Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Volièren,
Springbrunnen, überschattete Wiesen; Schlängelpfa-
de, die überall hinführen und nirgends; ein rätselvol-
les Eiland, eine Oase, ein Blumenteppich inmitten der
Mark.
1865
Aber so war es nicht immer hier. All das zählt erst
nach Jahrzehnten, und noch zu Ende der neunziger
Jahre war diese Havelinsel eine bloße romantische
Wildnis, die sich aus Eichen, Unterholz und allerhand
Schlinggewächs zusammensetzte. An manchen Stel-
len urwaldartig, undurchdringlich. Um das ganze
2 000 Schritt lange und über 500 Schritt breite Ei-
land zog sich ein Gürtel von Uferschilf, darin wildes
Geflügel zu Tausenden nistete. Dann und wann,
wenn im Grunewald die Jagd tobte, schwamm ein
geängsteter Hirsch über die Schmalung an der Süd-
westspitze und suchte Schutz bei der Einsamkeit der
Insel.
So war es unter den Joachims, auch noch unter dem
Großen Kurfürsten. Wer nicht ein Jäger war oder das
Schilf am Ufer schnitt, der wußte kaum von einer
solchen Insel im Havelstrom, die durch alle Jahrhun-
derte hin namenlos geblieben war.
Erst 1683, also während der letzten Jahre des Gro-
ßen Kurfürsten, trat die namenlose Insel, die inzwi-
schen ein »Kaninchengehege« empfangen hatte, als
Kaninchenwerder in die Geschichte ein, freilich ohne dadurch irgend etwas anders als einen Namen gewonnen zu haben. Das Eiland blieb vielmehr bis zu
der eingangs erwähnten Zeit eine absolute Wildnis,
an deren Bestand auch ein der Kaninchenherrschaft
unmittelbar folgendes Prospero-Zwischenspiel nicht
das geringste zu ändern vermochte. Im Gegenteil, zu
dem Wilden gesellte sich noch das Grusliche, ohne
daß von einem Caliban berichtet wird.
1866
Der Prospero war Johann Kunckel, der Alchimist. Er
erhielt die Insel 1685 aus der Hand des Kurfürsten.
Bei diesem Zeitabschnitt verweilen wir zunächst.
2. Die Pfaueninsel von 1685 bis
1592
»He, holla, halt«, schreit's hinter ihm, »wir kennen
Euch, nicht von der Stelle!
Hoch Euer Galgenmännlein, hoch der kleine rauchige
Geselle!
Und wieder hoch! und dreimal hoch! Alräunchen, Hüt-
chen meinetwegen,
Mag's ferner goldne Eier Euch und andern tote Bälge
legen.«
Annette Droste-Hülshoff
Johann Kunckel
Johann Kunckel, zu Hütten bei Rendsburg, und zwar
wahrscheinlich 1630, geboren, hatte sich von Jugend
auf der Alchimie befleißigt, den Stein der Weisen
gesucht, den Phosphor entdeckt und war 1677 in
kursächsische Dienste getreten, wo ihm das für da-
1867
malige Zeit außerordentlich hohe Gehalt von
1 000 Talern, nebst Vergütung für alle Materialien,
Instrumente, Gläser und Kohlen, zugesagt worden
war. Er erhielt aber schließlich diese Summe nicht
ausgezahlt und auf seine desfallsige Beschwerde ein-
fach den Bescheid: »Kann Kunckel Gold machen, so
bedarf er kein Geld; kann er solches aber nicht, wa-
rum sollte man ihm Geld geben?«
Die Verlegenheiten, die ihm daraus erwuchsen, ve-
ranlaßten ihn, einen Ruf an den brandenburgischen
Hof anzunehmen, freilich unter bescheideneren Be-
dingungen, die aber das Gute hatten, daß sie gehal-
ten wurden. Der Große Kurfürst sagte ihm in einer
ersten Unterredung, in der diese Dinge zur Sprache
kamen: »Ich kann Euch 1000 Taler nicht geben,
denn ich gebe meinen Geheimen Räten nicht mehr;
um keine Jalousie zu machen, so will ich Euch geben,
was ich meinen Geheimen Kammerdienern gebe.«
So erhielt Kunckel ein Jahresgehalt von 500 Talern.
Er nahm erst die Drewitzer Glashütte in Pacht, wurde
dann Compagnon der Glashütte auf dem Haken-
damm bei Potsdam, erfand hier das Rubinglas , das zu schönen Pokalen verarbeitet wurde, und erhielt
endlich, da es ihm um ein möglichst abgelegenes,
schwer zugängliches Plätzchen für seine Arbeiten zu
tun war, in dem schon genannten Jahre 1685 den
ganzen Kaninchenwerder (Pfaueninsel) zum Ge-
schenk. Die Schenkungsurkunde besagte, daß ihm,
unter Befreiung von allen Abgaben, die ganze Insel
erb- und eigentümlich übereignet, das Recht des
freien Brauens, Backens und Branntweinbrennens
zuerkannt und der Bau einer Windmühle gestattet 1868
werden solle, »damit seine Leute nicht gezwungen
seien, des Backens und Brauens, des Mahlens und
Schrotens halber, die Insel zu verlassen«. Gleichzei-
tig wurde er in seiner Rubinglas-Fabrikation durch
ein Privilegium geschützt wogegen er es übernahm,
»alljährlich für fünfzig Taler Kristallgläser an die Kur-fürstliche Kellerei abzuliefern und seine Glaskorallen
nur an die
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