Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Unmittelbar vor ihm, in den Fußboden einge-
lassen, sah er dann, schlicht und unscheinbar, den
Stumpf der Eiche, unter der Markgraf Otto, der
Gründer des Klosters, seinen Traum gehabt hatte;
zwischen dem Stumpf und dem Altar aber lagen die
Grabsteine der Askanier, elf an der Zahl, die hier
innerhalb des Klosters, das ihr Ahnherr ins Leben
gerufen, ihre letzte Ruhestatt gesucht und gefunden
hatten.
Elf Askanier lagen hier und einträchtig neben ihnen
drei aus dem Hause der Hohenzollern, Friedrich mit
dem Eisenzahn, Johann Cicero und Joachim I. Dieser
stand nur ein einzig Jahr in der Gruft (von 1535
bis 1536), dann wurde sein Sarg, wie der Sarg sei-
nes Vaters und Großoheims, nach Berlin hin überge-
führt, wo ihnen im Dom eine Stätte bereitet war.
Jener Tag der Überführung der drei Särge von Lehnin
nach dem Dom in Cölln an der Spree war recht ei-
gentlich der Todestag Lehnins. Die Güter wurden
eingezogen, und innerhalb zwanzig Jahren war die
Umwandlung vollzogen – der Klosterhof war ein
Amtshof geworden. Der Krieg kam und begann sein
Werk der Zerstörung, aber schlimmer als die Hand
der Schweden und Kaiserlichen, die hier abwech-
1684
selnd ihr Kriegswesen trieben, griffen in Zeiten tiefs-
ten Friedens die Hände derer ein, die am ehsten die
Pflicht gehabt hätten, diese alte Stätte zu schützen
und zu wahren: die Um- und Anwohner selbst. Frei-
lich waren diese Um- und Anwohner zumeist nur
solche, die weder selbst noch auch ihre Väter und
Vorväter das alte Lehnin gekannt hatten.
1691 waren Landleute aus der Schweiz nach Amt
Lehnin berufen worden, um bessere Viehzucht da-
selbst einzuführen. Kloster Lehnin wurde nun ein
Steinbruch für Büdner und Kossäten, und Haue und
Pickaxt schlugen Wände und Pfeiler nieder. Die Re-
gierungen selbst, namentlich unter Friedrich Wil-
helm I., nahmen an diesem Vandalismus teil, und
weil die ganze Zeit eine die Vergangenheit schonen-
de Pietät nicht kannte, so geziemt es sich auch nicht,
dem einzelnen einen Vorwurf daraus zu machen, daß
er die Anschauungsweise teilte, die damals die gülti-
ge war. Kloster Lehnin, wär es nach dem guten Wil-
len seiner Schädiger gegangen, würde nur noch eine
Trümmerstätte sein, aber das alte Mauerwerk erwies
sich als fester und ausdauernder als alle Zerstö-
rungslust, und so hat sich ein Teil des Baues, durch
seine eigene Macht und Widerstandskraft, bis in un-
sere Tage hinein gerettet.
Werfen wir einen Blick auf das, was noch vorhanden
ist, von der Kirche sowohl wie von der ganzen Klos-
teranlage überhaupt! Der älteste Teil, der romani-
sche, steht; der gotische Teil liegt in Trümmern. Da,
wo diese Trümmer an den noch intakt erhaltenen Teil
der Kirche sich lehnen, hat man jetzt eine Quermau-
er gezogen und mit Hülfe dieser das Zerfallene von
1685
dem noch Erhaltenen geschieden. Das lange gotische
Schiff hat dadurch freilich aufgehört, ein Längsschiff
zu sein, und ist ein Kurzschiff geworden; die Seiten-
schiffe fehlen ganz, und die Pfeilerarkaden, die frü-
her die Verbindung zwischen dem Hauptschiff und
den zwei Seitenschiffen vermittelten, bilden jetzt,
nach Vermauerung ihrer Rundbogen, die Seitenwän-
de jenes einen kurzen Schiffes, das überhaupt noch vorhanden ist. An die Stelle frischer Farben ist die
leblose weiße Tünche getreten, und reparaturbedürf-
tige Kirchenstühle, über denen sich, an einer Seite
des Schiffs, eine ebenfalls hinfällige Empore mit ver-
gilbten Brautkronen und Totenkränzen entlangzieht,
steigern eher die Dürftigkeit des Anblicks, als daß sie sie minderten. Den Fußboden entlang, abgetreten
und ausgehöhlt, liegen rote Fliesen; die Grabsteine
sind fort, ebenso die schwebenden Heiligen mit roten
Bändern und Goldschein hoch oben an der Decke.
Alles, was einst glänzte und leuchtete, ist hin. Der
schon erwähnte Altarschrein mit Schnitzwerk und
Bilderpracht hat seine Stelle gewechselt, und statt
des Purpurs und Brokats ist die übliche schwarzwol-
lene Decke, die mehr zu einem Trauer- als zu einem
Freudenmahle paßt, über den schlichten Altartisch
gebreitet. Nur der alte, halb zu Stein gewordene Ei-
chenstumpf, einstens die lebendige Wurzel, aus der
dieses Kloster erwuchs, ist ihm geblieben und hat
alles überdauert, seinen Glanz und seinen Verfall.
Nichts mehr von Nischen und Marienbildern, von Ka-
pellen und askanischen Grabsteinen; nur Otto VI.,
auch Ottoken genannt, Schwiegersohn Kaiser
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