Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Kronprinzen wie
gewöhnlich zeigte. Auch in den folgenden Tagen
noch, während welcher die Reise sich über Mann-
heim und Darmstadt fortsetzte. Nur in Darmstadt,
am 6. August, konnte der König mit einer spötti-
schen Bemerkung gegen den Prinzen nicht zurück-
halten. »Er wundre sich, ihn noch hier zu sehen; er
habe ihn bereits in Paris vermutet.«
Und so blieb es bis zum 8. früh.
Am Abend vorher hatte man Frankfurt am Main er-
reicht, allwo der vom Rittmeister von Katte nachge-
sandte Courier dem Könige den vorerwähnten kom-
promittierenden Brief einhändigte. Durch diesen Brief
war der Schuldbeweis gegeben, und der lange zu-
rückgehaltene Zorn brach jetzt hervor. Das erste
Zusammentreffen zwischen Vater und Sohn fand am
Morgen des 8. auf einem Rheinboot statt, das für die
Stromfahrt nach Wesel bestimmt war. Als der Kron-
prinz das Schiff betrat, stürzte sich der König auf ihn und schlug ihn, bis ihn der Oberst von Waldow durch
sein Zwischentreten befreite und auf ein anderes
bereitliegendes Schiff brachte.
1284
Die Reise ging nun rheinabwärts. Am 10. war man in
Bonn, am 11. in Wesel. Der »Arrestant« ward am
Ufer von dem Oberstlieutenant von Borcke mit einem
starken Kommando in Empfang genommen und in
die Festung gebracht. Am anderen Morgen, den 12.,
erfolgte seine Vorführung vor den König.
»Warum habt Ihr entweichen wollen?«
»Weil Sie mich nicht wie Ihren Sohn, sondern wie
einen gemeinen Sklaven behandelt haben.«
»Ihr seid nichts als ein feiger Deserteur, der keine
Ehre hat.«
»Ich habe soviel Ehre wie Sie, und ich habe nichts
getan, was Sie an meiner Stelle nicht auch getan
hätten.«
Bei diesen Worten zog der König den Degen und
wollte den Prinzen erstechen. Aber der tapfere
Kommandant, Generalmajor von der Mosel, warf sich
dazwischen und sagte: »Sire, durchbohren Sie mich,
aber schonen Sie Ihres Sohnes.«
Einige Tage nachher empfingen die mehrgenannten
Obersten den Befehl, den Kronprinzen unter sicherer
Bedeckung von Wesel nach Treuenbrietzen zu schaf-
fen. Schon vorher (ebenfalls am 12.) hatte der König
folgende Zeilen an die Oberhofmeisterin der Königin
gerichtet: »Meine liebe Frau von Kameke. Fritz hat
desertieren wollen. Ich habe mich genötigt gesehen,
1285
ihn arretieren zu lassen; ich bitte Sie, auf eine gute
Art meine Frau davon zu unterrichten, damit solche
Neuigkeit dieselbe nicht erschrecke. Übrigens bekla-
gen Sie einen unglücklichen Vater. F. W.«
Die Überführung des Kronprinzen erfolgte der Ordre
des Königs gemäß. Wann er in Treuenbrietzen eintraf, ist nicht genau ersichtlich. Am 29. August wurde
Generalmajor von Buddenbrock angewiesen, ihn von
Treuenbrietzen nach Mittenwalde zu schaffen.
Aber auch Mittenwalde war nur Etappe, von der aus
sein Weitertransport nach Küstrin am 4. September
erfolgte. Tags darauf (am 5.) bezog er ein Arrest-
zimmer im zweiten Stocke des alten Küstriner
Schlosses.
Von Katte vor dem König
Am 15. August wußte der in Berlin zurückgebliebene
Grumbkow von dem Fluchtversuche des Kronprinzen,
und am folgenden Tage war es in der Stadt herum.
Gleichzeitig mit der Nachricht an Grumbkow war
auch bei dem Feldmarschall von Natzmer der Befehl
eingetroffen: »den Lieutenant von Katte vom Re-
giment Gensdarmes verhaften und auf die Wache
seines Regiments abführen zu lassen«.
Kein Zweifel, daß Katte, wenn er nur für seine Per-
son besorgt gewesen wäre , vollauf Zeit gehabt hätte, sich zu retten; das ergibt sich aus den verschiedensten Angaben. Alles befleißigte sich, ihn zu warnen,
1286
und ein von Asseburg, der ihm begegnete, rief ihm
zu: »Was, Katte, Sie noch hier!« Ja, man ging weiter
und schob seine Verhaftung um mehrere Stunden
hinaus. So wenigstens stellt es die Prinzessin Wil-
helmine, die spätere Markgräfin von Bayreuth, in
ihren Memoiren dar. »Der uns zugetane dänische
Gesandte von Löwenör«, so schreibt sie, »hatte ge-
hört, was sich gegen Katte vorbereitete. Sofort
schrieb er an ihn und riet ihm, aufs schnellste abzu-
reisen, weil er unstreitig arretiert werden würde.
Katte bat sich infolge dieser Benachrichtigung einen
›kurzen Urlaub‹ aus, der ihm – da sein Regiments-
kommandeur, Oberst von Pannewitz, von den umlau-
fenden Gerüchten zu jener Stunde noch nichts ge-
hört haben mochte – auch ohne weiteres bewilligt
wurde. Und so war denn eine vorzügliche Gelegen-
heit zur Flucht gegeben. Aber Katte sah sich
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