Wanderungen durch die Mark Brandenburg
ein mittelmäßiges Heu produzieren. Im
großen und ganzen darf man vom »Luche« sagen,
daß es weniger seine Produkte als vielmehr sich
selbst zu Markte bringt – den Torf . Denn das Luch besteht großenteils aus Torf. Seitdem es aufgehört
hat, ein bloßer Sumpf zu sein, ist es ein großes Gras-
und Torfland geworden. Linum, der Hauptsitz der
Torfgräbereien, ist das Newcastle unserer Residenz.
Wie das Havelland den Mittelpunkt Alt-Brandenburgs
bildet, so bildet das Luch wiederum den Mittelpunkt
des Havellandes. Das letztere (das heißt also der
west- und osthavelländische Kreis) ist ohngefähr
fünfzig Quadratmeilen groß; in diesen fünfzig Quad-
ratmeilen stecken die zweiundzwanzig Quadratmei-
len des Luchs wie ein Kern in der Schale. Die Form
dieses Kerns ist aber nicht rund, auch nicht oval oder
elliptisch, sondern pilzförmig . Ich werde gleich näher beschreiben, wie diese etwas ungewöhnliche Bezeichnung zu verstehen ist. Jeder meiner Leser kennt
jene Pilzarten mit kurzem dicken Stengel, die ein
breites schirmförmiges Dach und eine große kugel-
förmige Wurzel haben. Man nehme den Längsdurch-
schnitt eines solchen Pilzes und klebe ihn auf ein
kleines Quartblatt Papier, so wird man ein ziemlich
deutliches Bild gewinnen, welche Form »das Luch«
innerhalb des Havellandes einnimmt. Gleich der erste
Blick wird dem Beschauer zeigen, daß das Luch aus
1731
zwei Hälften , aus einer schirmförmig-nördlichen und einer kugelförmig-südlichen, besteht, die beide da,
wo der kurze Strunk des Pilzes läuft, nah zusammen-
treffen. Die schirmförmige Hälfte heißt das Rhin-
Luch , die kugelförmige das Havelländische Luch . Das Verbindungsstück zwischen beiden hat keinen besonderen Namen. Dies verhältnismäßig schmale,
dem Strunk des Pilzes entsprechende Verbindungs-
stück ist dadurch entstanden, daß sich von rechts
und links her Sandplateaus in den Luchgrund hinein-
geschoben haben. Diese Sandplateaus führen wohl-
gekannte Namen; das östliche ist das zu besondrem
historischen Ansehn gelangte »Ländchen Bellin«, das
westliche heißt »Ländchen Friesack«. Diese beiden
»Ländchen« sind alte Sitze der Kultur, und ihre
Hauptstädte, Fehrbellin und Friesack, wurden schon
genannt, als beide Luche, das Rhin-Luch wie das
Havelländische, noch einem See glichen, der in der
Sommerzeit zu einem ungesunden, unsicheren
Sumpfland zusammentrocknete.
Klöden hat den früheren Zustand der Luchgegenden
sehr schön und mit poetischer Anschaulichkeit ge-
schildert. Er schreibt: »Es war eine wilde Urgegend,
wie die Hand der Natur sie gebildet hatte, ein Seiten-
stück zu den Urwäldern Südamerikas, nur kleiner
und nicht Wald, sondern Luch. Es zeigte damals in
großer Ausdehnung, was kleinere Bruchflächen der
Mark noch jetzt zeigen. Weit und breit bedeckte ein
Rasen aus zusammengefilzter Wurzeldecke von
bräunlichgrüner Farbe die wassergleiche Ebene, de-
ren kurze Grashalme besonders den Riedgräsern
angehörten. In jedem Frühjahr quoll der Boden
1732
durch das hervordringende Grundwasser auf, die
Rasendecke hob sich in die Höhe, bildete eine
schwimmende, elastische Fläche, welche bei jedem
Schritt unter den Füßen einsank, während sich rings-
um ein flach trichterförmig ansteigender Abhang bil-
dete. Andere Stellen, die sich nicht in die Höhe he-
ben konnten, sogenannte Lanken , wurden über-
schwemmt, und so glich das Luch in jedem Frühjahr
einem weiten See, über welchen jene Rasenstellen
wie grüne, schwimmende Inseln hervorragten, wäh-
rend an anderen Stellen Weiden, Erlen und Birken-
gebüsch sich im Wasser spiegelten oder da, wo sie
auf einzelnen Sandhügeln, den sogenannten Hors-
ten , gewachsen waren, kleine Waldeilande darstellten. Solcher Horsten gab es mehrere, von denen
einige mitten im Havelländischen Luche lagen. Die
umliegenden Ortschaften versuchten es, dem Luche
dadurch einigen Nutzen abzugewinnen, daß sie ihre
Kühe darin weiden ließen und das freilich schlechte
und saure Gras, so gut es ging, mähten. Beides war
nur mit großer Mühseligkeit zu erreichen. Das Vieh
mußte häufig durch die Lanken schwimmen, um
Grasstellen zu finden, oder es sank in die weiche
Decke tief ein, zertrat dieselbe, daß bei jedem Fuß-
tritt der braune Moderschlamm hervorquoll, ja daß
es sich oft nur mit großer Mühe wieder herausarbei-
tete. Oft blieb eine Kuh im Moraste stecken und ward
nach unsäglicher Mühe kalt,
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