Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Statue der hohen Frau auf, die dieser Stadt den Namen und, über einen allerengsten Kreis hinaus, ein
Ansehen in der Geschichte unseres Landes gab. Da-
hinter, zwischen den Stäben eines Gittertors,
schimmern die Bäume des Parks hervor, unmittelbar
vor uns aber, nur durch die Breite des Platzes von
uns getrennt, ragt der alte Schloßbau selbst auf,
dessen Bild und dessen Geschichte uns heut beschäf-
tigen soll.
Wir haben die Front des Schlosses in aller Klarheit
vor uns, aber doch ist es nur die kleinere Hälfte, de-
ren wir von unserem Platz aus ansichtig werden. Die
1778
Form des Oranienburger Schlosses in seiner Blütezeit
war die eines lateinischen H, oder, mit anderen Wor-
ten, es bestand aus einem Haupt- oder Mittelstück
(corps de logis), an das sich zwei Vorder- und zwei
Hinterflügel lehnten. Die beiden Hinterflügel existie-
ren noch, entziehen sich aber unserem Blick; von
den Vorderflügeln wurde der eine (der rechts gele-
gene) durch Feuer zerstört.
Schloß Oranienburg, wenn wir diese Bezeichnung
zunächst unterschiedlos und mit einer Art rückwir-
kender Kraft festhalten wollen, ist ein alter Schloß-
und Burgbau, der sich an derselben Stelle, das heißt
also auf der kleinen, vor uns gelegenen Havelinsel,
seit nah an 700 Jahren erhebt. Wir haben hier, wie
bei verschiedenen andern Hohenzollerschen Schlös-
sern, drei Epochen zu unterscheiden, drei Epochen,
die sich in aller Kürze durch drei bestimmte Worte
bezeichnen lassen: Burg, Jagdhaus, Schloß . Erst das
»Schloß« (wir werden bald sehen, aus welcher Ver-
anlassung) empfing den Namen Oranienburg, wäh-
rend Burg und Jagdhaus den Namen Bötzow, das
heißt den Namen jenes uralten wendischen Dorfes
führten, den die vordringenden Deutschen bei ihrer
Eroberung des Landes bereits vorfanden. Die Ge-
schichte kennt also bis in die Mitte des siebzehnten
Jahrhunderts hinein nur eine »Burg Bötzow« respek-
tive ein »Jagdhaus zu Bötzow«; erst von den Tagen
der Oranierin an, die hier ein » Schloß «, einen verhältnismäßig prächtigen Neubau, an alter Stelle er-
stehen ließ, existiert ein Oranienburg .
1779
Burg und Jagdhaus Bötzow von
1200 bis 1650
Wann Burg Bötzow gegründet wurde, ist nicht genau
ersichtlich, wahrscheinlich zwischen 1170 und 1200
von einem der unmittelbaren Nachfolger Albrecht des
Bären. 1217 ist urkundlich von einer Feldmark zu Bötzow die Rede, aber freilich erst 1288 von einer
Burg zu Bötzow. Nichtsdestoweniger ist der Schluß berechtigt, daß sie schon volle hundert Jahre früher
existierte. Öfter genannt wird die Burg zu den Zeiten
des Markgrafen Waldemar; Leben und Farbe jedoch
erhalten die Überlieferungen erst zu Anfang des fünf-
zehnten Jahrhunderts während der Quitzow -Zeit.
Versuch ich es, in kurzen Zügen ein Bild jener Epo-
che zu geben.
1402 war Bötzow eine markgräfliche oder kurfürstli-
che Burg, die durch einen Burgvogt im Namen des
Markgrafen Jobst von Mähren, oder vielleicht auch
seines Statthalters, Günther von Schwarzburg,
gehalten wurde. Das Elend des Landes stand damals
auf seiner Höhe; wie ein hingeworfener Fetzen lag es
da, von dem jeder Nachbar, ja jeder ehrgeizige Va-
sall im Lande selbst glaubte nehmen zu dürfen, was
ihm gut erschien. Sie hatten es samt und sonders
leicht genug; um aber noch sicherer und bequemer
zu gehen, vereinigten sie sich zu gemeinschaftlichen
Angriffen, nachdem die Verteilung der Beute zuvor
festgesetzt worden war. Im genannten Jahre (1402)
1780
kam es zu einer Art von nordischem Bündnis gegen
die offen daliegende Mark, zu einer Ligue, die aus
den Herzögen von Mecklenburg und Pommern sowie
aus den ruppinschen Grafen bestand, deren Seele
jedoch die Quitzows waren. Die letztern, wiewohl
selber Lehnsträger des Markgrafen, verfolgten, politisch genommen, den richtigen und gutzuheißenden Plan, sich in dem immer herrenloser werdenden Lande schließlich selber zum Herrn zu machen, und die
Bündnisse, die sie schlossen, dienten ihnen nur als
Mittel zum Zweck. Die Völker dieser Ligue fielen end-
lich in die Mark ein, sengten und plünderten, wohin
sie kamen, erstürmten Burg Bötzow und legten an-
stelle der märkischen nunmehr eine pommersche
Besatzung in die Burg. Die Mark, nachdem die kur-
fürstliche Autorität durch diese Vorgänge, besonders
aber infolge der Gefangennahme des Statthalters
Günther von Schwarzburg (durch die Quitzows 1404)
einen Schlag nach dem andern erfahren
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