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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    einen Schimmer durch eingeschnittene Öffnungen,
    alle aber sind bedrohlich durch ihre Steile und Grad-
    linigkeit und machen einem die Weisheit der alten
    Baumeister wieder gegenwärtig, die ihre Treppen
    spiralförmig durch die dicke Wandung der Türme
    zogen und dadurch die Gefahr beseitigten, funfzig
    Fuß und mehr erbarmungslos hinabzustürzen.
    Die Treppe frei und gradlinig. Und doch ist es ein
    Ersteigen mit Hindernissen: die Schlüssel versagen
    den Dienst in den rostigen Schlössern, und man
    merkt, daß die Höhe von Sankt Nikolai zu Spandau
    keine täglichen Gäste hat, wie Sankt Stephan in
    Wien oder Sankt Paul in London. Endlich sind wir an
    Uhr und Glockenwerken vorbei, haben das Schlüs-
    selbund, im Kampf mit Großschlössern und Vorlege-
    schlössern, siegreich durchprobiert und steigen nun,
    durch eine letzte Klappenöffnung, in die luftige La-
    terne hinein, die den steinernen Turmbau krönt. Kei-
    ne Fenster und Blenden sind zu öffnen, frei bläst der
    Wind durch das gebrechliche Holzwerk. Das ist die
    Stelle, die wir suchten. Ein Luginsland.
    Zu Füßen uns, in scharfer Zeichnung, als läge eine
    Karte vor uns ausgebreitet, die Zickzackwälle der
    Festung; ostwärts im grauen Dämmer die Türme von
    Berlin; nördlich, südlich die bucht- und seenreiche
    Havel, inselbetupfelt, mit Flößen und Kähnen über-
    deckt; nach Westen hin aber ein breites, kaum hier
    und da von einer Hügelwelle unterbrochenes Flach-
    land, das Havelland .

    1728
    Wer hier an einem Junitage stände, der würde hin-
    ausblicken in üppig grüne Wiesen, durchwirkt von
    Raps- und Weizenfeldern, gesprenkelt mit Büschen
    und roten Dächern, ein Bild moderner Kultur; an
    diesem frostigen Dezembertage aber liegt das schö-
    ne Havelland brachfeldartig vor uns ausgebreitet,
    eine graubraune, heideartige Fläche, durch welche
    sich in breiten blanken Spiegeln, wie Seeflächen, die
    Grundwasser und übergetretenen Gräben dieser Nie-
    derungen ziehen. Wir haben diesen Tag gewählt, um
    den flußumspannten Streifen Landes, der uns auf
    diesen und den folgenden Seiten beschäftigen soll, in
    der Gestalt zu sehen, in der er sich in alten, fast ein Jahrtausend zurückliegenden Zeiten darstellte. Ein
    grauer Himmel über grauem Land, nur ein Krähen-
    volk aufsteigend aus dem Weidenwege, der sich an
    den Wasserlachen entlangzieht, so war das Land von
    Anfang an: öde, still, Wasser, Weide, Wald.
    Freilich, auch dieses Dezembertages winterliche
    Hand hat das Leben nicht völlig abstreifen können,
    das hier langsam, aber siegreich nach Herrschaft
    gerungen hat. Dort zwischen Wasser und Weiden hin
    läuft ein Damm, im ersten Augenblicke nur wie eine
    braune Linie von unserem Turm aus bemerkbar; a-
    ber jetzt gewinnt die Linie mehr und mehr Gestalt;
    denn zischend, brausend, dampfend, dazwischen
    einen Funkenregen ausstreuend, rasseln jetzt von
    zwei Seiten her die langen Wagenreihen zweier Züge
    heran und fliegen – an derselben Stelle vielleicht, wo
    einst Jaczko und Albrecht der Bär sich trafen – an-
    einander vorüber. Das Ganze wie ein Blitz!

    1729
    Der Tag neigt sich; der Sonnenball lugt nur noch
    blutrot aus dem Grau des Horizonts hervor. Ein roter
    Schein läuft über die grauen Wasserflächen hin. Nun
    ist die Sonne unter, die Nebel steigen auf und wälzen
    sich von Westen her auf die Stadt und unsere Turm-
    stelle zu. Noch sehen wir, wie aus dem nächsten
    Röhricht ein Volk Enten aufsteigt; aber ehe es in die
    nächste Lache niederfällt, ist das schwarze Geflatter
    in dem allgemeinen Grau verschwunden.
    Das Havelland träumt wieder von alter Zeit.

    Das Havelländische Luch

    Es schien das Abendrot
    Auf diese sumpfgewordne Urwaldstätte,
    Wo ungestört das Leben mit dem Tod
    Jahrtausendlang gekämpfet um die Wette.
    Lenau

    Das Havelland, oder, mit andere Worten, jene nach
    drei Seiten hin von der Havel1), nach der vierten aber
    vom Rhin-Flüßchen eingeschlossene Havelinsel, be-
    stand in alter Zeit aus großen, nur hier und dort von
    Sand- oder Lehmplateaus unterbrochenen Sumpf-
    strecken, die sich, trotz der mannigfachsten Verän-
    derungen und Umbildungen, bis diesen Tag unter
    dem Sondernamen » das Havelländische Luch « oder

    1730
    auch bloß » das Luch « erhalten haben. Und sie haben in der Tat Anspruch auf eine unterscheidende Bezeichnung, da sie in Form und Art von den fruchtba-
    ren Flußniederungen anderer Gegenden vielfach ab-
    weichen und zum Beispiel statt des Weizens und der
    Gerste nur

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