Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Heiligtümern ganze Haine
davon, und manche in Cäsars Zeiten hinaufragende
alte Eiben Englands mögen ehrwürdige Reste aus
solchen heiligen Hainen sein. In der Nähe des be-
rühmten heidnischen Tempels bei Upsala in Schwe-
den stand ebenfalls, wie A. Krantz erzählt, »ein ge-
waltiger Baum mit dicht belaubten Zweigen, ebenso
grün im Winter wie im Sommer; niemand kannte
seine Art«. Sehr wahrscheinlich war es eine Eibe.
Daß dieser Baum in alter Zeit für heilig und geheim-
nisvoll gehalten wurde, ergibt sich aus gar vielen
noch jetzt fortlebenden Bräuchen. In den östlichen
Schären Skandinaviens wird die Eibe allgemein zu
Maschenbrettern beim Netzstricken benutzt, weil
man glaubt, daß alle Netze, welche über Bretter aus
diesem Holze gestrickt worden sind, Glück beim
Fischfang bringen.
Aber nicht bloß für glückbringend und heilig, auch für
geeignet zu geheimnisvollem Zauber und selbst zu
teuflischem Beginnen galt und gilt noch der Eiben-
baum. Daher fehlen in der Macbethschen Hexenkü-
che neben dem Auge des Wassermolchs, dem Fle-
dermaushaar, Eidechsbein und Käuzchenflügel und
der gegabelten Natterzunge auch nicht
1772
»Eibenzweige, abgerissen
In des Mondes Finsternissen«.
In Thüringen heißt es, daß die »Ife« (Eibe) gegen
Viehbezauberung schütze. Die Hälfte der Bewohner
des Dorfes Angelroda bei Arnstadt, in dessen Nähe
Eibensträuche noch ziemlich häufig sind, zieht an
einem bestimmten Tage des Jahres hinaus und bricht
sich Taxuszweige ab, um sie in die Viehställe zu ste-
cken. Im Spessart meint man, daß ein Stück Eiben-
holz, am Körper getragen, allen Zauber vertreibe.
Das Volk sagt dort: »Vor der Euwe ka Zauber blei-
be.«
Im Altertume wurde die Eibe ihres elastischen und
festen Holzes wegen vorzüglich zu Bogen verwendet.
Ebenso machte man Pfeile aus deren zähem Kern-
holz. Während des ganzen Mittelalters gab so der
Eibenbaum den Stoff für die vorzüglichsten Kriegs-
waffen ab, besonders in England und Schweden.
Auch Uller, der nordische Jagdgott hatte nach der
»Edda« einen Eibenbogen (altnordisch ybogi). Heut-
zutage wird das rote oder purpurbraune Kernholz der
Eibe zu viel friedlicheren und prosaischeren Gegens-
tänden verarbeitet, namentlich zu Faßpipen. Beson-
ders in Ungarn werden aus dem dort sogenannten
»Theißholz« (»tisza-fa«, welcher Name aber nicht
auf die Theiß bezogen werden sollte, sondern slawi-
schen Ursprungs ist, da die Eibe slawisch tis heißt)
viele Haus- und Wirtschaftsgegenstände verfertigt
und zahlreiche Pipen aus Eibenholz in den Handel
gebracht.
1773
In modernem Englisch heißt die Eibe yew, der Efeu
ivy; dieses deutsch, jenes keltisch. Beide Wörter
(vergleiche oben) bedeuten »immergrün«.
Ich kehre, nach dieser Exkursion in die Eibenwelt im
allgemeinen, zu unserer Eibe im besonderen, im Her-
renhausgarten, zurück.
Auch an ihr gingen die letzten Ruhmesjahre preußi-
scher Geschichte nicht unbeachtet vorüber, ja einen
der schönsten Tage feierte sie mit. Noch wichtiger,
sie bereitete der Feier die Stätte. Unter ihrem Dache
gab am 20. September 1866 das Herrenhaus dem
siegreich heimkehrenden Heere ein Festmahl. Der
König saß unmittelbar rechts neben dem Eiben-
stamm und sah den Mittelgang des Gartens hinunter.
Das Schrägdach des Leinwandzeltes war in geschick-
ten Verschlingungen, streifenweise, durch das Ge-
zweig der Eibe gezogen; ringsumher brannte das
Gas in Sonnen und Sternen, ein Anblick, von dem
der alte Baum in seinen Jugendtagen schwerlich ge-
träumt haben mochte. Als das Fest auf seiner Höhe
war, erhob sich Graf Eberhard Stolberg zu einer An-
sprache, begrüßte den König und schloß dann pro-
phetisch fast: »Und sollten Euer Majestät noch ein-
mal zu den Waffen rufen, so wird Ihr Volk, wie es jetzt für seinen König geblutet und gesiegt hat, neue Taten mit eisernem Griffel in das Buch unserer glor-reichen Geschichte schreiben.« Der König antworte-
te: »... Sie wissen nicht, wie schwer es einem Fürs-
ten wird, das Wort ›Krieg‹ auszusprechen. Es war ein
1774
gewagter Krieg... Die Armee hat alle meine Erwar-
tungen übertroffen... Ich nehme gern die Gelegen-
heit wahr, derselben meinen Dank zu sagen; zuerst
meinem Sohne, hier zu meiner Rechten, meinem
Neffen Friedrich Karl, den kommandierenden Gene-
ralen, unter denen ich einen schmerzlich vermisse.
(Wahrscheinlich Hiller von Gärtringen.) Auch Ihnen , Graf Stolberg.«
Das
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