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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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war im Herbst 1866. Dem siegreichen Kriege,
    als eigentlichste Schöpfung desselben, folgte, das
    Jahr darauf, der » Norddeutsche Reichstag «, der, von 1867 bis 1870 in den Räumen des Herrenhauses
    tagend, auch nun seinerseits in Beziehungen zu un-
    serem alten Eibenbaume trat. In die heitersten. Die
    Debattenflüchtlinge, sooft es das Wetter erlaubte,
    pflegten hier zu tagen, und während drinnen im Saa-
    le der Redner noch nach Beifall rang, unterlag er hier
    draußen bereits einer zersetzenden Kritik. Der Witz
    goß seine Lauge unter dem Eibenbaume aus.
    Aber er, der Alte, an dem so viele Zeiten ihre Eigen-
    art versucht hatten, überdauerte auch das , und eben jetzt (15. Mai 1872) haben alle seine Zweige neue
    Schößlinge getrieben, die, hellgelblich schimmernd,
    fast wie Holunderdolden auf dem dunklen Unter-
    grunde liegen und den schönen Baum schöner und
    frischer erscheinen lassen denn je zuvor.

    1. Die schönste Zeder (eigentlich ein Taxodium) steht im Schloßpark zu Gusow, der größte

    1775
    Birnbaum im Predigergarten zu Werneuchen.

    2. England, wie bekannt, ist überhaupt das Land
    schöner alter Bäume und einer entsprechend
    sorglichen Kultur. So befindet sich beispiels-
    weise in der Nähe von Cumberlandlodge im
    Windsor-Park ein Leviathan-Weinstock, wel-
    cher ein einzelnes Haus von 138 Fuß Länge
    und 20 Fuß Breite gänzlich ausfüllt. Er be-
    deckt gegen 2870 Quadratfuß Glas und bringt
    jedes Jahr durchschnittlich 2 000 Trauben
    hervor. Der mehr bekannte Weinstock in
    Hampton Court trug vor einigen Jahren
    1 400 Trauben, deren Wert man auf mehr als
    100 Pfund Sterling veranschlagte.

    Schloß Oranienburg
    Noch ragt der Bau, doch auf den breiten Treppen
    Kein Leben mehr, kein Rauschen seidner Schleppen,
    Die alten Mauem stehen öd und leer,
    's sind noch die alten, und – sie sind's nicht mehr.

    Die prächtige Havel, mit jener Fülle von Seen, die
    sie, namentlich um Potsdam herum, an ihrem blauen
    Bande aufreiht, ist, auf weite Strecken hin, wie ein

    1776
    Spiegel unsrer königlichen Schlösser, deren Schön-
    heit sie verdoppelt.
    Aber nicht überall zeigt sie diese breite Pracht.
    Schlicht, schmal, ein Wässerchen nur, tritt sie aus
    dem Mecklenburgischen in die Mark, um dann, auf
    ihrem ganzen Oberlaufe, ein Flüßchen zu bleiben,
    das nicht Inseln leicht und frei wie schwimmende
    Blätter trägt, sondern sich teilen muß, um hier und
    dort ein Stückchen Land mit dünnem Arm zu um-
    spannen. Nicht das Wasser der Herr und Sieger,
    sondern das Land.
    So gibt sich die Havel bei Oranienburg, dem unsere
    heutige Wanderung gilt. Der Weg dahin führt uns, an
    Tegel vorbei, zunächst bis an den romantischen
    Sandkrug , wo die Stehkrippen von unseren zwei
    Braunen mit lebhaftem Prusten begrüßt werden. Der
    Sandkrug verdient den Beinamen »romantisch«, den
    wir ihm soeben gegeben, denn die Forsten, die ihn
    einfassen, sind fast der einzige Punkt noch in der
    Umgegend Berlins, darin sich ein Stückchen mittelal-
    terlicher Wegelagerei erhalten hat, freilich von jener
    unpoetischeren Art, die statt des lauten Angriffs in
    Stahl und Eisen die Schoßkelle leise beschleicht und
    sich damit begnügt, statt der Hälse die Koffer abzu-
    schneiden.
    Sandkrug ist halber Weg. Noch eine anderthalbstün-
    dige Fahrt an Tannenholz und Dörfern vorbei, und
    wir halten auf einem großstädtisch angelegten Platz,
    über dem sich eben der prächtigste Regenbogen
    wölbt. Das ist der Schloßplatz von Oranienburg. Das

    1777
    Wetter klärt sich auf; die Sonne ist da. Das Haus,
    das uns aufnehmen soll, verbirgt sich fast hinter den
    Lindenbäumen, die es umstehen, und erweckt, ne-
    ben manchem anderen, unsere günstigsten Vorurtei-
    le auch dadurch, daß wir vernehmen, es sei Rathaus
    und Gasthaus zugleich. Wo Justiz und Gastlichkeit so
    nahe zusammen wohnen, da ist es gut sein. In alten
    Zeiten war das häufiger. Unsere Altvordern verstan-
    den sich besser auf Gemütlichkeit als wir.
    Die Luft ist warm und weich und ladet uns ein, un-
    sern Nachmittagskaffee im Freien zu nehmen. Da
    sitzen wir denn auf der Treppe des Hauses, die sich
    nach rechts und links hin zu einer Art Veranda erwei-
    tert, und freuen uns der Stille und der balsamischen
    Luft, die uns umgeben. Die Kronen der Lindenbäume
    sind unmittelbar über uns, und sooft ein Luftzug über
    den Platz weht, schüttelt er aus dem dichten Blatt-
    werk einzelne Regentropfen auf uns nieder. Zu unse-
    rer Linken, ziemlich in der Mitte des Platzes, ragt die

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