Wanderungen durch die Mark Brandenburg
verhin-
dert, unmittelbaren Gebrauch davon zu machen, weil
ein Sattel, in dem er Geld und Wertsachen zu ver-
bergen vorhatte, leider noch nicht fertig war. So ver-
ging Zeit. Diese wandte er an, um alle Papiere zu
verbrennen. Das war gut. Und nun endlich kam das
Pferd, der Sattel war da, und er wollt es eben bestei-
gen, als der Feldmarschall von Natzmer (in Wahrheit
war es der vorgenannte Oberst von Pannewitz) er-
schien, um ihn im Namen des Königs zu verhaften.
Katte übergab ihm, ohne die Farbe zu wechseln, den
Degen und wurde sogleich auf die Wache des Re-
giments abgeführt. Man legte all seine Sachen in
Gegenwart des Feldmarschalls – der betretener als
sein Gefangener schien – unter Siegel. Der alte Herr
hatte länger als drei Stunden mit Ausführung des
1287
königlichen Befehls gezögert und war sehr böse, Kat-
ten noch vorzufinden.«
So die Markgräfin in einer durch die ganzen Memoi-
ren sich hinziehenden Mischung von Falschem und
Richtigem. Übrigens wird, von Namensverwechse-
lungen und ähnlichen kleinen Irrtümern ganz abge-
sehen, auch das , was Katte den rechten Augenblick zur Flucht versäumen ließ, von verschiedenen Personen sehr verschieden angegeben. Friedrich II. selbst
soll später zu dem englischen Gesandten Sir Andrew
Mitchell von einem »Liebesverhältnis« gesprochen
und dieses als Grund der Versäumnis bezeichnet haben. Mir, offen gestanden, noch unwahrscheinlicher
als der »verspätete Sattel«. Nach dem Bilde, das ich
aus der Lektüre der zeitgenössischen Aufzeichnun-
gen gewonnen habe, liegen die Dinge viel natürlicher
und namentlich viel ehrenvoller für Katte. Er war
einfach mit Aufträgen und Verpflichtungen überbür-
det, indem er, wie schon angedeutet, nicht bloß an
sich , sondern vor allem auch an den Kronprinzen, an die Königin und die Prinzessin Wilhelmine zu denken
hatte. Und so glaube ich ihm nur gerecht zu werden,
wenn ich ihn als ein Opfer seiner ritterlichen Gesinnung hinstelle , der er denn auch – was im übrigen immer seine Fehler gewesen sein mögen – bis zum
letzten Atemzuge treu geblieben ist.
Aber kehren wir zu den Ereignissen selbst zurück.
Am 27. war der König von Wesel her in Berlin einge-
troffen und hatte schon zwei Stunden später den
Arrestanten von Katte vorfordern lassen. Es war ein
1288
schwerer Gang. Die Prinzessin Wilhelmine stand an
einem der hohen Fenster und sah den Unglücklichen
über den Schloßplatz führen. »Er war bleich und ent-
stellt«, so schreibt sie, »nahm aber doch den Hut ab,
um mich zu grüßen. Hinter ihm trug man die Koffer
meines Bruders und die seinen, welche man wegge-
nommen und versiegelt hatte. Gleich darauf erfuhr
der König, dessen Empörung bis dahin sich gegen
uns gerichtet hatte, daß Katte da sei. Und er verließ uns nun, um den Ausbrüchen seines Zorns ein neues
Ziel zu geben.«
Als Katte den Gefürchteten eintreten sah, warf er
sich vor ihm nieder. Der König aber riß ihm das Jo-
hanniterkreuz vom Halse, mißhandelte ihn mit dem
Stock und trat ihn mit Füßen. Alsdann befahl er dem
schon vorher herbeigerufenen Generalauditeur Myli-
us, unverzüglich mit dem Verhör zu beginnen. Katte
bewies eine Standhaftigkeit, die den König in Ver-
wunderung setzte, und gestand nur ein, von der
Flucht des Kronprinzen gewußt und die Absicht, ihm
zu folgen, gehabt zu haben. Auf die Frage jedoch,
»an welchen Hof der Prinz sich habe begeben wol-
len«, antwortete er, »das wisse er nicht«. Und da-
nach wurde er in die Gensdarmenwache zurückge-
bracht.
Während der Septemberwochen – auch noch bis in
den Oktober hinein – folgte nunmehr Verhör auf
Verhör, und als endlich mit Hülfe derselben ein aus-
giebiges Material zur Anstrengung eines prozessuali-
schen Verfahrens gesammelt war, wurde die Vorun-
tersuchung geschlossen und ein Kriegsgericht , das 1289
über fünf Angeklagte, in erster Reihe aber über den
Kronprinzen Fritz und den Lieutenant von Katte, zu
befinden hatte, zusammenberufen.
1. Die Köpenicker Kriegsgerichtsakten erzählen
diesen Hergang anders. Danach schickte der
Lieutenant von Katte seinen an den Kronprin-
zen gerichteten Brief nicht direkt an diesen ,
sondern an seinen Vetter, ebenden im Text
genannten, auf Werbung in Erlangen liegen-
den Rittmeister von Katte, mit der Bitte, den
Brief, seiner Adresse gemäß, weiter nach
Ansbach an den Kronprinzen gelangen zu las-
sen. Der Rittmeister aber, der den Brief
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