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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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andere Wege – Schloß Oranien-
    burg war vergessen.
    1802 wurde der prächtige alte Bau, dessen zahlrei-
    che Deckengemälde allein ein bedeutendes, wenn
    auch freilich totes Kapital repräsentierten, für
    12 000 Taler mit all und jeglichem Zubehör verkauft
    und der Käufer nur zur Herausgabe der eingangs
    erwähnten vier Jaspis- und vier Marmorsäulen (im
    Treppenhause) verpflichtet. Schloß Oranienburg
    wurde eine Kattunmanufaktur . Wo die Edeldamen
    auf Tabourets von rotem Damast gesessen und der
    Vorlesung des alten Pöllnitz gelauscht hatten, wäh-
    rend die Königinmutter Goldfäden aus alten Brokaten
    zog, klapperten jetzt die Webstühle und lärmte der
    alltägliche Betrieb. Aber noch tristere Tage kamen,
    Krieg und Feuer, bis endlich in den zwanziger Jahren
    ein chemisches Laboratorium, eine Schwefelsäure-
    fabrik , hier einzog. Die Schwefeldämpfe ätzten und beizten den letzten Rest alter Herrlichkeit hinweg.
    Ich entsinne mich der Jahre, wo ich als Kind dieses
    Weges kam und von Platz und Brücke aus ängstlich
    nach dem unheimlichen alten Bau herüberblickte,
    der, grau und verkommen, in Qualm und Rauch da-

    1807
    lag wie ein Gefängnis oder Landarmenhaus, aber
    nicht wie der Lieblingssitz Friedrichs I.
    Nun ist das alte Schloß der Kolben und Retorten wie-
    der los und ledig, und frisch und neu, beinahe sonn-
    täglich, blickt es drein. Aber es ist das moderne Al-
    lerweltskleid, das es trägt; die Borten und Kanten
    sind abgetrennt, und der Königsmantel ist ein Bür-
    gerrock geworden. Noch wenige Wochen, und das
    alte Schloß von ehedem wird neue Gäste empfan-
    gen: wie Schloß Köpenick ist es bestimmt, als Schul-lehrerseminar in sein drittes Jahrhundert einzutreten. Sei es. In den neuen Bewohnern wird wenigs-
    tens ein Bewußtsein davon zu wecken sein, welcher
    Stelle sie angehören, und leise berührt von der
    Macht und dem Zauber historischer Erinnerungen,
    werden sie später den Namen und die Geschichte
    Schloß Oranienburgs in ihre Berufskreise mit hin-
    übernehmen.
    Unter den Linden des Gasthofes, während der Som-
    merwind die Tropfen von den Bäumen schüttelte,
    hab ich dem Leser die Geschichte des alten Schlos-
    ses erzählt, die Bilder aufgerollt seines Glanzes und
    seines Verfalls. Die Frage bleibt noch übrig: Haben
    die letzten hundert Jahre alles zerstört? Haben Krieg
    und Feuer, Retorte und Siedepfanne von dem alten
    Glanze kein Bestehen übriggelassen? Ist alles hin,
    bis auf die letzte Spur? Der Pietät des hohen Herrn,
    der nun vorm Altar seiner Friedenskirche in Frieden
    ruht, der Pietät Friedrich Wilhelms IV., dem es so oft
    zum Verbrechen angerechnet wurde, daß er das
    wahren wollte, was des Wahrens wert war, diesem

    1808
    hohen Liebessinne, der auf das Erhalten gerichtet war, haben wir allein es zu danken, daß wir der aufgeworfenen Frage mit einem »Nein« entgegentreten
    können – es ist nicht alles hin, es existieren noch Spuren, gerettete Überbleibsel aus alter Zeit her,
    und ihnen gilt zum Schluß unser Besuch.
    Wir verweilen nicht bei zerstreuten Einzelheiten, die
    da, wo sie zufällig verlorengingen, auch zufällig auf-
    gelesen und in die Wand oder den Fußboden, als wär
    es ein Relief- oder Mosaikstück, eingelegt wurden –
    wir gehen an diesen Einzelheiten ohne Aufenthalt
    vorüber und treten in den nach West und Norden zu
    gelegenen Hinterflügel ein, wo wir noch einer zu-
    sammenhängenden Zimmerreihe aus der Zeit König
    Friedrichs I. begegnen. Daraus, daß das vorzüglichs-
    te dieser Zimmer an den vier Ecken des Plafonds mit
    ebenso vielen Sternen des Hosenbandordens ge-
    schmückt ist auf dessen Besitz König Friedrich I. ei-
    nen ganz besonders hohen Wert legte, würde sich
    mit einiger Bestimmtheit ableiten lassen, wann die-
    ser Teil des Schlosses ausgebaut wurde. Es sind
    sechs Zimmer, von denen zunächst zwei durch ihre
    Ausschmückung unser Interesse in Anspruch neh-
    men. Sie bilden die beiden Grenzpunkte der ganzen
    Reihe, so daß das eine (das kleinere) dem corps
    de logis, also dem Mittelpunkte des Schlosses zu
    gelegen ist, während das andere am äußersten Ende
    des Flügels liegt und den Blick ins Freie auf Fluß und
    Wiesen hat. Das kleinere Zimmer bildete entweder
    einen Teil der seinerzeit vielberühmten und von Tou-
    risten jener Epoche oft beschriebenen Porzellangale-
    rie oder war ein Empfangs- und Gesellschaftszim-

    1809
    mer, wo die fürstlichen Personen unter Herzuziehung
    ihres Hofstaats den Tee einzunehmen pflegten.

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