Wanderungen durch die Mark Brandenburg
be-
ruhigt sich eine Gruppe; ein dritter, ein vierter – der letzte ist aber noch nicht geschehen, und schon
kommen die, welche zuerst gefressen, wieder her-
beigerauscht und drängen die Fressenden zu einem
dichten Knäuel zusammen. Wild treibende Eisschol-
len, vom Föhn durcheinandergewälzte Schneemas-
sen können kein seltsameres Bild geben als diese
blendend weißen, belebten Körper auf dem dunklen
Wasser der Havel, rings von Eis und Schnee umge-
ben, so daß man kaum unterscheiden kann, wo das
Eis des Ufers aufhört und der Schwanenknäuel an-
fängt.
1862
Täglich werden auf diese Weise drei Scheffel Gerste
verfüttert. Vergleicht man indessen das Volumen all
dieser herzudrängenden Schwäne mit den anderthalb
Scheffeln, die ihnen morgens und ebensoviel nach-
mittags zugeworfen werden, so begreift man, daß
die Tiere beim Weggehen ihres Pflegers noch ziem-
lich ebenso lange Hälse machen wie bei seinem
Kommen. Eine Zeitlang verweilen sie noch; erst
wenn sie Gewißheit haben, daß alles Warten nicht
mehr fruchtet, schwimmen sie langsam fort. Zurück
bleiben nur noch die Kranken, die jetzt einen Ver-
such machen, eine kümmerliche Nachlese zu halten
und die letzten Körnchen zu entdecken.
Zu der Havelschönheit tragen die Schwäne ein sehr
Erhebliches bei. Sie geben dem Strom auf seiner
breiten Fläche eine königliche Pracht, und eine schö-
nere Einfassung aller dieser Schlösser und Residen-
zen ist kaum denkbar. In neuerer Zeit hat man die-
sen Zauber dadurch noch gesteigert, daß man, durch
Unterlassung der Flügellähmung, den Wildschwan
wiederhergestellt hat. Man wurde dazu durch ver-
schiedene Rücksichten bestimmt. Das Nächstbe-
stimmende war die größere Schönheit des wilden
Schwans; er ziert die Fläche mehr, die er durch-
schwimmt, und sein Flug durch die Luft, den er we-
nigstens gelegentlich macht, gewährt einen imposan-
ten Anblick. Was aber mehr als diese Schönheits-
rücksicht den Ausschlag gab, war der Wunsch, einen
neuen jagdbaren Vogel, einen neuen Sport zu schaf-
fen. Es werden jetzt von Zeit zu Zeit Wildschwanen-
jagden abgehalten.
1863
Anfangs, wo man diese Jagden in unmittelbarer Nähe
Potsdams abhielt, scheiterten sie. Die Tiere, zu den
zahmen Schwänen sich haltend, waren zahm und
vertraulich wie diese und entzogen sich kaum der
Büchse des Schützen, wenn auch einzelne von ihnen
schon dem Blei des letzteren erlegen waren – das
war keine Jagd, das war bloßes Totschießen, und
man stand auf dem Punkt, die Sache wieder auf-
zugeben. Da entdeckte man indessen plötzlich, daß
der Wildschwan bei Potsdam und der Wildschwan
flußabwärts auf den weiten, einsamen Flächen des
Schwielow, der Schlänitz und der Wublitz ein ander
Ding sei, und eine erste Jagd auf den großen Seen
wurde abgehalten. Sie schlug ein. Hier war der
Schwan noch scheu, und speziell auf der stillen, ab-
gelegenen Wublitz, auf der bloß die gelben Mummeln
und die weißen Schwäne zu Hause sind, bot er ein
treffliches Jagdrevier. Sooft das Boot durch Schilf
und Rohr heranschlich, horchte der Wildschwan auf,
hier hatte er noch den Instinkt der Gefahr, und wenn
der erste Schuß fiel, erhoben sich fünfzig der majes-
tätischen Vögel und rauschten mit schwerem Flügel-
schlage durch die Luft.
Die Schönheit und Poesie dieses Tieres aber, vor
allem die mächtige Schußfläche, die es bietet, wer-
den sehr wahrscheinlich immer ein Hindernis bleiben,
die Schwanenjagd in Jägeraugen zu etwas besonders
Wünschenswertem zu machen. Es unterbricht nur
mal den gewöhnlichen Lauf der Dinge. Ein Zwischen-
gericht, das willkommen ist.
1864
Die Schwäne der Havel bilden auch einen Versandar-
tikel. Viele, von näher gelegenen Punkten zu schwei-
gen, gehen bis Petersburg und nach den großen
Städten der Union. Mannigfach sind die Versuche,
ihn auch an andern Stellen einzubürgern. Es mag
indessen lange dauern, ehe der Havelschwan über-
troffen wird.
Der Limfjord, auf jenen weiten Wasserbassins, wo
Tausende von Möwen wie weiße Nymphäen schwim-
men, bietet ein ähnliches Bild. Aber doch nur ein
ähnliches. Die Möwe ist eben kein Schwan.
Noch ist die Havel mit ihren 2 000 Schwänen uner-
reicht.
Die Pfaueninsel
1. Die Pfaueninsel bis 1685
Pfaueninsel! Wie ein Märchen steigt ein Bild aus mei-
nen Kindertagen vor mir auf: ein Schloß, Palmen und
Känguruhs; Papageien kreischen; Pfauen sitzen auf
hoher Stange oder schlagen ein Rad,
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