängnisvoll. Auf sei-
ner Adresse, die »An den Lieutenant von Katte, über
Erlangen, Berlin « hätte lauten sollen, vergaß der in begreiflicher Hast und Erregung schreibende Kronprinz die Hinzufügung des Wortes » Berlin «, und so gelangte das Schreiben nur bis Erlangen, wo der
Postmeister in Verlegenheit geriet, was damit anzu-
fangen sei. Da sich zufällig ein Rittmeister von Katte, ein Vetter des Lieutenants, als Werbeoffizier am Orte
befand, so hielt er es für das Geratenste, diesem den 1282
Brief einzuhändigen. Der Rittmeister von Katte aber,
als er von dem Inhalte Kenntnis genommen, konnte
sich seinerseits nicht der Pflicht entziehen, den Brief durch einen Courier an den König zu schicken.1)
Dieser war mittlerweile (am 31.) von Ansbach auf-
gebrochen und ging über Öttingen, Ludwigsburg und
Heilbronn auf Sinsheim zu. Da letzterer Ort, sehr
gegen den Wunsch und Willen des Königs, am
4. August nicht mehr erreicht werden konnte, so
bequemte man sich, in dem zwei Stunden vorher
gelegenen Dorfe Steinsfurth die Nacht in einer
Scheune zuzubringen. Für die Pläne des Kronprinzen
indes machte Steinsfurth oder Sinsheim keinen Un-
terschied, und so beschloß er, in selbiger Nacht noch
seine Flucht von diesem Dorf aus ins Werk zu setzen.
Um zwei Uhr erhob er sich, kleidete sich in einen
roten Roquelaure, der zu diesem Behuf eigens ange-
fertigt war, und ging auf die Dorfstraße hinaus, wo-
hin er den Pagen Keith (einen jüngeren Bruder des
früher genannten) mit Pferden bestellt hatte.
Alles dieses war aber von dem Kammerdiener Gum-
mersbach bemerkt worden, der nicht säumte, den
mit der Beobachtung des Kronprinzen speziell
betrauten Oberstlieutenant von Rochow zu wecken.
Dieser sowie Generalmajor von Buddenbrock und die
Obersten von Waldow und von Derschau folgten dem
Kronprinzen auf die Dorfgasse und fanden ihn hier
an eine Wagendeichsel gelehnt, immer noch auf
Keith2) und die Pferde wartend. Die Obersten, über
seine Kleidung erstaunt, baten ihn, die Uniform wie-
der anzulegen, ehe ihn der König in diesem Aufzuge
1283
sähe. Aber eben jetzt brachte Keith die Pferde, und
Friedrich schickte sich ohne weiteres an, sich in den
Sattel zu werfen und davonzureiten. Nur mit Mühe
gelang es den Obersten, ihn in die Scheune zurück-
zunötigen.
Derschau hinterbrachte das Vorgefallene dem Köni-
ge, der sich zunächst – weil es noch an eigentlichen
Schuldbeweisen fehlte – gegen den
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