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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ersten strengen Zeit: daß die Klöster von Cisterz
    immer in Sümpfen und Niederungen, das heißt in
    ungesunden Gegenden, gebaut werden sollten, da-
    mit die Brüder dieses Ordens jederzeit den Tod vor
    Augen hätten.1)
    Die Sage von der Erbauung Kloster Lehnins nimmt
    jedoch keine solche allgemeine Ordensregel in Aus-
    sicht, sondern führt die Gründung desselben auf ei-
    nen bestimmten Vorgang zurück. Diesen Vorgang
    erzählt der böhmische Schriftsteller Pulkava (wie er
    ausdrücklich beifügt, »nach einer brandenburgischen
    Chronik«) wie folgt: »Otto I., der Sohn Albrecht des
    Bären, jagte einen Tag lang in den dichten Waldre-
    vieren der Zauche und warf sich endlich müd und

    1641
    matt an ebender Stelle nieder, wo später Kloster
    Lehnin erbaut wurde. Er schlief ein und hatte eine
    Vision. Er sah im Traum eine Hirschkuh, die ihn ohne
    Unterlaß belästigte. Endlich ergriff er Bogen und Pfeil und schoß sie nieder. Als er erwachte und seinen
    Traum erzählte, drangen die Seinen in ihn, daß er an
    dieser Stelle eine Burg gegen die heidnischen Slawen errichten solle – die andrängende, immer lästiger
    werdende Hirschkuh erschien ihnen als ein Sinnbild
    des Heidentums, das in diesen Wäldern und Sümpfen
    allerdings noch eine Stätte hatte. Der Markgraf erwi-
    derte: ›Eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg,
    von der aus unsere teuflischen Widersacher durch
    die Stimmen geistlicher Männer weit fortgescheucht werden sollen, eine Burg, in der ich ruhig den Jüngsten Tag erwarten will.‹ Und sofort schickte er zum
    Abt des Zisterzienserklosters Sittichenbach, im
    Mansfeldischen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder
    aus seinem Konvente, zur Gründung eines neuen
    Klosters, senden möchte. Die Brüder kamen. Mark-
    graf Otto aber gab dem Kloster den Namen Lehnin,
    denn Lehnije heißt Hirschkuh im Slawischen.« So der
    böhmische Geschichtsschreiber.
    Das Kloster wurde gebaut, vor allem die Kloster kir-
    che . Sie bestand in ihrer ursprünglichen Form bis zum Jahre 1262. In diesem Jahre ließ die rasch
    wachsende Bedeutung des Klosters das, was da war,
    nicht länger als ausreichend erscheinen, und ein An-
    bau wurde beschlossen. Dieser Anbau fiel in die erste
    Blütezeit der Gotik, und mit der ganzen Unbefangen-
    heit des Mittelalters, das bekanntlich immer baute,
    wie ihm gerade ums Herz war, und keine Rücksicht-

    1642
    nahme auf den Baustil zurückliegender Epochen
    kannte, wurde nunmehr das romanische Kurzschiff
    der ersten Anlage durch ein gotisches Längsschiff
    erweitert . Dieser Erweiterungsbau hat der Zeit und sonstigem Wirrsal schlechter zu widerstehen vermocht als der ältere Teil der Kirche; das Alte steht,
    der Anbau liegt in Trümmern. Unsere Schilderung
    führt uns später auf ihn zurück.
    Unsere nächsten Untersuchungen aber gehören der
    Geschichte des Klosters. Wir knüpfen die Aufzählung seiner Schicksale an eine Geschichte seiner Äbte.

    1. Der Orden, ohne geradezu in Askese zu ver-
    fallen, war doch in den ersten fünfzig Jahren
    seines Bestehens überall rigorös und unter-
    schied sich auch dadurch von den Benedikti-
    nern, die, gestützt auf die Unterweisungen
    des heiligen Benedikt selber, diesen Rigoris-
    mus vermieden. Schon im zehnten Jahrhun-
    dert hieß es deshalb spöttisch: »die Regel des
    heiligen Benedikt scheine für schwächliche
    Leute geschrieben«. Die Gründer des Zister-
    zienserordens gingen von einer verwandten
    Anschauung aus, und aus der ersten Zeit des
    Ordens her finden sich folgende Vorschriften:
    1. Die Unterlage des Bettes ist Stroh. Polster
    sind untersagt.

    1643
    2. Als Speise dienen gekochte Gemüse, dar-
    unter Buchenblätter . Kein Fleisch.
    3. In der Kirche soll sich ein offenes Grab be-
    finden, um an die Hinnfälligkeit des Daseins
    zu mahnen.

    2. Die Äbte von Lehnin

    Heut sind es grade hundert Jahr,
    Seit er gelegen auf der Bahr
    Mit seinem Kreuz und Silberstabe.
    Die Ew'ge Lamp an seinem Grabe
    Hat heute hundert Jahr gebrannt.
    Hier war zu Hause kluger Rat,
    Hier hat der mächtige Prälat
    Des Hauses Chronik einst geschrieben.
    Annette Droste-Hülshoff

    Eh wir dazu übergehen, von den einzelnen leitenden
    Persönlichkeiten des Klosters, soweit dieselben über-
    haupt eine Geschichte haben, eingehender zu spre-
    chen, mögen hier einige vorgängige Bemerkungen

    1644
    über die Lehniner Äbte überhaupt eine Stelle finden.
    Wenn dabei einzelne Dinge von mehr oder weniger
    allgemeinem Charakter mit aufgeführt werden soll-
    ten,

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