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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Ma-nerstaub auf allen Ästen und Zweigen. Was war zu
    tun? Gefahr war im Verzuge; der Besuch des Königs
    stand nahe bevor. Da trat ein leuchtender Gedanke
    auf die Lippe des einen der Geängstigten, und er
    sprach: » Feuerwehr! « Sie kam, ganz still, ohne Ge-klingel, und mit kunstvoll gemäßigtem Strahl wusch
    sie jetzt den Staub von dem schönen Baume ab, der
    nun bald schöner und frischer dastand als je zuvor.
    Er trieb neue Zweige, als ob er sagen wollte: »Wir
    leben noch.«
    Frisch und grün, wie der jüngsten einer, so steht er
    wieder da, schön im Sommer, aber am schönsten in
    Dezembernächten, wenn seine obere Hälfte sich un-
    ter dem Schnee beugt, während unten die Zweige
    wie unter einem Dache weitergrünen. Dies Schnee-
    dach ist sein Schmuck und – sein Schutz. Das zeigte
    sich vor einigen Jahren. Der Schnee lag so dicht auf
    ihm, daß es schien, seine Oberzweige würden bre-
    chen. Mißverstandene Sorgfalt fegte und kehrte den
    Schnee herunter; da gingen im nächsten Sommer
    einige jener Zweige aus, denen man mit dem
    Schneedach ihr warmes Winterkleid genommen hat-
    te.

    1769
    Aber er hat's überwunden und grünt in Frische wei-
    ter, und wenn ihm wieder Gefahren drohen, so oder
    so, möge unser Eibenbaum immer einen treuen
    Freund haben, wie in alter Zeit.

    Dies Vorstehende wurde im Herbst 1862 geschrie-
    ben; in den Jahren, die seitdem vergangen sind,
    sammelte ich Material über allerhand »alte Bäume«,
    insonderheit auch über Eibenbäume , und ich lasse zunächst folgen, was ich darüber in Erfahrung brachte.
    Die Eibe , so scheint es, steht auf dem Aussterbeetat der Schöpfung. Wie bekanntlich im Laufe der Jahrtausende ganze Tiergeschlechter von der Erde ver-
    tilgt worden sind, so werden auch Baumarten ausgerottet oder doch nahezu bis zum Erlöschen gebracht.
    Unter diesen steht die Eibe (Taxus baccata) mit in erster Reihe. Einst in den Wäldern von ganz Europa,
    Nord und Süd, so häufig wie der Auerochs, das Elen-
    tier, begegnet man ihr in unseren Tagen nur noch
    ausnahmsweise. In Hecken und Spalieren trifft man
    kleinere Exemplare allerdings noch an, am häufigs-
    ten in Anlagen nach französischem Geschmack, aber
    große, imponierende Exemplare sind selten. Vor der
    waldvernichtenden Axt älterer Ansiedler und neuer
    Industrieller haben sich nur einzelne knorrige Taxus-
    bäume retten können, die jetzt, wo wir ihnen begeg-
    nen, ein ähnliches Gefühl wecken wie die Ruinen auf
    unseren Bergesgipfeln. Zeugen, Überbleibsel einer
    längst geschwundenen Zeit.

    1770
    In Mitteldeutschland ist dieser Baum jetzt schon
    recht selten, obwohl es bekannt ist, daß er hier, wie
    in ganz Europa, noch vor einem halben Jahrtausend
    allgemein vorkam. Zu Cäsars Zeiten war er, wie uns
    dieser gelehrte Feldherr selbst erzählt, sowohl in
    Gallien als in Germanien in großer Menge überall
    anzutreffen. Man findet in Thüringen nur noch ein-
    zelne verkrüppelte und verstümmelte Bäume. An
    einem einzigen Orte jedoch haben sie sich zahlrei-
    cher erhalten, nämlich am Veronikaberge bei Martin-
    roda, unweit Ilmenau, wo noch zwanzig bis dreißig
    Fuß hohe Individuen mit einem Stammdurchmesser
    von ein bis eineinviertel Fuß stehen. Daß die Eibe in
    Thüringen ehemals einen wesentlichen Bestandteil
    der Wälder ausgemacht habe, ergibt sich aus den
    Ortsnamen »Ibenhain«, »Taxberg«, »Eiba« und an-
    deren.
    Die ältesten und schönsten Exemplare dieses einst
    auch in Griechenland und Italien häufig gewesenen
    Nadelbaumes trifft man heutzutage noch in England
    an, besonders auf Friedhöfen, wo einzelne auf mehr
    als 2 000 Jahre geschätzte Stücke von prachtvollem
    Ansehen sich finden.2) Der Taxus ist in England der
    Baum der Trauer, wie die Zypresse in den Mittel-
    meerländern und die Trauerweide in Deutschland.
    »Albero della morte« nennen ihn übrigens auch die
    heutigen Italiener.
    Eine große, zum Teil noch nicht völlig aufgeklärte
    Rolle spielte die Eibe in dem Mythus der germani-
    schen und keltischen Völker, von der sich Nachklän-
    ge noch in manchen bis heute üblichen Gebräuchen

    1771
    erhalten haben. Wie der deutsche Name Eibe von
    dem gotischen aiw (ivi), ewig, herrührt, weil der
    Baum immer grün ist, und das keltische Wort yw
    (eiddew) dieselbe Wurzel hat, so war dieser während
    des langen und schneereichen nordischen Winters im
    frischen Blattschmuck prangende Baum in Britannien
    und Skandinavien den ewigen Göttern geweiht. Die
    Druiden hatten bei ihren

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