Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
wär es an dieser Stelle
    nur aus der Erde gewachsen, um als Rokokoschau-
    bühne für eine Geisterkomödie, hinterher aber, um
    als Wahrzeichen dafür zu dienen, daß das alles einmal wirklich war.
    Durch ein halbes Jahrhundert hin waren diese Plätze
    wie verfemt. Marmorpalais, Belvedère, Marquardt,
    das Eckardtsteinsche Haus, auch andre noch; man
    mied sie, man nannte sie kaum. Erst Friedrich Wil-
    helm IV., innerlich freier, machte einen Versuch, den
    Bann der neunziger Jahre zu durchbrechen. Das
    Marmorpalais sah wieder Gondeln an seiner Treppe; die Miniaturbüste der Lichtenau, ein chef-d'œuvre,
    wurde an altem Platze aufgestellt; was einst Abnei-
    gung erweckt hatte, weckte wieder Interesse. Auch
    das Belvedère schien wieder zu Ehren kommen zu
    sollen. Von seinem Balkone aus sah der heitere Kö-
    nig, dessen eigene sittliche Integrität ihm die Milde,
    auch nach dieser Seite hin, zum Bedürfnis machte, in Dämmerstunden, beim Teegeplauder, das Spreetal
    hinunter, freute sich der Segelkähne, die kamen und
    gingen, der langen Züge, die rasselnd, dampfend
    vorübersausten, der dunklen Flächen des Grunewal-

    1853
    des hier, der Jungfernheide dort, endlich des roten
    Spandauer Turms, der die Zickzack-Festungswerke
    drüben am westlichen Horizont hoch überragte.
    Das waren die Wiederbelebungsversuche für das
    Charlottenburger Belvedère. Aber sie kamen und
    gingen wie bloße Träume. Bald schlief der Bau mit
    seinen drei Rokokogenien weiter. Er schläft noch.
    Etwas Unheimliches ist drumher, das nicht abzutun
    ist. Was ist es? Ist es, weil es ein Spukhaus war, weil Gespenster hier umgingen?
    Nein, denn man spielte hier nur Gespenst.
    Aber fast scheint es, als ob ein doppeltes Grauen
    ebendaraus erwuchs, daß die Geister, die hier auftra-
    ten, nur ein Schein, eine Lüge waren.

    1854

    Potsdam und Umgebung
    Die Havelschwäne

    Da geht's an ein Picken,
    An ein Schlürfen, an ein Hacken;
    Sie stürzen einander über die Nacken,
    Schieben sich, drängen sich, reißen sich,
    Jagen sich, ängsten sich, beißen sich,
    Und das all' um ein Stückchen Brot.
    »Lilis Park«

    Die Havel, um es noch einmal zu sagen, ist ein apar-
    ter Fluß; man könnte ihn seiner Form nach den
    norddeutschen oder den Flachlands-Neckar nennen.
    Er beschreibt einen Halbkreis, kommt von Norden
    und geht schließlich wieder gen Norden, und wer sich
    aus Kindertagen jener primitiven Schaukeln entsinnt,
    die aus einem Strick zwischen zwei Äpfelbäumen
    bestanden, der hat die geschwungene Linie vor sich,
    in der sich die Havel auf unseren Karten präsentiert.
    Das Blau ihres Wassers und ihre zahllosen Buchten
    (sie ist tatsächlich eine Aneinanderreihung von Seen)
    machen sie in ihrer Art zu einem Unikum. Das Stück-
    chen Erde, das sie umspannt, eben unser Havelland,
    ist, wie ich in den voraufgehenden Kapiteln gezeigt
    habe, die Stätte ältester Kultur in diesen Landen.

    1855
    Hier entstanden, hart am Ufer des Flusses hin, die
    alten Bistümer Brandenburg und Havelberg. Und wie
    die älteste Kultur hier geboren wurde, so auch die
    neueste. Von Potsdam aus wurde Preußen aufgebaut
    von Sanssouci aus durchleuchtet. Die Havel darf sich
    einreihen in die Zahl deutscher Kulturströme.
    Aber nicht von ihren Großtaten gedenke ich heute zu
    erzählen, nur von einer ihrer Zierden, von den
    Schwänen .
    Diese Schwäne sind auf dem ganzen Mittellauf der
    Havel zu Hause. Die zahlreichen großen Wasserbe-
    cken, die sich hier finden: der Tegler See, der Wann-
    see, der Schwielow, die Schlänitz, die Wublitz, sind
    ihre Lieblingsplätze. Ihre Gesamtzahl beträgt 2 000.
    In früheren Jahren war es nicht möglich, diese hohe
    Zahl zu erreichen. Während der Franzosenzeit waren
    sie, als ein bequemes Jagdobjekt, zu Hunderten ge-
    tötet worden; später wurden die großstädtischen
    Eiersammler ihrer Vermehrung gefährlich. Erst die
    Festsetzung strenger Strafen machte diesem Übel-
    stande ein Ende. Seitdem ist ihre Zahl in einem ste-
    ten Wachsen begriffen. Wie mächtige weiße Blumen
    blühen sie über die blaue Fläche hin; ein Bild stolzer
    Freiheit.
    Ein Bild der Freiheit. Und doch stehen sie unter
    Contrôle, in Sommertagen zu der Menschen, in Win-
    tertagen zu ihrem eigenen Besten. Im Sommer wer-
    den sie eingefangen, um gerupft, im Winter, um ge-
    futtert zu werden. So bringt der Hofstaat oder viel-
    leicht der Fiskus, dem sie zugehören, seine sommer-

    1856
    liche Untat durch winterliche Guttat wieder in Balan-
    ce. Auf die Prozedur des

Weitere Kostenlose Bücher