Wanderungen durch die Mark Brandenburg
gefangen, der,
im bloßen Hemd aus dem Bett gesprungen, kaum
Zeit gefunden hatte, einen Schlafrock überzuwerfen.
So, mit bloßen Füßen, setzte man ihn in eine Kale-
sche, der Offizier und zwei Mann mit ihm, und fuhr
im schnellsten Galopp der Festung Prag zu. Der Ad-
jutant des Feldmarschalls, Major von Droste, jagte
sofort dem Wagen nach und griff die schwache Be-
deckung an. Als aber einer der Soldaten das Gewehr
auf Schöning anlegte und diesen zu erschießen droh-
te, überließ Droste den Feldmarschall den Händen
seiner Überwinder. Von Prag aus brachte man ihn
1374
nach dem Spielberg bei Brünn und führte dort sein
Verhör. Man wollte einen zweiten Wallenstein aus
ihm machen und hielt die Meinung aufrecht, daß er
nicht ohne Absichten nach dem Reichskommando
gestrebt habe. Aber alle Bemühungen, ihn zu einem
Hochverräter, zu einem »Verbrecher gegen die Inte-
ressen des Reichs« zu stempeln, waren vergeblich.
Sachsen war durch dieses eigenmächtige Vorgehen
aufs schwerste beleidigt und zog zunächst die
3000 Mann zurück, die es als Reichskontingent ge-
stellt hatte. Alle Schritte aber, die Freilassung Schö-
nings zu erwirken, blieben fruchtlos, bis endlich,
nach zwei Jahren schmählicher Gefangenschaft, der
Regierungsantritt Kurfürst Friedrich Augusts und die
energischen Proteste desselben Schöning die Freiheit
wiedergaben. Um die Aussöhnung vollständiger zu
machen, erschien der bis dahin Gefangengehaltene
vor Kaiser und Kaiserin und ward, um seines Po-
dagras willen, in einem Sessel vor die beiden Majes-täten getragen , ein Umstand, der nicht ermangelte, in ganz Europa die größte Sensation hervorzurufen.
Es war das viel Auszeichnung, auch namentlich wohl
in den Augen Schönings, der besonders empfänglich
war für Huldigungen wie diese. Die Süßigkeit solcher
Stunden indes konnte seinem Herzen nicht wieder-
geben, was jahrelange Verbitterung ihm genommen
hatte. Gefeiert, aber im Innersten gebrochen, zog er
in Dresden ein, und die Gnadenbezeugungen Fried-
rich Augusts begleiteten nur noch einen Hinschei-
denden. Er erkrankte; Podagra und Steinschmerzen
zehrten an seinem Leben, Karlsbad versagte den
1375
Dienst, und am 28. August 1696 schied er, matt und
müde, aus dieser Welt der Zeitlichkeit. Seine Leiche
ward einbalsamiert und in der Kreuzkirche zu Dres-
den ausgestellt, dann aber am 25. November nach
der Neumark übergeführt, um in der Kirche zu Tam-
sel beigesetzt zu werden. Dort ruht er noch jetzt in
einem kupfernen Sarge, mit Gold reich verziert und
ein Kruzifix auf dem Deckel.
Wir versuchen zum Schluß noch eine Schilderung
Schönings, sowohl seiner äußern Erscheinung wie
seines Charakters. Er war, namentlich dem Brustbil-
de nach zu schließen, dessen Original sich auf der
Festung Königstein und in Kopie in Händen der
Schöningschen Familie befindet, ein schöner Mann,
in dessen Zügen sich Soldatisches und Hofmänni-
sches, Strenge und Glätte, Selbstbewußtsein und
Lächeln über die Eitelkeiten dieser Welt in interes-
santer Weise mischten. In andern Portraits, so zum
Beispiel auf einer Denkmünze, die gleich nach sei-
nem Tode geprägt wurde, tritt das streng Militärische
beinah ausschließlich hervor; doch ist es fraglich, ob
diesen letzteren Bildnissen irgendeine Portraitbedeu-
tung beigemessen werden darf oder ob sie nicht
vielmehr jenen bloßen Ruhmes- und Ehrenmedaillen
zuzurechnen sind, wie sie damals nach dem Ableben
eines berühmten Mannes auf gut Glück hin angefer-
tigt wurden, mehr in der Absicht, ihn durch bildliche
Darstellung überhaupt zu feiern, als durch korrekte
Wiedergabe seiner Züge seinem äußern Menschen
gerecht zu werden.
1376
Uns von Schönings Charakter ein Bild zu entwerfen
ist nicht eben schwer, wenn wir den Berichten über
ihn, die in ziemlicher Anzahl auf uns gekommen sind,
ohne weiteres Glauben schenken wollen. Es bleibt
aber doch fraglich, ob diesen Schilderungen, trotz
des Übereinstimmenden, das sie haben, in allen Stü-
cken unbedingt zu trauen ist. Alle Mitteilungen über
ihn rühren nämlich von Gegnern her, und man würde
die Pflicht haben, schon aus diesem Grunde die
höchste Vorsicht walten zu lassen, wenn nicht der
Umstand, daß er überhaupt nur Gegner gehabt zu
haben scheint, allerdings auf etwas entschieden Un-
liebenswürdiges in seiner Natur hin verwiese. Barfus,
die Schombergs, Danckelmann, der ältere Grumb-
kow, Otto von Schwerin, Graf
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