Wanderungen durch die Mark Brandenburg
»su-
spekt« finden mochte, scheint ihn entweder
geöffnet und gelesen oder vielleicht auch un-
eröffnet auf bloßen Argwohn hin, per Courier
an den König geschickt zu haben. Die Diffe-
renz ist erheblich. In dem einen Falle würde
der kronprinzliche Brief an Katte, in dem an-
deren der Kattesche Brief an den Kronprinzen
die Katastrophe herbeigeführt haben.
2. Zwei Brüder von Keith spielen in der Flucht-
geschichte des Kronprinzen eine Rolle. Es ist
nötig, dies gegenwärtig zu haben, wenn man
sich nicht in Angaben, die mehr als einmal
wie Widersprüche wirken, verwirren soll. Der
eigentliche Freund des Kronprinzen war der
ältere von Keith. In seiner Eigenschaft als Pa-
ge des Königs erfuhr er vieles und konnte
1290
mehr als einmal den Kronprinzen vor ihn be-
drohenden Gefahren warnen. Es geschah dies
alles, wie durchaus hervorgehoben werden
muß, nicht aus Hang zur Intrigue oder auch
nur aus besonderer Eitelkeit, sondern aus
wirklicher Liebe zum Prinzen, jedenfalls aus
Mitgefühl. Endlich entdeckt, schickte ihn der
König zur Strafe nach Wesel in das dort ste-
hende von Dossowsche Infanterieregiment
und ließ den jüngeren von Keith in die Pagen-
stelle einrücken. Aber dieser jüngere Bruder
erwies sich nicht viel anders als der ältere, bis
er endlich, »gerührt von der ängstlichen Ge-
mütsstimmung des Königs, diesem in Mann-
heim alles reumütig bekannte«. Er scheint
denn auch mit einer geringen Strafe davon-
gekommen zu sein. Der ältere Bruder, als er
von den Vorgängen in Steinsfurth hörte, floh
klugerweise von Wesel nach England und
konnte daselbst in den Zeitungen lesen, daß
er nach kriegsrechtlichem Spruch » in effigie
gehenkt worden sei «. Bald darauf nahm er
portugiesische Dienste, aus denen er später
(nach 1740), übrigens ohne sonderliche Kar-
riere zu machen, in preußische Dienste zurück
trat.
Das Kriegsgericht zu Köpenick
Über dies Kriegsgericht und das durch dasselbe ge-
fällte Urteil finden sich infolge regelmäßiger und oft
1291
ausschließlicher Benutzung der als Quelle dienenden
Memoiren des Freiherrn von Pöllnitz und der Mark-
gräfin von Bayreuth1) immer noch Irrtümer verbrei-
tet, die den Ergebnissen einer strengeren histori-
schen Forschung bis diesen Tag getrotzt haben. Es
wird nötig sein, die betreffenden irrtümlichen Stellen
aus den Memoiren der beiden Vorgenannten zu-
nächst zu zitieren. So schreibt die Markgräfin: »Dön-
hoff und Linger stimmten für Pardon, aber die ande-
ren, um dem Könige zu Willen zu sein, verurteilten
den Kronprinzen und Katte zur Enthauptung .« Und in Übereinstimmung damit heißt es bei Pöllnitz: »Weder
der Kronprinz noch Katte waren persönlich zugegen.
Nichtsdestoweniger wurden sie von dem Kriegsge-
richte gerichtet und verurteilt, den Kopf zu verlieren .« Diese beiden Stellen sind in unzählige volkstümliche Geschichts- und Nachschlagebücher über-
gegangen, während umgekehrt das Wort »Tod« von
seiten des Kriegsgerichts nicht gesprochen worden ist. Die dasselbe bildenden oder, richtiger, die innerhalb desselben den Ausschlag gebenden Männer fäll-
ten vielmehr über den Kronprinzen, »weil er jenseits
ihrer Kompetenz läge«, gar kein Urteil und verurteilten Katte zu lebenslänglicher Festungsstrafe. Dies ist
kurz das Tatsächliche.
Foerster und Preuß, unter Benutzung reicher und
zuverlässigerer Quellen, haben in ihren epochema-
chenden Werken die Dinge so gegeben, wie sie reali-
ter liegen; aber auch ihnen scheint ein voller Einblick in die Details des Verfahrens gefehlt zu haben, und erst eine verhältnismäßig sehr neue Veröffentlichung (1861) ermöglicht einen solchen Einblick. Die-
1292
se Veröffentlichung führt den Titel: »Vollständige
Protokolle des Köpenicker Kriegsgerichts« und wurde
durch Professor Danneil, den Vorstand des in der
Propstei zu Salzwedel befindlichen Schulenburgschen
Familienarchivs, veranstaltet. In einem kurzen Vor-
worte gibt der Herausgeber (Danneil) zunächst Aus-
kunft darüber, wie dieser Protokollenschatz in das
ihm unterstellte Familienarchiv gelangte. Einfach
dadurch, daß ein Schulenburg, und zwar der Gene-
rallieutenant Achaz von der Schulenburg, der Vorsit-
zende des Köpenicker Kriegsgerichts war. »Alle diese
Protokolle«, heißt es dann weiter, »finden sich in
Abschrift vor. Die Originale wurden dem König überreicht. Sämtliche Abschriften sind sehr sorgfältig und
sicherlich auf
Weitere Kostenlose Bücher