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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ein mittelmäßiges Heu produzieren. Im
    großen und ganzen darf man vom »Luche« sagen,
    daß es weniger seine Produkte als vielmehr sich
    selbst zu Markte bringt – den Torf . Denn das Luch besteht großenteils aus Torf. Seitdem es aufgehört
    hat, ein bloßer Sumpf zu sein, ist es ein großes Gras-
    und Torfland geworden. Linum, der Hauptsitz der
    Torfgräbereien, ist das Newcastle unserer Residenz.
    Wie das Havelland den Mittelpunkt Alt-Brandenburgs
    bildet, so bildet das Luch wiederum den Mittelpunkt
    des Havellandes. Das letztere (das heißt also der
    west- und osthavelländische Kreis) ist ohngefähr
    fünfzig Quadratmeilen groß; in diesen fünfzig Quad-
    ratmeilen stecken die zweiundzwanzig Quadratmei-
    len des Luchs wie ein Kern in der Schale. Die Form
    dieses Kerns ist aber nicht rund, auch nicht oval oder
    elliptisch, sondern pilzförmig . Ich werde gleich näher beschreiben, wie diese etwas ungewöhnliche Bezeichnung zu verstehen ist. Jeder meiner Leser kennt
    jene Pilzarten mit kurzem dicken Stengel, die ein
    breites schirmförmiges Dach und eine große kugel-
    förmige Wurzel haben. Man nehme den Längsdurch-
    schnitt eines solchen Pilzes und klebe ihn auf ein
    kleines Quartblatt Papier, so wird man ein ziemlich
    deutliches Bild gewinnen, welche Form »das Luch«
    innerhalb des Havellandes einnimmt. Gleich der erste
    Blick wird dem Beschauer zeigen, daß das Luch aus

    1731
    zwei Hälften , aus einer schirmförmig-nördlichen und einer kugelförmig-südlichen, besteht, die beide da,
    wo der kurze Strunk des Pilzes läuft, nah zusammen-
    treffen. Die schirmförmige Hälfte heißt das Rhin-
    Luch , die kugelförmige das Havelländische Luch . Das Verbindungsstück zwischen beiden hat keinen besonderen Namen. Dies verhältnismäßig schmale,
    dem Strunk des Pilzes entsprechende Verbindungs-
    stück ist dadurch entstanden, daß sich von rechts
    und links her Sandplateaus in den Luchgrund hinein-
    geschoben haben. Diese Sandplateaus führen wohl-
    gekannte Namen; das östliche ist das zu besondrem
    historischen Ansehn gelangte »Ländchen Bellin«, das
    westliche heißt »Ländchen Friesack«. Diese beiden
    »Ländchen« sind alte Sitze der Kultur, und ihre
    Hauptstädte, Fehrbellin und Friesack, wurden schon
    genannt, als beide Luche, das Rhin-Luch wie das
    Havelländische, noch einem See glichen, der in der
    Sommerzeit zu einem ungesunden, unsicheren
    Sumpfland zusammentrocknete.
    Klöden hat den früheren Zustand der Luchgegenden
    sehr schön und mit poetischer Anschaulichkeit ge-
    schildert. Er schreibt: »Es war eine wilde Urgegend,
    wie die Hand der Natur sie gebildet hatte, ein Seiten-
    stück zu den Urwäldern Südamerikas, nur kleiner
    und nicht Wald, sondern Luch. Es zeigte damals in
    großer Ausdehnung, was kleinere Bruchflächen der
    Mark noch jetzt zeigen. Weit und breit bedeckte ein
    Rasen aus zusammengefilzter Wurzeldecke von
    bräunlichgrüner Farbe die wassergleiche Ebene, de-
    ren kurze Grashalme besonders den Riedgräsern
    angehörten. In jedem Frühjahr quoll der Boden

    1732
    durch das hervordringende Grundwasser auf, die
    Rasendecke hob sich in die Höhe, bildete eine
    schwimmende, elastische Fläche, welche bei jedem
    Schritt unter den Füßen einsank, während sich rings-
    um ein flach trichterförmig ansteigender Abhang bil-
    dete. Andere Stellen, die sich nicht in die Höhe he-
    ben konnten, sogenannte Lanken , wurden über-
    schwemmt, und so glich das Luch in jedem Frühjahr
    einem weiten See, über welchen jene Rasenstellen
    wie grüne, schwimmende Inseln hervorragten, wäh-
    rend an anderen Stellen Weiden, Erlen und Birken-
    gebüsch sich im Wasser spiegelten oder da, wo sie
    auf einzelnen Sandhügeln, den sogenannten Hors-
    ten , gewachsen waren, kleine Waldeilande darstellten. Solcher Horsten gab es mehrere, von denen
    einige mitten im Havelländischen Luche lagen. Die
    umliegenden Ortschaften versuchten es, dem Luche
    dadurch einigen Nutzen abzugewinnen, daß sie ihre
    Kühe darin weiden ließen und das freilich schlechte
    und saure Gras, so gut es ging, mähten. Beides war
    nur mit großer Mühseligkeit zu erreichen. Das Vieh
    mußte häufig durch die Lanken schwimmen, um
    Grasstellen zu finden, oder es sank in die weiche
    Decke tief ein, zertrat dieselbe, daß bei jedem Fuß-
    tritt der braune Moderschlamm hervorquoll, ja daß
    es sich oft nur mit großer Mühe wieder herausarbei-
    tete. Oft blieb eine Kuh im Moraste stecken und ward
    nach unsäglicher Mühe kalt,

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