Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ersten strengen Zeit: daß die Klöster von Cisterz
immer in Sümpfen und Niederungen, das heißt in
ungesunden Gegenden, gebaut werden sollten, da-
mit die Brüder dieses Ordens jederzeit den Tod vor
Augen hätten.1)
Die Sage von der Erbauung Kloster Lehnins nimmt
jedoch keine solche allgemeine Ordensregel in Aus-
sicht, sondern führt die Gründung desselben auf ei-
nen bestimmten Vorgang zurück. Diesen Vorgang
erzählt der böhmische Schriftsteller Pulkava (wie er
ausdrücklich beifügt, »nach einer brandenburgischen
Chronik«) wie folgt: »Otto I., der Sohn Albrecht des
Bären, jagte einen Tag lang in den dichten Waldre-
vieren der Zauche und warf sich endlich müd und
1641
matt an ebender Stelle nieder, wo später Kloster
Lehnin erbaut wurde. Er schlief ein und hatte eine
Vision. Er sah im Traum eine Hirschkuh, die ihn ohne
Unterlaß belästigte. Endlich ergriff er Bogen und Pfeil und schoß sie nieder. Als er erwachte und seinen
Traum erzählte, drangen die Seinen in ihn, daß er an
dieser Stelle eine Burg gegen die heidnischen Slawen errichten solle – die andrängende, immer lästiger
werdende Hirschkuh erschien ihnen als ein Sinnbild
des Heidentums, das in diesen Wäldern und Sümpfen
allerdings noch eine Stätte hatte. Der Markgraf erwi-
derte: ›Eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg,
von der aus unsere teuflischen Widersacher durch
die Stimmen geistlicher Männer weit fortgescheucht werden sollen, eine Burg, in der ich ruhig den Jüngsten Tag erwarten will.‹ Und sofort schickte er zum
Abt des Zisterzienserklosters Sittichenbach, im
Mansfeldischen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder
aus seinem Konvente, zur Gründung eines neuen
Klosters, senden möchte. Die Brüder kamen. Mark-
graf Otto aber gab dem Kloster den Namen Lehnin,
denn Lehnije heißt Hirschkuh im Slawischen.« So der
böhmische Geschichtsschreiber.
Das Kloster wurde gebaut, vor allem die Kloster kir-
che . Sie bestand in ihrer ursprünglichen Form bis zum Jahre 1262. In diesem Jahre ließ die rasch
wachsende Bedeutung des Klosters das, was da war,
nicht länger als ausreichend erscheinen, und ein An-
bau wurde beschlossen. Dieser Anbau fiel in die erste
Blütezeit der Gotik, und mit der ganzen Unbefangen-
heit des Mittelalters, das bekanntlich immer baute,
wie ihm gerade ums Herz war, und keine Rücksicht-
1642
nahme auf den Baustil zurückliegender Epochen
kannte, wurde nunmehr das romanische Kurzschiff
der ersten Anlage durch ein gotisches Längsschiff
erweitert . Dieser Erweiterungsbau hat der Zeit und sonstigem Wirrsal schlechter zu widerstehen vermocht als der ältere Teil der Kirche; das Alte steht,
der Anbau liegt in Trümmern. Unsere Schilderung
führt uns später auf ihn zurück.
Unsere nächsten Untersuchungen aber gehören der
Geschichte des Klosters. Wir knüpfen die Aufzählung seiner Schicksale an eine Geschichte seiner Äbte.
1. Der Orden, ohne geradezu in Askese zu ver-
fallen, war doch in den ersten fünfzig Jahren
seines Bestehens überall rigorös und unter-
schied sich auch dadurch von den Benedikti-
nern, die, gestützt auf die Unterweisungen
des heiligen Benedikt selber, diesen Rigoris-
mus vermieden. Schon im zehnten Jahrhun-
dert hieß es deshalb spöttisch: »die Regel des
heiligen Benedikt scheine für schwächliche
Leute geschrieben«. Die Gründer des Zister-
zienserordens gingen von einer verwandten
Anschauung aus, und aus der ersten Zeit des
Ordens her finden sich folgende Vorschriften:
1. Die Unterlage des Bettes ist Stroh. Polster
sind untersagt.
1643
2. Als Speise dienen gekochte Gemüse, dar-
unter Buchenblätter . Kein Fleisch.
3. In der Kirche soll sich ein offenes Grab be-
finden, um an die Hinnfälligkeit des Daseins
zu mahnen.
2. Die Äbte von Lehnin
Heut sind es grade hundert Jahr,
Seit er gelegen auf der Bahr
Mit seinem Kreuz und Silberstabe.
Die Ew'ge Lamp an seinem Grabe
Hat heute hundert Jahr gebrannt.
Hier war zu Hause kluger Rat,
Hier hat der mächtige Prälat
Des Hauses Chronik einst geschrieben.
Annette Droste-Hülshoff
Eh wir dazu übergehen, von den einzelnen leitenden
Persönlichkeiten des Klosters, soweit dieselben über-
haupt eine Geschichte haben, eingehender zu spre-
chen, mögen hier einige vorgängige Bemerkungen
1644
über die Lehniner Äbte überhaupt eine Stelle finden.
Wenn dabei einzelne Dinge von mehr oder weniger
allgemeinem Charakter mit aufgeführt werden soll-
ten,
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