Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Worte sogleich sehen, denn der Prinz trat augenblicklich
aus dem Kreise und ritt, ohne den König zu spre-
chen, nach Bautzen.«
Im Spätherbst desselben Jahres finden wir den Prin-
zen wieder in Oranienburg, an selbiger Stelle, wo er
uns zuerst als liebenswürdiger und aufmerksamer
Sohn und geübt in der Kunst sinniger Überraschun-
gen entgegentrat. Aber wir finden ihn jetzt in Ein-
samkeit und gebrochenen Herzens. Ob er sich in sei-
ner Liebe zum König oder in seiner eignen Ehre
schwerer getroffen fühlte, ist schwer zu sagen.
Gleichviel, unheilbare Krankheit hatte sich seiner
bemächtigt, und er litt an Leib und Seele. Über die
letzten Momente seines Lebens ist nichts Bestimmtes
aufgezeichnet, doch verdank ich den Mitteilungen
1804
einer Dame, die noch den Hof des Prinzen Heinrich
und diesen selbst gekannt hat, allerlei Züge und An-
deutungen, aus denen genugsam erhellt, daß der
Ausgang so erschütternd wie möglich war. Die Ge-
mütskrankheit hatte schließlich die Form eines ner-
vösen Fiebers angenommen, und die Bilder von Per-
sonen und Szenen, die seine Seele seit jenem Un-
glückstage nicht losgeworden war, traten jetzt aus
seiner Seele heraus, nahmen Gestalt an und stellten
sich wie faßbar und leibhaftig an sein Lager. Den
Schatten Winterfeldts rief er an, und als sich die
Gestalt nicht bannen ließ, sprang er auf, um vor dem
Gehaßten und Gefürchteten zu fliehen. Das waren
die letzten Momente Prinz August Wilhelms; er starb
im Fieber, am 12. Juni 1758, im Schlosse zu Ora-
nienburg. Der König war bei der Nachricht von sei-
nem Tode tiefgebeugt; im Volke hieß es, er sei vor
Gram gestorben. 1790 errichtete ihm sein jüngerer
Bruder Heinrich den oft beschriebenen Obelisken,
gegenüber dem Rheinsberger Schloß, nachdem die
sterblichen Überreste des Prinzen schon früher im
Rheinsberger Parke beigesetzt worden waren. Dieser
Punkt ist in Dunkel gehüllt, weshalb ich hier – damit
Eingeweihtere es lichten mögen – die alte Version
und meine eignen Aufzeichnungen aus dem Rheins-
berger Park zusammenstelle. Prediger Ballhorn in
seiner mehrzitierten »Geschichte« schreibt: »Seine
Leiche wurde zuerst in einem Gewölbe der Oranien-
burger Kirche aufbewahrt, dann aber am 10. Juli von
seinem Regimente nach Berlin abgeführt. Prinz Hein-
rich widmete ihm zu Rheinsberg ein prachtvolles Mo-
nument, das zugleich die Urne umschließt, in welcher sein Herz aufbewahrt wird .« Zwei Dinge erscheinen 1805
hierin unrichtig: erstlich stand das Regiment des
Prinzen von Preußen damals im Felde (Friedrich der
Große schreibt eigens: »Der Anblick des prinzlichen
Regiments erneuert mir jedesmal den Schmerz um
ihn«), und zweitens befindet sich die Urne nicht ein-
geschlossen im Monument, sondern steht frei und
offen an einer ganz andern Stelle des Parks. Diese
Stelle, in unmittelbarer Nähe des »bekannten Thea-
ters im Grünen« gelegen, zeigt unter einer Baum-
gruppe zwei Marmorarbeiten: eine große Urne auf
einem Piedestal und zweitens eine Art Herme, die die
trefflich ausgeführte Büste des Prinzen August Wil-
helm trägt. Beide Arbeiten stehen sich, in Entfernung
von etwa sechs Schritt, einander gegenüber. Das
Piedestal der Urne trägt die Inschrift: »Hic cineres
marmor exhibit«, und darunter: »August Gullielm,
Princeps Prussiae, Natus Erat IX Die Mens. Aug.
Ann. 1722. Obiit Die XII Mens. Jun. Anno 1758.« Die
Inschrift unter der Büste aber lautet: »Hic venustum
os viri, veritatis, virtutis, patriae amantissimi.« (Hier das freundliche Antlitz des Lieblings der Wahrheit,
der Tugend, des Vaterlands.)
Die erste dieser Inschriften: »Hic cineres marmor exhibit«, also: »Diese Urne umschließt seine Asche«,
schafft die eigentliche Streitfrage. Ruht der Prinz
August Wilhelm im Dom zu Berlin oder ruht er (laut
vorstehender Inschrift) im Rheinsberger Park? Viel-
leicht müßte die Inschrift lauten: »Diese Urne um-
schließt die Asche seines Herzens «. Dann hätte Pastor Ballhorn in der Hauptsache recht, nur nicht hin-
sichtlich der Aufstellung der Urne.
1806
An jenem Tage, als der Prinz August Wilhelm aus
dem Schloßportal getragen wurde und fünfzig Bürger
dem Sarge folgten, um ihm bis Havelhausen das Ge-
leit zu geben, an jenem Tage schloß das Leben in
Schloß Oranienburg überhaupt. Auf ein Jahrhundert
voll Glanz und lachender Farben folgte ein anderes
voll Öde und Verwahrlosung. Andere Zeiten kamen;
der Geschmack ging
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