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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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selber sind hin. Viele von denen, die hier-
    lands in alten Klostermauern wohnen, wissen kaum,
    daß es Klostermauern sind, sicherlich nicht, daß es
    Zisterzienser waren, die vor ihnen die Stätte inne-
    hatten. Und hörten sie je das Wort, so wissen sie
    nicht, was es meint und bedeutet. Und doch waren
    es die Pioniere, die hundert und tausend andern Ko-
    lonisten, die nach ihnen kamen, die Wege bahnten.
    Das Gedächtnis an sie und an das Schöne, Gute,
    Dauerbare, das sie geschaffen, ist geschwunden; uns
    aber mag es geziemen, darauf hinzuweisen, daß
    noch an vielen hundert Orten ihre Taten und Wohlta-
    ten zu uns sprechen. Überall, wo in den Teltow- und
    Barnim-Dörfern, in der Uckermark und im Ruppin-
    schen alte Feldsteinkirchen aufragen mit kurzem
    Turm und kleinen niedrigen Fenstern, überall, wo die
    Ostwand einen chorartigen Ausbau, ein sauber gear-
    beitetes Sakristeihäuschen, oder das Dach infolge
    späteren Anbaues eine rechtwinklige Biegung, einen
    Knick zeigt, überall da mögen wir sicher sein – hier waren Zisterzienser , hier haben Zisterzienser gebaut und der Kultur und dem Christentum die erste Stätte
    bereitet.

    1. Dies weiße Kleid der Zisterzienser war ihr be-
    sonderer Stolz, und unter den zahlreichen Le-
    genden2) dieses Ordens bezogen sich viele
    auf die besondere Gunst, in der, bei Gott und

    1638
    Menschen, das »weiße Kleid« stand. Im Jah-
    re 1215 starb ein Zisterziensermönch zu Cher
    in Frankreich und wurde ohne sein Chorkleid
    begraben. Er kam zurück, um sein Kleid zu
    holen, weil der heilige Benedikt ihm nicht an-
    ders den Himmel aufschließen wollte. Der Pri-
    or gab es ihm, und er hatte nun Ruhe und
    kam nicht wieder.

    2. Unter den anderweiten Legenden des Ordens
    ist mir keine schöner erschienen als die fol-
    gende: Im Jahre 1167 dachte Mönch Heron in
    Galizien in der Frühmette über die Worte
    nach: »Tausend Jahre sind vor dir, Herr, wie
    der Tag, der gestern vergangen ist.« Er fand
    dies unbegreiflich und zweifelte. Als er aus
    der Kirche kam, flatterte ein bunter Vogel ü-
    ber ihm und sang sehr lieblich. Heron, von
    der Schönheit und dem Gesang des Vogels
    bezaubert, folgte ihm, wohin er flog, aus dem
    Kloster in einen benachbarten Wald, der Vo-
    gel hüpfte von Zweig zu Zweig und sang im-
    merfort dreihundert Jahr lang. Als nun Heron
    dreihundert Jahr lang weder gehungert noch
    gedürstet, sondern allein von dem lieblichen
    Vogelgesang gelebt hatte, flog der Zaubervo-
    gel davon, und die Entzückung hörte auf. He-
    ron kam nun wieder zu sich selbst und be-
    sann sich, daß er soeben aus der Frühmette
    gekommen sei. Er kehrte zurück zum Kloster
    und klopfte an die Klosterpforte, aber da wa-
    ren weder Pförtner noch Abt noch Brüder
    mehr, die ihn kannten. Sie waren alle längst

    1639
    tot; dreihundert Jahre waren verflossen.
    »Tausend Jahre sind wie ein Tag.«

    Kloster Lehnin
    1. Die Gründung des Klosters

    Wo das Kloster aus der Mitte
    Düstrer Linden sah.
    Mit des Jammers stummen Blicken
    Fleht sie zu dem harten Mann,
    Fleht umsonst, denn loszudrücken
    Legt er schon den Bogen an.
    Schiller

    Die erste Gründung der Zisterzienser in der Mark –
    Zinna war nicht märkisch – war Kloster Lehnin. Es
    liegt zwei Meilen südlich von Brandenburg, in dem
    alten Landesteil, der den Namen »die Zauche« trägt.
    Der Weg dahin, namentlich auf seiner zweiten Hälfte,
    führt durch alte Klosterdörfer mit prächtigen Baumal-
    leen und pittoresken Häuserfronten, die Landschaft
    aber, die diese Dörfer umgibt, bietet wenig Besonde-

    1640
    res dar und setzt sich aus den üblichen Requisiten
    märkischer Landschaft zusammen: weite Flächen,
    Hügelzüge am Horizont, ein See, verstreute Acker-
    felder, hier ein Stück Sumpfland, durch das sich Er-
    lenbüsche, und dort ein Stück Sandland, durch das
    sich Kiefern ziehn. Erst in unmittelbarer Nähe Leh-
    nins, das jetzt ein Städtchen geworden, verschönert
    sich das Bild, und wir treten in ein Terrain ein, das
    einer flachen Schale gleicht in deren Mitte sich das
    Kloster selber erhebt. Der Anblick ist gefällig, die
    dichten Kronen einer Baumgruppe scheinen Turm
    und Dach auf ihrem Zweigwerk zu tragen, während
    Wiesen- und Gartenland jene Baumgruppe und ein
    Höhenzug wiederum jenes Wiesen- und Gartenland
    umspannt. Was jetzt Wiese und Garten ist, das war
    vor 700 Jahren ein eichenbestandener Sumpf, und
    inmitten dieses Sumpfes wuchs Kloster Lehnin auf,
    vielleicht im Einklang mit jenem Ordensgesetz aus
    der

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