Wanderungen durch die Mark Brandenburg
haben
mochten, fürchteten sich und hielten sich zurück, um
sich und ihre Reize nicht ähnlichen Gefahren auszu-
setzen. Wie dem immer sei, der Morgenschlummer
war gestört, und an die Stelle des Schlafs, der nicht
wieder kommen wollte, traten Promenaden in leich-
tem, flatterndem Morgenkostüm und, nach einge-
nommenem Frühstück, die gegenseitigen Besuche.
Die Prinzessin Amalie empfing die Huldigungen, die
1801
ihrer Schönheit dargebracht wurden; sie trug ein
Corset von schwarzem Atlas, das mit weißer Seide
gesteppt war, und darunter ein silbergesticktes Kleid,
mit natürlichen Blumen aufgenommen. In diesem
Kostüm stand sie da und übte sich im Flötenspiel:
Euterpe selbst hätte sie beneiden können.
Nach Tisch empfing die Königinmutter alle anwesen-
den Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die
eine Handarbeit dem Kartenspiel vorzogen, setzten
sich auf Tabourets um die Königin her, während Ba-
ron Pöllnitz seinen Platz als Vorleser einnahm und in
der Lektüre von ›La Mouche oder Die Abenteuer des
Mr. Bigand‹ fortfuhr. Die Königin folgte der Vorle-
sung und zog Goldfäden aus (se mit à effiler de l'or).
Den Beschluß des Tages machte ein Ball in dem hell
erleuchteten Tanzsaal, woran sich ein Souper in dem
Staatszimmer, am Ausgange der Porzellangalerie,
anschloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer
eintrat, bemerkte sie durch die hohen, gegenüberge-
legenen Fensterflügel, wie es plötzlich, inmitten des
dunklen Parks, wie ein Flammenbaum aus der Erde
wuchs. Immer deutlicher gestaltete sich das Bild, bis
es endlich wie ein feuriger Laubengang dastand, der
an höchster Stelle eine Krone und darunter die Worte
›Vivat Sophia Dorothea‹ trug.«
So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen
später wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg ge-
schlagen, an welcher Prinz August Wilhelm, der eben
noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk gehabt hatte,
einen rühmlichen Anteil nahm.
1802
Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen: August
Wilhelm, Heinrich und Ferdinand, zu ihrem älteren
Bruder, dem Könige, waren damals noch kaum ge-
trübt. Es ist wahr, sie lebten, zumal wenn sie in
Potsdam, also in unmittelbarer Nähe Friedrichs wa-
ren, unter einem gewissen Drucke, aber man fand
diesen Druck gleichsam in der Ordnung; er war der
älteste, der begabteste und – der König. Dabei ließ
er es seinerseits, um strengen Forderungen ein Ge-
gengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen,
und besonders war es der Prinz von Preußen, für den
er die zartesten Aufmerksamkeiten hatte. Er widme-
te ihm sein großes Gedicht »Die Kriegskunst«, er
widmete ihm ferner »die Geschichte seines Hauses«
und sprach es in der meisterhaften Einleitung dieses
Werkes vor der ganzen Welt und vor der Zukunft
aus, warum er diesen seinen Bruder, der ihn einst beerben solle, als Freund und Fürsten besonders
liebe . »Die Milde, die Humanität Ihres Charakters ist es, die ich so hoch schätze; ein Herz, das der
Freundschaft offen ist, ist über niedern Ehrgeiz erha-
ben; Sie kennen kein anderes Gebot als das der Ge-
rechtigkeit und keinen andern Willen als den
Wunsch, die Hochschätzung der Weisen zu verdie-
nen.«
So war das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern,
als die schweren Tage, die dem Unglückstage von
Kolin folgten, diesem schönen Einvernehmen plötz-
lich ein Ziel setzten. Prinz August Wilhelm erhielt
bekanntlich den Oberbefehl über diejenigen Truppen,
die ihren Rückzug nach der Lausitz nehmen sollten;
Winterfeldt wurde ihm beigegeben. Die Sachen gin-
1803
gen schlecht, und bei endlicher Wiederbegegnung
der beiden Brüder fand jene furchtbare Szene statt,
die Graf Schwerin, der Adjutant Winterfeldts, mit
folgenden Worten beschrieben hat: »Ein Parolekreis
wurde geschlossen, in dem der Prinz und alle seine
Generale standen. Nicht der König trat in den Kreis,
sondern Winterfeldt statt seiner . Im Auftrage des Königs mußte er sagen: ›Sie hätten alle verdient,
daß über ihr Betragen ein Kriegsrat gehalten würde,
wo sie dann dem Spruch nicht entgehen könnten, die
Köpfe zu verlieren; indes wolle der König es nicht so
weit treiben, weil er im General auch den Bruder
nicht vergesse.‹ Der König stand unweit des Krei-
ses«, so fährt Graf Schwerin fort, »und horchte, ob
Winterfeldt sich auch strikte der ihm anbefohlenen
Ausdrücke bediene. Winterfeldt tat es, aber mit
Schaudern , und er konnte den Eindruck seiner
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