Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
großes Aufsehen, da in denselben mit be-
    merkenswertem Geschick und jedenfalls mit unge-

    1689
    wöhnlicher poetischer Begabung das Aussterben der
    Hohenzollern in der elften Generation nach Joa-
    chim I. und die gleichzeitige Rückkehr der Mark in
    den Schoß der katholischen Kirche prophezeit wurde.
    Eine solche Prophezeiung war durchaus dazu ange-
    tan, Aufsehn zu erregen, da es auch damals (1721)
    in Deutschland nicht an Parteien fehlte, die freudig
    aufhorchten, wenn der Untergang der Hohenzollern
    in nähere oder fernere Aussicht gestellt wurde. In
    Berlin selbst, wie sich annehmen läßt, war das Inte-
    resse nicht geringer, und man begann nachzufor-
    schen, nach welchem Manuskript die Veröffentli-
    chung dieser Weissagung erfolgt sein könne. Diese
    Nachforschungen führten zuletzt auf eine mehr oder
    weniger alte Handschrift, die etwa um 1693 in der
    nachgelassenen Bibliothek des in dem genannten
    Jahre verstorbenen Kammergerichtsrat Seidel aufge-
    funden worden war.
    Diese älteste Handschrift, die übrigens nie die Prä-
    tension erhob, das rätselvolle Original aus dem Jahre 1300 sein zu wollen, existierte bis 1796 im
    Staatsarchiv. In ebendiesem Jahre wurde sie durch
    Friedrich Wilhelm II. nach Charlottenburg gefordert
    und von dort nicht wieder remittiert . Man muß annehmen, daß sie verlorengegangen ist. Die vier äl-
    testen Abschriften, die jetzt noch in der Königlichen Bibliothek vorhanden sind, gehören, ihrer Schrift
    nach, dem Anfange des vorigen Jahrhunderts an.
    Jedenfalls also fehlt nicht nur das wirkliche Original , sondern auch alles, was sich, wohl oder übel, als
    Original ausgeben könnte! Hiermit fällt selbstver-
    ständlich die Möglichkeit fort, aus allerlei äußerlichen 1690
    Anzeichen, wie Handschrift, Initialen, Pergament
    etc., irgend etwas für die Echtheit oder Unechtheit
    beweisen zu wollen, und wir haben die Beweise pro
    und contra eben woanders zu suchen. Solche Unter-
    suchungen sind denn nun auch, gleich vom ersten
    Erscheinen der »Weissagung« an, vielfach angestellt
    worden und haben im Lauf von anderthalbhundert
    Jahren zu einer ganzen Literatur geführt. Katholi-
    scher- und seit einem Vierteljahrhundert auch de-
    mokratischerseits hat man ebenso beharrlich die
    Echtheit der Weissagung wie protestantisch-
    preußischerseits die Unechtheit zu beweisen getrach-
    tet. Nur wenige Ausnahmen von dieser Regel kom-
    men vor. Die demokratischen Paraphrasen und Deu-
    tungen, die an die Weissagung anknüpfen, sind
    sämtlich tendenziöser Natur, bloße Pamphlete und haben keinen Anspruch, hier ernstlicher in Erwägung
    gezogen zu werden; sie rühren aus den Jahren 1848
    und 1849 her und sind eigentlich nichts andres als
    damals gern geglaubte Versicherungen, der Stern
    der Hohenzollern sei im Erlöschen. Was die katholi-
    schen Arbeiten angeht, die alle für die Echtheit ein-
    treten, so sind sicherlich viele derselben bona fide
    geschrieben, dennoch haben sie samt und sonders
    wenig Wert für die Entscheidung der Frage, da sie,
    ohne mit der Grundempfindung, aus der sie hervor-
    gingen, rechten zu wollen, doch schließlich aller ei-
    gentlichen Kritik entbehren.
    Unter den protestantischen Gelehrten, die sich mit
    dieser Frage beschäftigt haben, begegnen wir sehr
    bewährten, zum Teil sogar hervorragenden Namen:
    Oberbibliothekar Wilcken, Dr. C. L. Gieseler, Profes-

    1691
    sor Giesebrecht, Schulrat Otto Schulz, vor allem Pro-
    fessor Guhrauer in Breslau, meist Historiker, die mit
    einem großen Aufwand von Studium, Gelehrsamkeit
    und Scharfsinn die Unechtheit darzutun getrachtet
    haben. Sie haben indessen, meinem Ermessen nach,
    den Fehler gemacht, daß sie zu viel und manches an
    der unrechten Stelle haben beweisen wollen. Anstatt
    einen entscheidenden Schlag zu tun, haben sie viele Schläge getan, und wie es immer in solchen Fällen
    geht, sind die Schläge nicht nur vielfach nebenbei,
    sondern gelegentlich auch zurückgefallen. Man scha-
    det einem einzigen, aber ganzen Beweise jedesmal dadurch, daß man zur Anfügung vieler Halbbeweise
    schreitet, namentlich dann aber, wenn man bei der
    Anwendung unkünstlerisch verfährt und, statt aus
    dem Halben zum Ganzen fort zuschreiten, aus dem Ganzen zum Halben hin die Dinge zurück entwickelt.
    Ich sagte schon, die Angreifer hätten vielfach an un-
    rechter Stelle angegriffen; ich muß hinzusetzen,
    nicht bloß an unrechter Stelle, sondern gelegentlich
    just an dem allerstärksten Punkte der feindlichen
    Position. Dieser

Weitere Kostenlose Bücher